Bulldog
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Bulldog

„Bulldog“ // Deutschland-Start: 2. Januar 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Gerade einmal 15 Jahre liegen zwischen dem 21-jährigen Bruno (Julius Nitschkoff) und seiner Mutter Toni (Lana Cooper). Und auch sonst sind sich die beiden näher, als man es von ihnen erwarten könnte. Die beiden sind praktisch unzertrennlich, verbringen die ganze Freizeit zusammen, auch beruflich sind sie eng miteinander verbunden. So arbeiten sie gemeinsam in einer Ferienanlage in Spanien. Diese Beziehung wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, als eines Tages Hannah (Karin Hanczewski) auftaucht und die beiden Frauen ein Paar werden. So richtig weiß Bruno nicht, was er mit der Situation anfangen soll. Dabei ist die Neue an der Seite seiner Mutter gar nicht das eigentliche Problem. Schwieriger ist, wie Toni selbst immer wieder für Ärger sorgt und die Lage zu eskalieren droht …

Eine ungewohnte Intimität

So ein erster Eindruck kann schon trügen. Siehe Bulldog. Wenn wir dort zu Beginn Bruno und Toni zusammen sehen, die Vertrautheit und Intimität, mit denen die beiden durchs Leben gehen und durch die Welt tollen, scheint der Fall klar zu sein: Die sind ein Liebespaar. Umso größer ist die Überraschung, als sich herausstellt, dass es sich um eine Mutter und ihren Sohn handelt. Auch an anderen Stellen ist da eine Körperlichkeit und eine Nähe, die einen immer wieder glauben lässt, dass es sich um eine inzestuöse Beziehung handeln könnte. Doch eine tatsächliche Sexualität entsteht nie dabei. Wenn sich die beiden auch im Erwachsenenalter noch ein Bett teilen und sich gegenseitig umsorgen, dann ist das Ausdruck einer zunächst gewöhnungsbedürftigen Liebe. Und einer, bei der man sich gar nicht so ganz sicher ist, ob sie gesund ist.

Regisseur und Drehbuchautor André Szardenings hat aber gar kein Interesse daran, dieses spezielle Verhältnis zu bewerten. Er zeigt es in Bulldog lieber in seiner Ambivalenz, wenn es im Laufe der anderthalb Stunden zu Szenen kommt, die abwechselnd berühren und neidisch machen. Und solchen, bei denen man etwas fassungslos ist. Vor allem aber zeigt er, wie es innerhalb dieses speziellen Verhältnisses zu Veränderungen kommt. Dass die beiden ein eingespieltes Team sind, das steht außer Frage. Das sieht man, in verschiedenen Kontexten. Aber dieses Team droht nun zunehmend auseinanderzubrechen. Zunächst sieht es danach aus, als wäre Hannah die Wurzel allen Übels, wenn sie sich in das Duo hineinquetscht. Wenn es für Bruno keinen Platz mehr im Zweierbett ist, dann wird das zu einem schönen Symbol, wie er plötzlich aus dem Leben gedrängt wird.

Geschichte einer Abnabelung

Doch das ist eben nur ein Aspekt der Geschichte. Auch wenn sich Bruno und Hannah zunächst konträr gegenüberstehen und sie beide um die Aufmerksamkeit von Toni wetteifern, sind sie sich doch ähnlicher, als es den Anschein hat. So sind sie beide deutlich verantwortungsbewusster als Toni, die ständig gedankenverloren umherschwirrt, als würden sie die Notwendigkeiten des Alltags gar nichts angehen. Und dabei einiges kaputt macht. Denn das ist es, was Bulldog eigentlich erzählt: Wie zwei Menschen, die eine geradezu symbiotische Beziehung führten, sich nach und nach lösen. Weil sie es müssen. Das kann zwischendurch hässlich werden. Zum Ende hin gehen mit Szardenings auch ein wenig die Pferde durch, wenn er die Ereignisse ohne Not völlig eskalieren lässt.

Die starken Szenen sind dabei woanders. Das Drama, welches auf dem Max Ophüls Preis 2022 Premiere feierte, überzeugt gerade in den leisen Momenten, wenn es ganz nah an den Figuren bleibt. Das funktioniert auch schauspielerisch sehr gut. Lana Cooper (Love Steaks) wird hier zu einem Wirbelwind, der über alles hinwegfegt und dem man fasziniert zusieht, wie es alles in Schutt und Asche legt. Julius Nitschkoff (Toubab) wiederum überzeugt als junger Mann, der an einer Weggabelung steht. Immer wieder wechselt sein Bruno von der Sohn-Rolle in die des Erwachsenen, wenn er die Verantwortung für seine Mutter übernehmen muss. Das klappt mal besser mal schlechter. Das Mitleid des Publikums ist ihm aber sicher, wie er auf einmal etwas leisten muss, das ihm selbst nie beigebracht wurde. Daran schließen sich ganz allgemein Fragen rund um Erziehung und Identität an, die der Film aber nicht ausformuliert. Beantworten will er sie ohnehin nicht. Stattdessen bleibt Bulldog nah an den Figuren dran, die ständig zwischen Zusammenbruch und Neuanfang schwanken und bei denen Glück, Frust und Schmerz oft auf innige Weise miteinander verbunden sind.

Credits

OT: „Bulldog“
Land: Deutschland, Spanien
Jahr: 2022
Regie: André Szardenings
Drehbuch: André Szardenings
Musik: NOIA (Eduardo Noya Schreus)
Kamera: André Szardenings
Besetzung: Julius Nitschkoff, Lana Cooper, Karin Hanczewski, Moritz Führmann, Zoe Trommler

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir haben Hauptdarsteller Julius Nitschkoff gesprochen. Im Interview zu Bulldog sprechen wir über das Erwachsenwerden, wertvolle Erfahrungen und Diversität.

Julius Nitschkoff [Interview 2023]

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Bulldog
fazit
„Bulldog“ erzählt die Geschichte zwischen einer ganz besonderen Mutter-Sohn-Beziehung. Das ist vor allem in den leiseren Momenten stark, wenn das Ensemble einen schmerzhaften Abnabelungsprozess beschreibt. Die Eskalation im weiteren Verlauf hätte es da gar nicht gebraucht, spannend ist das Drama auch so.
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7
von 10