Regisseur Michel Hazanavicius beim Dreh von "Final Cut of the Dead" (© Lisa Ritaine)

Michel Hazanavicius [Interview]

Der Film gehörte sicher zu den größten Überraschungshits der letzten Jahre: One Cut of the Dead. Die japanische Zombiekomödie war in der Heimat monatelang in den Top 10 zu finden, war weltweit auf zahlreichen Filmfesten zu Gast und erlangte schnell Kultstatus. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis das Ausland sich an einem Remake versuchen würde. Seit dem 16. Februar 2023 gibt es mit der französischen Adaption Final Cut of the Dead tatsächlich ein solches in unseren Kinos, gedreht von dem bekannten Regisseur Michel Hazanavicius. Wir haben uns mit ihm über die Arbeit an seiner Fassung unterhalten.

 

Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Final Cut of the Dead sagen? Wie kam es, dass ihr ein Remake der japanischen Zombiekomödie One Cut of the Dead gedreht habt?

Ich war zu Beginn der Pandemie eigentlich mit einem ganz anderen Film beschäftigt, als mich der Produzent Vincent Maraval ansprach und mir davon erzählte, dass er die Rechte an einem japanischen Studentenfilm gekauft hätte. Ich habe mir daraufhin den Film angesehen und mich gleich in ihn verliebt. Ich hatte das Gefühl, dass er wie für mich gemacht war. Die Geschichte war wie ein Spielplatz, auf dem ich mich nach Lust und Laune austoben und einen Film drehen konnte, der sehr persönlich ist, obwohl es sich um ein Remake handelt. Ich weiß, dass sich das nach einem Widerspruch anhört, zumal ich mich auch sehr an das Original halte, mehr als ich im Vorfeld dachte. Und doch war es ein sehr persönlicher Film für mich.

One Cut of the Dead war seinerzeit ein Phänomen in Japan und hielt sich monatelang in den Top 10. Und auch im Westen war die Reaktionen euphorisch, obwohl es sich um einen No-Name-Low-Budget-Film handelt. Was war deiner Meinung nach der Grund für diesen Überraschungserfolg?

Die Erzählstruktur war einfach brillant mit diesem unerwarteten Perspektivwechsel. Du siehst am Anfang einen absolut katastrophalen Film, bei dem nichts funktioniert. Das ist so schlecht, dass ich es als Nicht-Kino bezeichnen würde. Es ist nicht einmal so, dass One Cut of the Dead als Parodie funktionieren würde. Denn dafür fehlen die Witze. Es fehlt an allem, was wir mit einem guten Film verbinden würden. Das ändert sich erst durch den Perspektivwechsel. Während das Publikum am Anfang ganz kritisch ist, versteht es langsam, warum das alles so ist, wie es ist. Du entwickelst Verständnis für die Figuren und ihr Verhalten und beginnst dich mit deiner eigenen Rolle als Zuschauer zu beschäftigen. Auch wenn du weißt, dass die da alle etwas ganz Furchtbares tun, drückst du ihnen doch die Daumen und wünschst ihnen Erfolg. Es machen also nicht nur die Figuren eine Wandlung durch, sondern auch die Zuschauer, was ich sehr cool finde.

Du hast bereits erwähnt, dass es sich um einen Studentenfilm handelt. Das ist bei Final Cut of the Dead offensichtlich anders: Du arbeitest mit einigen großen französischen Stars zusammen, hattest ein vernünftiges Budget zur Verfügung. Normalerweise versuchen sich Filme immer als etwas Größeres zu verkaufen, wollen mehr sein, als sie eigentlich sind. Du musstest das Gegenteil machen und trotz der Professionalität etwas drehen, was stümperhaft wirken soll. Wie schwierig war das für dich?

Das war eine interessante Erfahrung, weil ich einen komplett neuen Stil ausprobieren musste. Aber auch eine große Herausforderung, die für mich sehr frustrierend war. Wir haben so viel Arbeit investiert. So viel Zeit. Fünf Wochen lang haben wir geprobt in Vorbereitung auf den ersten Teil von Final Cut of the Dead, mit den Schauspielern, mit dem Kamerateam, mit dem Rest des Teams. Und wir mussten alle so tun, als wüssten wir nicht, wie so etwas geht. So hart zu arbeiten, nur um dann einen beschissenen Film zu drehen, das war schon sehr frustrierend. Ich habe mit so vielen wunderbaren Talenten zusammengearbeitet, mit Romain Duris, mit Bérénice Bejo, mit Grégory Gadebois, und konnte diese Talente gar nicht ausnutzen. Das war furchtbar. Aber es war mir eben wichtig, diesen ersten Teil so beizubehalten, wie er im Original ist, weil die pure Energie in One Cut of the Dead mich so beeindruckt hat. Das wollte ich auch in meiner Version. Dabei kam uns zugute, dass wir während der Pandemie gedreht haben und nach einer langen Pause endlich wieder mit einer Sondergenehmigung drehen durften. Das war für uns alle so befreiend und ein Grund zur Freude. Und ich denke, dass sich das auch auf den Dreh übertragen hat.

Final Cut Coupez
Chaos am Filmset: In „Final Cut of the Dead“ läuft die Arbeit an einem Zombiefilm völlig aus dem Ruder. (© Lisa Ritaine)

Eine Sache, die du hinzugefügt hast, ist eine japanische Produzentin, die im Film auftaucht und zu allem ihren Senf dazugibt. Hattest du Kontakt mit den tatsächlichen japanischen Produzenten von One Cut of the Dead?

Wir haben uns während der Vorbereitung per Zoom getroffen und uns über unsere Pläne unterhalten. Es gab aber keine Versuche, und zu irgendetwas zu zwingen oder anderweitig bei uns Einfluss zu nehmen. Sie haben uns da schon vertraut, dass wir das so hinbekommen, und waren froh, dass wir dieses Remake machen wollten. Das war also alles ganz unproblematisch.

Du hast schon erwähnt, dass ihr mehrere Wochen lang für den ersten Teil geprobt hat, der aus einer etwa halbstündigen Plansequenz besteht. Hast du zuvor schon einmal etwas in diese Richtung gedreht?

Nein. Natürlich habe ich schon die eine oder andere Plansequenz gedreht, aber nichts, das auch nur annähernd so lang gewesen wäre. Es gibt Regisseure, bei denen solche Plansequenzen Teil ihrer filmischen Sprache sind wie Alfonso Cuarón oder Gaspar Noé. Bei mir ist das nicht so, für mich war das eine neue Erfahrung. Aber ich habe es genossen.

Und wie viele Takes brauchtet ihr, bis diese Plansequenz wirklich im Kasten war?

Wir haben insgesamt vier Tage lang diese Sequenz gedreht und hatten am Ende glaube ich 17 Takes. Wobei wir nicht bei allen wirklich die komplette Sequenz gedreht haben, sondern vorher aufgehört haben. Die komplette Sequenz haben wir vielleicht zwölf Mal gedreht.

Was immer noch eine Menge ist.

Das stimmt. Aber ich bin von Anfang an davon ausgegangen, dass wir mehrere Anläufe brauchen werden. Wenn du mit dem Drehen anfängst, sind immer alle etwas nervös und müssen sich erst einfinden. Deswegen habe ich allen auch gesagt, dass sie sich keine Gedanken machen sollen. In den ersten zwei Tagen würden wir ohnehin nichts Brauchbares produzieren. Ich habe den Dreh mehr als eine erweiterte Probe aufgefasst, nur dass diese jetzt unter den richtigen Bedingungen stattfinden würden, mit den Kameras und allem. Und so war es dann auch. Die ersten zwei Tage konnten wir wegwerfen, ab dem dritten Tag wurde es gut.

Innerhalb des Films muss die Crew viel improvisieren, weil ständig irgendetwas ist, das nicht nach Plan funktioniert. Wie war das dann bei eurem finalen Take. Lief da alles wie geplant?

Nur zum Teil. Wir hatten einen Take, bei dem ich im Gefühl hatte: „Ja, das wird der richtige sein. Diesmal ist es perfekt.“ Das war es auch. Bis ein Licht bei der Kamera anfing zu blinken, so ungefähr nach 23 Minuten. Das ist immer ein schlechtes Zeichen. Wenn es irgendwo blinkt bei deiner Ausrüstung, weißt du, dass da etwas schief geht. Es stellte sich heraus, dass die Speicherkarte nicht mehr ging. Ich habe diesen Take dennoch behalten und letztendlich doch einen kleinen Schnitt gemacht. Wir waren durch die lange Probezeit so gut vorbereitet, dass wir problemlos mehrere Takes zusammenschneiden konnten, ohne dass es auffällt.

Später im Film erfahren wir, was im Hintergrund während der langen Plansequenz alles passiert, wenn Final Cut of the Dead einen Blick hinter die Kulissen wirft. Diese Szenen, die parallel zur Plansequenz spielen, wurden die gleichzeitig mit dieser gedreht oder separat?

Ich liebe es, wenn man mir diese Frage stellt! Das zeigt, dass die Illusion funktioniert und diese ganzen Szenen zusammenhängen. Tatsächlich wäre es völlig unmöglich, die eigentlichen Szenen des Films und die hinter den Kulissen zur selben Zeit zu drehen. Denn das würde bedeuten, dass immer mehrere Teams gleichzeitig am Set herumlaufen und parallel drehen. Das hättest du in dem Film gesehen, weil du die anderen Teams gar nicht hättest verstecken können beim Dreh.

Jetzt, da du diese ganzen neuen Erfahrungen gesammelt hast: Was hast du für dich gelernt? Wie viel wirst du daraus für dich und künftige Filme mitnehmen?

Was ich gelernt habe, ist dass die Neuverfilmung eines anderen Films so ist, als würdest du einen Roman verfilmen oder ein Drehbuch, das jemand anderes geschrieben hast. Du nimmst eine fremde Geschichte und machst sie zu deiner eigenen. Selbst wenn du mit der Entstehung einer Geschichte nichts zu tun hattest, wird sie durch deine Bearbeitung zu etwas Persönlichem. Was ich aus der Erfahrung für mich mitnehmen werden für künftige Filme, kann ich momentan wirklich noch nicht sagen. Bei The Artist habe ich gelernt, Geschichten nur über Bilder zu erzählen, was mir bei anderen Filmen geholfen hat, wo ich dann auch versucht hattet, primär visuell zu erzählen, anstatt alles in Dialoge packen zu wollen. Wegen Final Cut of the Dead müssen wir warten, was daraus wird. Lass uns da einfach noch mal in 15 Jahren sprechen, bis dahin sollte ich die Antwort auf deine Frage haben.

Dann lass uns in der Zwischenzeit über die Vergangenheit sprechen. In Final Cut of the Dead steht das gesamte Team immer kurz davor, das Handtuch zu werfen und den Dreh einfach abzubrechen, weil einfach nichts klappt und sie ständig mit Problemen zu kämpfen haben. Du musst bei deinen früheren Filmen doch in ähnlichen Situationen gewesen sein, wenn auch nicht ganz in diesem Ausmaß. Was hat dich in solchen Krisen angetrieben, trotz der ganzen Schwierigkeiten weiterzumachen?

Um ehrlich zu sein, frage ich mich das selbst immer wieder. Zwar bin ich nie wie mein Protagonist abends vom Dreh gekommen und habe geweint. Aber es gab schon Momente, bei denen ich morgens ans Set kam und mich fragte: Warum tue ich mir das an? Was will ich hier noch? Eine wirkliche Antwort habe ich nicht. Irgendwie muss ich das einfach tun. Ich habe mich zu dem Thema auch mit Kollegen ausgetauscht und wo eigentlich der Spaß an der Arbeit ist. Manchmal macht es Spaß, wenn alles zusammenkommt und du gemeinsam etwas erschaffst. Manchmal besteht der Spaß in dem Leid, das du ertragen musst, um etwas zu schaffen. Ich liebe es einfach, Geschichten zu erzählen. Und dafür musst du manchmal das Drumherum in Kauf nehmen, selbst wenn es schwerfällt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Michel Hazanavicius wurde am 29. März 1967 in Paris, Frankreich geboren. Seine Karriere begann er im Fernsehen sowie mit dem Dreh von Werbespots. Sein erster eigener Spielfilm war 1999 die schwarze Komödie Mes amis. Seinen Durchbruch als Regisseur schaffte er 2006 mit der Spionage-Komödie OSS 117: Der Spion, der sich liebte. Mit dessen Hauptdarsteller Jean Dujardin drehte er im Anschluss auch die Stummfilm-Hommage The Artist (2011), für die er einen Oscar als bester Regisseur erhielt.



(Anzeige)