Independence ist eine Dokumentation im Festivalprogramm des Max Ophüls Preises und portraitiert die afrodeutsche Schauspielerin Helen Wendt auf ihrer Reise entlang ihrer Familiengeschichte. Dabei stellt sie sich Fragen über die eigene Identität. Es ist eine Dokumentation, die große Themen wie Kolonialismus, Rassismus und Freiheit anspricht. Wir hören Erfahrungsberichte einer Vielzahl von Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern und sehen Bilder von Freiheitsbewegungen, Protesten und Revolutionen.
Dann tritt Helen Wendt auf die Bühne und blickt in den leeren Saal. Aus dem Off erschallt ihre Stimme: „Jemand hat gesagt, dass Bevölkerungen und Staaten, die für ihre Unabhängigkeit kämpfen, immer auch um eine Geschichte kämpfen, um eine Identität und das der Weg dorthin immer auch eine Reise ist.“ Bilder von Revolutionen blitzen auf.
Collage der Unabhängigkeit
„So wie dies hier eine Reise ist zu den Menschen von deren Geschichten über Unabhängigkeit hier erzählt wird“, erklingt die Stimme von Helen Wendt aus dem Off, während sie auf einer Bühne steht. Der Film hält zwar, was er verspricht, führt diese Reisen aber nicht immer bis zu einem tieferen Ende aus. Durch die Menge an Geschichten bleiben manche eher kurze Eindrücke und damit auch relativ oberflächlich. Im Laufe der nächsten anderthalb Stunden entwickelt Regisseur Felix Meyer-Christian eine Collage aus Interviewsituationen, Erfahrungsberichten, Revolutionsbildern und Aufnahmen von Unabhängigkeitsbewegungen.
Helen Wendts persönliche Reise in ihre Familiengeschichte und Suche nach Antworten zu Fragen über Identität und Unabhängigkeit führt durch diese Collage und verleiht dem Mosaik eine innere Struktur. Gespickt wird die Dokumentation mit kurzen Einschüben von Tänzen und Choreografien. Der Suche nach der Identität durch Ausdruckstänze eine Antwortmöglichkeit hinzuzufügen oder als Interpretation anzubieten ist eine spannende Idee, die in dieser Dokumentation neben der restlichen Informations- und Bilderfülle aber nicht ganz mithalten kann. So wirken die Szenen eher wie aufblitzende Fragmente aus einer womöglich größeren Inszenierung.
Perspektiven
„Bevor ich das erste Mal nach Maputo kam, hatte ich ein völlig falsches Bild von der Stadt“, erzählt Helen Wendt. In Independence geht es auch darum, verschiedene Perspektiven wahrzunehmen. Zwischendurch stellt sich Helen Wendt Fragen zu der Bedeutung oder dem Wesen von Identität, Selbst- und Außenwahrnehmungen. Durch diese reflektierenden Augenblicke wird auch der Zuschauer angesprochen, seine eigene Identität oder auch Rolle in einer Gesellschaft zu betrachten.
Der Film ist außerdem besonders etwas für politisch und geschichtlich Interessierte, denn er behandelt zudem Themen wie Kolonialismus und Rassismus und portraitiert politische Situationen und Menschen und deren Kampf um Souveränität. Durch die spannende Vielfalt – Mosambik, Südsudan, Großbritannien, Katalonien, Deutschland – gewinnen wir einen Überblick über Unterschiede und Gemeinsamkeit verschiedener Freiheitskämpfe und Identitätsreisen, Persönlichkeiten und Ansichten. Zusätzlich bietet die Dokumentation dadurch auch Raum für Diskussionen beziehungsweise Anhaltspunkte, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Was einerseits eine Stärke des Films ist, ist gleichzeitig auch eine gewisse Schwäche, da viele Geschichten aufgeklappt werden und nur über die ersten Seiten geblättert wird, wodurch es auch eine große Menge an Informationen und Eindrücken gibt, was manchmal vielleicht sogar überladen scheint und dadurch droht, oberflächlich zu werden oder zu wirken. Es gibt aber immer wieder Szenen, in denen Pointen und Erkenntnisse gezogen werden, in denen Worte mit einer gewissen Eindringlichkeit aufgenommen werden, die ein Schauen lohnenswert machen.
OT: „Independence“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Felix Meyer-Christian
Buch: Felix Meyer-Christian, Helen Wendt
Musik: Marcus Thomas
Kamera: Philine von Dueszeln, Thomas Oswald
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