Beruflich hat Gabriel Carvin (Gérard Depardieu) alles erreicht, was er sich erträumen konnte: Sein in einem Kloster gelegenes Nobelrestaurant wird von dem Publikum wie der Kritik gefeiert, kürzlich gab es gar den dritten Stern! Gleichzeitig liegt sein Privatleben in Trümmern. So betrügt ihn seine Frau Louise (Sandrine Bonnaire) mit einem anderen, das Verhältnis zu seinem Sohn Jean (Bastien Bouillon) ist ebenfalls etwas schwierig. Und dann ist da noch der Herzinfarkt, der ihn mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Bevor er den Kochlöffel ganz aus der Hand gibt, will er deshalb eine alte Rechnung begleichen: Er macht sich auf den weiten Weg nach Japan, um dort seinen alten Konkurrenten Tetsuichi Morira (Kyozo Nagatsuka) zu treffen und das Geheimnis hinter der Umami-Geschmacksrichtung zu kommen …
Eine Leinwandlegende spielt sich selbst
Seit mehr als fünf Jahrzehnten dreht Gérard Depardieu inzwischen schon Filme. Doch noch immer ist der französische Schauspieler dick im Geschäft. So sah man ihn kürzlich als gierigen Verleger in Verlorene Illusionen, in Les Volets Verts spielte er einen schwerkranken Theaterschauspieler, demnächst verkörpert er im Krimi Maigret die gleichnamige legendäre Romanfigur. Bei vielen dieser Filme hat man den Eindruck, dass die Leinwandlegende Variationen ihrer selbst spielt. Ganz besonders gilt das jedoch für Der Geschmack der kleinen Dinge, wo er einen ungehobelten Spitzenkoch spielt. Dass Depardieu ein Genussmensch ist, das ist ebenso wenig ein Geheimnis wie seine Gleichgültigkeit dafür, was andere von ihm halten. Er macht, was er will, nimmt sich, was er begehrt. Konsequenzen? Interessieren ihn nicht weiter.
Wenn sich Gabriel in dem Film genauso verhält, dann fällt das entsprechend überzeugend aus. Man kann von Depardieu als Menschen halten, was man möchte: Es gelingen ihm noch immer starke schauspielerische Momente. Er bringt eine Leinwandpräsenz mit, gegen die kaum jemand ankommt. Dabei überzeugt er sowohl in den humoristischen Momenten, wenn der französische Koch im zurückhaltenden Japan völlig fehl am Platz ist, wie auch in de ernsten. Schließlich handelt Der Geschmack der kleinen Dinge von einem Mann, dem nicht mehr viel Zeit bleibt und der noch ein paar Punkte auf seiner Checkliste abhaken möchte, solange er kann. Regisseur und Drehbuchautor Slony Sow kombiniert auf diese Weise Culture-Clash-Komödie und ein nachdenkliches Drama, das Wert legt auf leise Zwischentöne.
Sinnsuche ohne viel Tiefgang
Grundsätzlich können solche Mischungen gut funktionieren. Gerade aus Frankreich kommen immer wieder Filme zu uns, die sich auf leichtfüßige Weise mit schweren Themen befassen. Das Problem bei Der Geschmack der kleinen Dinge ist jedoch, dass nie wirklich klar wird, was genau dieses Thema eigentlich sein kann. Da geht es mal um die japanisch-französische Begegnung. Dann wiederum stehen die Familienverhältnisse der beiden Köche im Vordergrund. Essen spielt natürlich eine große Rolle. Und eben Punkte wie Vergänglichkeit und die Suche nach einem Sinn im Leben. Immer wieder wechselt Sow von einem Thema zum nächsten, wechselt auch zwischen Frankreich und Japan hin und her. Dann und wann kommt es auf diese Weise zwar zu reizvollen Gegensätzen. An vielen Stellen ist es jedoch in erster Linie willkürlich. Wenn beispielsweise Pierre Richard als guter Freund von Gabriel auftaucht, dann ist das wohl in erster Linie als nostalgisches Element gedacht, haben er und Depardieu doch vor langer Zeit mehrere Filme zusammen gedreht. Die Figur selbst ist völlig überflüssig.
Ähnlich unbefriedigend ist so einiges in dem Film. Die Frage, was genau Umami ist – eine fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, salzig und bitter –, spielt beispielsweise irgendwann überhaupt keine Rolle mehr. Das eigentliche Ziel ist nicht mehr als ein MacGuffin. Das gibt es in Filmen natürlich häufiger. Bei einem Film, der großen Wert auf Essen legt und immer wieder im Restaurant spielt, ist das aber schon enttäuschend. Die Ansätze, etwas Tiefschürfendes von sich zu geben, scheitern ebenfalls daran, dass man hier einfach nichts zu sagen hatte. Das bedeutet nicht, dass Der Geschmack der kleinen Dinge schlecht wäre. So gibt es ein paar Wohlfühl-Streicheleinhalten, gekoppelt an kitschige Lebensweisheiten. Hin und wieder sind schöne Bilder dabei. Auch das Ensemble kann sich sehen lassen. Für einen Film, der so stark das Entdecken und Suchen betont, ist letztendlich aber enttäuschend wenig zu finden.
OT: „Umami“
Land: Frankreich, Japan
Jahr: 2022
Regie: Slony Sow
Drehbuch: Slony Sow
Musik: Frederic Holyszewski
Kamera: Denis Louis
Besetzung: Gérard Depardieu, Kyozo Nagatsuka, Pierre Richard, Rod Paradot, Sandrine Bonnaire, Eriko Takeda, Akira Emoto, Bastien Bouillon
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