Manodrome
© Wyatt Garfield

Manodrome

Manodrome
„Manodrome“ // Deutschland-Start: 2024 (Video on Demand)

Inhalt / Kritik

Als Uberfahrer versucht Ralphie (Jesse Eisenberg), sich und seine schwangere Freundin Sal (Odessa Young) über Wasser zu halten. Wegen der Geldprobleme, der bevorstehenden Vaterschaft und einer mehr als unsicheren Zukunft flüchtet er sich nicht nur regelmäßig in ein dunkles Fitnessstudio, sondern auch in die Betäubung mit starken Schmerzmitteln. Ein Cocktail aus unterdrückten Emotionen und ein verzerrtes Selbstbild lähmen ihn zusehends. Sein Kumpel Jason (Philip Ettinger) spürt die Verzweiflung und lädt ihn zu einem Treffen mit Dad Dan (Adrien Brody) ein. Dan leitet als Vaterfigur die „Manodrome“. Eine rein männliche Bruderschaft, die das richtige Mannsein leben will. Ralphie zerbricht allerdings zunehmend an den Erwartungen und einer Realität, die nicht seine zu sein scheint. Als ihm Ahmet (Sallieu Sesay) im Fitnessstudio gefährlich nahekommt und seine Freundin die Schwangerschaft infrage stellt, eskaliert die Situation für ihn ins Unberechenbare …

Die Unsicherheit des Mannes

„Werd erwachsen“ wird Sal irgendwann zu Ralphie sagen, als der neben ihr sein Gesicht aus purer Langeweile mit Klebeband deformiert. Problem ist nur, Ralph weiß nicht wie. Weiß nicht, was für eine Bedeutung er den Begriffen Mann, Vater und Partner geben soll. Und schon gar nicht, wie er ohne Richtung und Führung ein Leben mit Verantwortung meistern könnte. Eine Flut aus Erwartungen und Anforderungen, die aus allen Ecken auf ihn einprasseln und ihn in die absolute Überforderung treiben. (Toxische) Männlichkeit, unterdrückte Homosexualität und einengende Traditionen sind unübersehbare Motive, mit denen sich Regisseur John Trengove nach seinem Debüt Die Wunde auch in seinem zweiten Langfilm Manodrome auseinandersetzt. In Anbetracht von gefährlich manipulativen Influencern und sich formierenden Incelgruppierungen im Internet haftet dem Film zumindest anfänglich noch eine traurige Aktualität an.

Die Zerrissenheit und die Unsicherheit, die Ralphie in sich trägt, ist ab der ersten Minute zu spüren. Die erste Uberfahrt, endet desaströs, weil er im Rückspiegel nicht die Augen von der stillenden Frau auf seiner Rückbank lassen kann. Sie beschimpft ihn als Perversen, er reagiert passiv-aggressiv mit schweigsamer Verlegenheit. Im Gym stöhnt er angeberisch unter den schweren Gewichten, nur um dann den Blicken der anderen Trainierenden in der Umkleide auszuweichen und unbeholfen Selfies im Spiegel zu schießen. Eine konfliktbehaftete Ambivalenz, die Jesse Eisenberg mit seinem Charakter ausstrahlt und diesen interessant, sowohl aber auch unnahbar und undurchsichtig erscheinen lässt. Warum er die Frau in einem für ihn möglicherweise unbedacht übergriffigen Moment beobachtet? Man kann es eigentlich später nur erahnen, wenn Trengove der Figur ein wenig mehr Profil gewährt.

Vielleicht ist es die Verantwortung, vielleicht die Angst nicht zu genügen, vielleicht die Erinnerung daran, dass er von seinem Vater verlassen wurde. Für uns könnte es alles sein. Manodrome wird allerdings kein explizites Charakterporträt mit Antworten auf alle Fragen werden. Das zeigt sich später auch, als Ralphie schwule Pärchen beobachtet und der Regisseur die Gedanken genauso zurückhaltend erörtert. Was angesichts seines obsessiven Männlichkeitsbildes zunächst wie brodelnder Hass wirken kann, ist sehr wahrscheinlich die Kanalisation für die eigene unterdrückte Sexualität und die verinnerlichte Homophobie.

Ein hasserfüllter Neuanfang

Ralphie, der sich immer irgendwie nach einer Struktur, einem Leitfaden sehnt, ist damit mehr als leichte Beute für den Anführer Dan. Adrien Brody spielt den fürsorglich berechnenden Ersatzvater mit einer beklemmend düsteren Sensibilität und einer unheimlichen drohenden Präsenz. Als sich die Gruppe dann zum ersten Mal bei seinem potenziellen Neuzugang vorstellt und in einer ruhigen Runde unter dem Dachboden zusammensitzt, erinnert die Szenerie stark an den heiß diskutierten Publikumsspalter Soft & Quiet. Dieser porträtierte eine Frauengruppe, die mit ihrem rechten Gedankengut titelgebend „sanft und ruhig“ ihre Opfer ins radikale Milieu überführten. Ähnlich verhält es sich hier mit der Gruppierung um Manodrome. Die Bruderschaft gibt sich familiär, empathisch, zuvorkommend freundlich und aufgeschlossen. Dann aber lässt der Regisseur die wahren Gedanken durchblitzen. Da wird die (unfreiwillige und damit im Ego kränkende) Enthaltsamkeit offenbart, der Hass auf die Ex-Frauen bricht durch und fast mantraartig wird patriarchalisches Gedankengut gesät. Immer unter dem Deckmantel eines Neuanfangs und Erstarken der Persönlichkeit.

Nicht ganz schlüssig erzählt

Die Atmosphäre, die der Regisseur dabei entwickelt, wirkt häufiger skurril als beängstigend. Wobei der Augenblick, in dem Ralphie zum allerersten Mal in einer Art Trance das ganze Ausmaß seiner angestauten Wut spürt, ziemlich eindrücklich nachwirkt. Eine Szene, die den Film für den Rest der Laufzeit schließlich auch in eine unberechenbare Spirale aus impulsiven Entscheidungen und unberechenbarer Gewalt manövrieren wird. Mit einem Eklat im Einkaufszentrum, bei dem Ralphie zu begreifen scheint, wohin ihn Manodrome führen könnte, bietet das Drama zusätzlich einen der spannendsten Momente. Anstatt seine Figur nun aber darauf aufbauend kathartisch auf ein Ende zusteuern zu lassen, fügt der Regisseur dem Geschehen zwei bisher kaum berührte Handlungsstränge hinzu. Wenig auserzählt wirken diese letztendlich jedoch eher störend, als das sie der ohnehin schon gebrochenen Hauptfigur noch weitere notwendige Facetten hinzufügen würden. Vor allem weil es sich dabei auch um Ralphies Freundin Sal dreht, deren Entscheidung sich zwar andeutet, schlussendlich aber eine ganz eigene Geschichte gebraucht hätte, um nicht nur zweckmäßig das Finale vorzubereiten.

Credits

OT: „Manodrome“
Land, USA, UK
Jahr: 2023
Regie: John Trengove
Drehbuch: John Trengove
Musik: Christopher Stracey
Kamera: Wyatt Garfield
Besetzung: Jesse Eisenberg, Adrien Brody, Odessa Young, Sallien Sesay, Philip Ettinger

Bilder

Trailer

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fazit
Mit Jesse Eisenberg in einer seiner stärksten Rollen erkundet „Manodrome“ die Folgen toxischer Männlichkeit, zerfasert am Ende aber spürbar und kann die vielen geschulterten, dabei oft nur angeschnittenen Themen nicht bis zum Schluss stemmen.
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