Gletschergrab Operation Napoleon
© Splendid Entertainment / Sagafilm / Juliette Rowland

Gletschergrab

Gletschergrab Operation Napoleon
„Gletschergrab“ // Deutschland-Start: 9. März 2023 (Kino) // 25. August 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Was wurde nicht schon alles im Eis gefunden? In Das Ding aus einer anderen Welt war es ein unbekanntes Wesen, in Fargo eine Geldtasche und in Gletschergrab stolpert eine Gruppe über ein deutsches Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Unter ihnen befindet sich Elias (Atli Óskar Fjalarsson), der seiner Schwester Kristin (Vivian Ólafsdóttir) noch ein Video schicken kann, bevor er fliehen muss, nachdem CIA-Agent William Carr (Iain Glen) die erste Phase eines geheimen Plans ausgerufen hat. Wie die Flosse eines Hais ragt ein Teil des Wracks aus dem Schnee.

Als Kristin den Clip von ihrem Bruder erhält, indem er das Innere eines Wracks filmt, das sich irgendwo in der isländischen Eiswüste befindet, ahnt sie noch nicht, dass sie nun Mitwisserin eines Geheimnisses ist. Ihr Bruder scheint verschwunden zu sein und plötzlich taucht ein Killer (Wotan Wilke Möhring) auf, der hinter ihr her ist. Warum will man sie töten? Was befindet sich so geheimnisvolles in dem Wrack? Lebt ihr Bruder noch? Fragen über Fragen und der eisige Wind pfeift wie die Kugeln um ihre Ohren.

Dialoge und Action, Recherche und Flucht

Die erste Soundspur tritt die Türe für die Zuschauer auf. Der strömende, rauschende Wind, ein Schneesturm und die über den Bildschirm klappernden Daten erzeugen eine gute Anfangsstimmung der Kälte, als müsste man mit dicker Daunenjacke im Kino sitzen. Generell untermalt die Musik im Film die verschiedenen Situationen sehr stimmig.

William Carr erhält einen Anruf. Das Flugzeug wurde gefunden. Phase 1 wird eingeleitet. Obgleich hier direkt ein Hauch Genre-Klischee mitschwingt – „Phase 1“ als generisch anmutende Thriller-Vokabel –, hat man mit Iain Glen, den viele aus seiner Rolle des Jorah Mormont in der HBO-Fantasy-Serie Game of Thrones in Erinnerung haben werden, einen ausdrucksstarken Schauspieler im Ensemble des Films. Leider kann er diese Stärken erst ca. im letzten Viertel richtig ausspielen, da er vorher mit eher hölzernen Dialogen kämpft. Dann geht die Action los. Die Doktorin (Adesuwa Oni), die aus dem Hubschrauber gestiegen ist, legt eine starke Performance hin und sorgt für den ersten Schock-Moment.

Es wird bei Thrillern schnell langweilig, wenn zu viel geredet oder zu oft geballert wird, hier findet Gletschergrab – besonders in der ersten halben Stunde – eine gute Balance. Hervorzuheben ist daher die Nahtlosigkeit, mit der die Protagonistin von einem Ort zum nächsten, einem Szenario ins nächste gerät. Kurze Ruhemomente mit Dialogen und Actionszenen halten sich bei der Adaption des Romans Napóleonsskjölin von Arnaldur Indriðason die Waage.

Erste Abnutzungserscheinungen

Nach der ersten halben Stunde ca. hat der Film so seine Länge und wiederholt sich mit seinem Muster – Recherche, Flucht, Recherche, Flucht –, ohne dass die Brisanz dabei bedeutend zunimmt. Die Spannungskurve flacht hier zwar minimal ab, aber nicht so sehr, dass man nicht dennoch wissen will, wie es weiter geht. Das Schema nutzt sich ferner dadurch ab, dass es zeitlich immer ganz gut funktioniert für die Helden. Die dafür oft gar nicht viel machen müssen. In einer Szene hören sie die Feinde näher kommen, verstecken sich kurz in einer Tür und gehen dann einfach. Das hätte bestimmt spannender inszeniert werden können.

Nebenbei bemerkt: Eigentlich wird Kristin noch polizeilich gesucht, wie uns eine Meldung im Fernsehen am Anfang des Films berichtet hat. Eine größere Rolle scheint das für die Protagonisten – Kristin und Steve (Jack Fox) – aber nicht zu spielen. Wenn man bei solchen Logikschwächen nicht so streng ist, fällt der Rest nicht allzu arg ins Gewicht, was unter anderem an der schnellen Taktung liegt. Die Figuren sind meistens in Bewegung.

Drohungen und Geheimnisse

Die Drohungen, hauptsächlich von Carr ausgestoßen, wirken teilweise etwas schon mal gehört, vielleicht zu typisch, um den Genre-Fan hinterm Ofen hervorzulocken. Die Verfolgung durch Simon ist am Anfang des Films noch ganz spannend, flacht aber zunehmend ab, was teils an dummen Entscheidungen der Figur liegt, teils daran, dass die Figur keine besondere Tiefe erhält.

In einer Szene wird der Anfang einer Folterung gezeigt. Die Handlung wird damit allerdings kaum voran gebracht. Zum einen erfährt Kristin lange nichts davon, zum anderen bringt es die Bösewichte ihrem Ziel nicht näher. Zum Ende hin ist es ein visueller Schockeffekt, aber das war es dann. Wären dem Bruder mehr Szenen gegeben worden, in denen er beispielsweise versucht zu fliehen, hätte man hier womöglich eher mitfiebern können, so erhält es den faden Beigeschmack von „Jetzt können wir noch einen Punkt auf der Genre-Liste abhaken“.

Nach und nach kommen Kristin und Steve dem Geheimnis auf die Spur. Eine große Rätselfreude fehlt leider. Stimmt schon, es gibt immer mal Andeutungen, was sich in dem Wrack befinden könnte, das fühlt sich irgendwann aber etwas redundant an. Die Gletschererkundung lässt dann das Geheimnisvolle, das Abenteuer-Feeling kurz aufflammen, aber auch nur kurz.

War das schon alles?

Hervorzuheben ist Einar Ragnarson (Ólafur Darri Ólafsson), der eine starke Schauspielleistung hinlegt. Das Gespräch zwischen ihm und William ist intensiv inszeniert. Auch später reißt er einen durch seine Ausstrahlung mit. Sein persönlicher Zwist mit William Carr hätte gerne noch mehr in die Tiefe gehen können.

Nach dem Showdown wird sie endlich beantwortet, die Frage, was sich in dem Wrack befunden hat. Die Art und Weise, wie dies den Zuschauern dann unterbreitet wird, wirkt allerdings ziemlich unmotiviert. Es ist ein bisschen so, als hätte man auf ein 3-Sterne-Dessert gewartet und dann war nur noch ein Pudding da. Tatsächlich entpuppt sich das große Geheimnis als Material für die Handlung einer potenziellen Fortsetzung. Die Idee für diesen möglichen zweiten Teil klingt aber durchaus interessant.

Credits

OT: „Operation Napoleon“
Land: Island, Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Óskar Þór Axelsson
Drehbuch: Marteinn Thorisson
Vorlage: Arnaldur Indriðason
Musik: Frank Hall
Kamera: Árni Filippusson
Besetzung: Wotan Wilke Möhring, Iain Glen, Jack Fox, Ólafur Dari Ólafsson, Vivian Ólafsdóttir

Bilder

Trailer

Interview

Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir haben uns mit Regisseur Óskar Thór Axelsson im Interview über die Arbeit an Gletschergrab unterhalten.

Óskar Thór Axelsson [Interview]

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Gletschergrab
fazit
Am Anfang findet der Film eine gute Balance zwischen Action und Dialogen. Im Mittelteil fehlt es an Überraschungsmomenten und an Komplexität. Besonders die letzte halbe Stunde ist ganz spannend inszeniert. Insgesamt ist „Gletschergrab“ ein passabler Thriller, der an manchen Stellen recht vorhersehbar ist, den Figuren wenig Raum für Entwicklung bietet, der aber auch ein paar gute Momente produziert.
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