London in den frühen 1990ern: Anna Marshall (Harriet Walter) ist eine zurückhaltende ältere Dame, die allein in ihrer Wohnung lebt. Dort erhält sie eines Nachts ebenso unerwarteten wie unerwünschten Besuch, als der Neo-Nazi Karl Edwards (David Alexander) bei ihr einbricht. Geld, Schmuck oder andere Wertsachen sind ihm egal. Er ist vielmehr an der Leiche von Adolf Hitler interessiert, die die gebürtige Russin damals zusammen mit anderen Soldaten heimlich zu Stalin schaffen soll. Dabei ahnt er nicht, dass die vermeintlich harmlose Frau ihn sofort ausschalten wird. Und das ist nicht die einzige Überraschung, als sie beginnt die Geschichte zu erzählen, wie sie 1945, damals noch unter ihrem Namen Brana Vasilyeva (Charlotte Vega), eine besondere Mission erhielt …
Das Leid des Krieges
Dass manches nicht das ist, wonach es aussieht, ist eine Binsenweisheit. Diese Erfahrung machen schließlich alle in ihrem Alltag, wann immer Menschen lügen, sei es im privaten, wirtschaftlichen oder politischen Umfeld. Und doch gehört es in vielen Filmen dazu, das Publikum immer wieder darauf hinzuweisen, dass alles in Wahrheit ganz anders aussieht. Das kann rein zu Unterhaltungszwecken geschehen, wenn irgendwelche Wendungen eingebaut werden, nach denen die Welt plötzlich Kopf steht. Andere versuchen diese Aussage mit einem gewissen Anspruch zu verbinden und den Zuschauern und Zuschauerinnen etwas Schlaues mit auf den Weg zu geben. Burial – Die Leiche des Führers will irgendwie beides auf einmal, wenn sich der Film mehrfach in unerwartete Richtungen bewegt und man sich zwischendurch immer wieder fragt: Was soll das hier eigentlich sein?
So weckt der Einstieg um die ältere Dame, die von einem jungen Brutalo überfallen wird, den Eindruck, man habe es hier mit einer schwarzen Komödie zu tun. Zumindest ist es komisch, wie die vermeintlich hilflose Seniorin den Eindringling vorführt und der sich plötzlich angekettet wiederfindet. Das Publikum weiß sofort: Die ist nicht die, für die sie sich ausgibt. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis Burial – Die Leiche des Führers das gemütliche Schlafzimmer verlässt und stattdessen von den Nachkriegswirren berichtet, wenn sich die Männer und Frauen durch das polnisch-russische Grenzgebiet kämpfen. Das ist nicht nur ein krasser Schauplatzwechsel. Er bringt auch eine Veränderung der Tonalität mit sich. Das Bissige weicht dem Bitteren. Der Krieg mag hier schon vorbei sein. Grund zur Freude gibt es aber keinen, wenn Regisseur und Drehbuchautor Ben Parker von dem Leid der Menschen spricht, von gewalttätigen Soldaten auf beiden Seiten.
Auf der Suche nach der Wahrheit
Da dürfen auch die Deutschen nicht fehlen, schließlich tummeln sich da noch ein paar Spinner in den Wäldern herum, die nicht ganz einsehen mögen, dass sie verloren haben. Also kämpfen sie weiter, hüllen sich dabei in Felle und geben sich selbst den Namen „Werwolf“. Als der Begriff das erste Mal fällt, meint man noch, dass dies wörtlich gemeint sein könnte. Burial – Die Leiche des Führers würde zu einem dieser Filme, die Kriegsschrecken mit übernatürlichem Horror verbinden – siehe etwa WarHunt – Hexenjäger oder Ghosts of War. Aber auch da ist mal wieder etwas anders, als es auf den ersten Blick erscheint. Mit Horror hat der Film dann insgesamt auch nicht viel am Hut. Selbst Thriller trifft es irgendwie nicht so wirklich, da hierfür dann doch die Spannung und das Gefühl einer Bedrohung fehlt. Letztere ist zwar durchaus da, schließlich tummeln sich da viele menschliche Monster herum. Aber man ist dann doch mehr mit der Frage beschäftigt, was genau dieser Film eigentlich erzählen will.
Dass er narrative Ambitionen hat, das macht Parker an mehreren Stellen klar. So scheint es ihm eine Herzensangelegenheit zu sein, sich mit dem Thema Geschichtsschreibung zu beschäftigen. Was bleibt von dem übrig, was tatsächlich geschehen ist? Und wer bestimmt letzten Endes, was wahr ist? Grundsätzlich ist das ein spannendes Themengebiet, gerade im Kontext von Kriegsszenarien. Es ist auch aktuell, wenn man sich den Ukrainekrieg anschaut. Burial – Die Leiche des Führers kommt dabei aber zu keinem interessanten Schluss. Stattdessen begnügt sich der Film mit einer Mischung aus Allgemeinplätzen und bloßen Andeutungen, die offensichtlich den Mystery-Faktor erhöhen sollen. Ungewöhnlich ist der Film sicherlich. Aber eben auch unbefriedigend, wenn sich die einzelnen Bestandteile zu keinem schlüssigen Gesamtbild zusammensetzen. Trotz überzeugender schauspielerischer Leistungen bleibt das hier zu fremd.
OT: „Burial“
Land: UK
Jahr: 2022
Regie: Ben Parker
Drehbuch: Ben Parker
Musik: Alex Baranowski
Kamera: Rein Kotov
Besetzung: Charlotte Vega, Harriet Walter, Tom Felton, Barry Ward, Bill Milner, Dan Renton Skinner, Kristjan Üksküla, Tambet Tuisk
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)