Die Sirene
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„Die Sirene“ // Deutschland-Start: 30. November 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

1980 in der iranischen Stadt Abadan. Der 14-jährige Omid ist gerade damit beschäftigt, mit seinen Freunden Fußball zu spielen, als eine Rakete in einer nahe gelegenen Raffinerie einschlägt. Der Irak hat sein Nachbarland angegriffen. Während viele Menschen sich auf den Weg machen, die bedeutende Hafenstadt zu verlassen, ist Omid fest entschlossen zu bleiben. Selbst kämpfen kann er nicht, dafür ist er noch zu jung. Aber es gibt andere Wege, sich nützlich zu machen. Schließlich muss sich irgendjemand um die Leute vor Ort kümmern. Außerdem muss er seinen Bruder finden, der kurz nach dem Angriff an die Front geschickt wird. Doch die Lage spitzt sich immer weiter zu, es gilt einen Weg zu finden, die anderen aus der eingekesselten Stadt zu evakuieren …

Rückkehr zum Iran-Irak-Krieg

Wenn sich aktuelle Filme mit dem Leben im Iran befassen, dann läuft es meistens darauf hinaus zu zeigen, wie restriktiv das Regime ist. Schon vor den derzeitigen Protesten, die brutal niedergeschlagen werden, gab es nicht gerade einen Mangel an Titeln, welche auf die Missstände im Land hinweisen. Relativ selten wird hingegen der Iran-Irak-Krieg thematisiert, dem zwischen 1980 und 1988 auf beiden Seiten mehrere 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Vor einigen Jahren wurde Under the Shadow zu einem Festival-Hit, das den damaligen Schrecken mit einer übersinnlichen Horror-Geschichte verband. Die Sirene ist da schon deutlich näher an der Realität dran, dürfte aber ebenfalls von einem Filmfest zum nächsten weitergereicht werden. Verdient hätte es das Werk zumindest.

Die selbst im Iran geborene Filmemacherin Sepideh Farsi erinnert hier daran, wie es für die Menschen war, in der belagerten Stadt Abadan auszuharren. Dass ausgerechnet diese Stadt umkämpft wurde, war dabei kein Zufalle. Vielmehr befindet sich dort das Zentrum der heimischen Ölindustrie und eine der größten Raffinerien der Welt. Entsprechend groß wäre der Verlust gewesen, wäre Abadan in die Hand des Feindes gefallen. Dabei zeigt Die Sirene relativ wenig aus dem Kriegsgeschehen an sich. Dann und wann sieht man zwar durchaus solche Szenen. Der Krieg ist auch zu jeder Zeit zu spüren, wenn das Leben von ständigen Gefahren begleitet ist. In der Hinsicht erinnert das Drama an den gefeierten Dokumentarfilm Für Sama. Dort waren wir live dabei, wie eine Gruppe von Menschen im belagerten Aleppo ausharrt und irgendwie durchzukommen versucht.

Odyssee zwischen Schrecken und Poesie

So wie dort bleibt das Animationsdrama, das die Panorama-Sektion der Berlinale 2023 eröffnet hat, immer sehr nah an den Figuren dran. An vielen Stelle von Die Sirene geht es gar nicht primär um den Krieg, sondern die Menschen, die durch diese Ausnahmesituation zusammenkommen. Da gibt es den Ingenieur, der mit lauter Katzen zusammenlebt, oder auch die Sängerin, die so sehr in ihren Erinnerungen an vergangene Tage schwelgt, dass sie sich zunächst weigert, ihr Zuhause zu verlassen. Wenn diese beiden und mehrere andere zusammenkommen, um sich gemeinsam auf den Weg zu machen, wird dies in mehreren Etappen zu einer wahren Odyssee. Omid wiederum nimmt diese Erfahrung mit, um auch mehr über sich und sein Leben zu verstehen. Auf diese Weise gewinnt das Werk auch Coming-of-Age-Anleihen.

Verpackt wurde das Ganze in einen visuell ansprechenden Animationsfilm. Technisch ist Die Sirene sicher eher schlicht gehalten. Die Bilder sind aber stimmungsvoll, auch durch den Einsatz der Farben. Sie halten dabei auch die Mischung aus Realismus und einer stärker stilisierten Welt. Da finden Schrecken und Poesie zusammen, inmitten des Horrors wird die Schönheit gesucht. Die europäische Coproduktion ist damit einer der frühen Höhepunkte 2023 im Animationsumfeld und ein weiterer Beweis dafür, dass dieses Medium geeignet ist, anspruchsvolle und erwachsene Inhalte zu transportieren. Und auch, dass es aus dem Iran noch ganz andere Geschichten zu erzählen gibt.

Credits

OT: „La Sirène“
Land: Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Belgien
Jahr: 2023
Regie: Sepideh Farsi
Drehbuch: Javad Djavahery
Musik: Erik Truffaz

Bilder

Trailer

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Die Sirene
fazit
„Die Sirene“ nimmt uns mit zu den Anfängen des Iran-Irak-Kriegs 1980 und erzählt von einem Jugendlichen, der sich durch eine besetzte Stadt schlägt. Dabei verbinden sich in dem Animationsdrama Schrecken und Poesie, wenn der Schwerpunkt nicht auf dem Kampf liegt, sondern auf den Menschen, die in dieser Ausnahmesituation zusammenfinden.
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