Past Lives
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Past Lives – In einem anderen Leben

„Past Lives – In einem anderen Leben“ // Deutschland-Start: 17. August 2023 (Kino) // 16. November 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Im Alter von 12 Jahren wandert Nora (Greta Lee) mit ihrer Familie von Seoul nach Toronto aus. 12 Jahre später lebt die mittlerweile Erwachsene in New York und ist ambitionierte Schriftstellerin. Aus einer spontanen Laune heraus nimmt sie wieder Kontakt mit ihrer Jugendliebe Hae Sung (Yoo Teo) auf. Schnell scheint alles wieder so wie früher und viele Skype-Sitzungen folgen. Um sich auf ihre beruflichen Ambitionen zu fokussieren, will Nora nur wenige Zeit später allerdings eine Kontaktpause. Aus der Pause werden erneut 12 Jahre, bis Hae Sung die inzwischen verheiratete Nora in New York besuchen kommt und die beiden ihre Gefühle und Lebensentscheidungen konfrontieren.

In-Yun

Die Romanze ist ein schwieriges Genre. Sie ist durch ihr bewusstes Weglassen von (Selbst-)Reflexion geradezu prädestiniert, eindimensional und kitschig zu sein und sich an zahlreichen Stereotypen zu bedienen. Entsprechend beeindruckt es sehr, wenn es eine Romanze schafft, das zu umgehen, dabei aber trotzdem noch als Romanze und nicht als reines Beziehungsdrama zu funktionieren. Die Romanze muss kein dummes Genre sein. Das zeigen Filme wie Wong Kar-Wais In The Mood For Love oder Richard Linklaters Before Sunrise. Es ist aber ein sehr schmaler Grat, den es dafür zu meistern gilt. Der Grund, warum sich In the Mood for Love und Before Sunrise vielen der üblichen Genreprobleme entziehen, ist, dass sich die Filme ebenso wie ihre Figuren der Romantik bewusst sind. Romantik ist ein Traum, eine Sehnsucht, eine Realitätsflucht. Wir lassen uns auf etwas ein, von dem wir wissen, dass wir es zerstören, sobald wir darüber nachdenken.

Mit Past Lives gesellt sich ein weiterer Film zu eben jenen Romanzen, denen die Gratwanderung gelingt. Auch hier sind sich alle beteiligten Figuren darüber bewusst, dass die aufkommende Romantik zwischen zwei Highschool Sweethearts keine Zukunft haben kann. Die Anziehung gilt nicht der tatsächlichen Person, die man seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen hat, sondern der Vorstellung von ihr, der Nostalgie, die man ihr gegenüber bringt und die Sehnsucht nach einem anderen Leben, einem Leben mit dieser Person. Was hätte nur sein können?

Diese Frage und der damit verbundene Selbstzweifel sind dabei wahnsinnig wichtige Motive im Film. Inwiefern sind unsere Begegnungen und Beziehungen willkürlich und beliebig? Gibt es den einen, richten Weg und hätte ich mich für diesen anders verhalten müssen? Oder sind es doch wir selbst, die unseren Entscheidungen und Beziehungen Bedeutung verleihen? Der zentrale Begriff des Films dafür ist In-Yun, die koreanische Vorstellung, nur Beziehungen mit Menschen zu haben, denen man in vorigen Leben bereits begegnet ist. Dass das nur eine Romantisierung ist, ist Film und Figuren zu jeder Zeit bewusst. Hauptfigur Nora erzählt sogar, dass das Erzählen von dieser Vorstellung oft ein Mittel ist, um Menschen zu verführen.

Das Hinterfragen der eigenen Lebensentscheidungen wird in Past Lives aber nicht nur in romantischen Zusammenhang thematisiert. Denn Past Lives ist ebenso eine Migrationsgeschichte.  Prominent wird sich dabei vor allem mit den Fragen nach Ambition und der Verwirklichung von Zielen in einem neuen Land auseinandergesetzt. Was sind meine Ziele? Und was hinterlasse ich auf dem Weg zu ihnen? Aspekte wie soziale und kulturelle bzw. nationale Prägung der Identität stehen eher im Hintergrund und erweitern den Diskurs um die Willkürlichkeit von Entscheidungen. Trotzdem sind sie nicht weniger wichtig. Denn diese Erweiterung hat einen klaren Anteil daran, die Romantisierung in der Balance zu halten.

Herzlichkeit

Und das ist wichtig. Denn trotz der selbstreflektierenden Auseinandersetzung mit all den Themen bleibt Past Lives in erster Linie eine Romanze. Einen letzten Schritt, die Willkür vollends zu akzeptieren und darin etwas Positives zu sehen, geht er nicht. Bei allem Analysieren und Hinterfragen des Films ist und bleibt die Emotionalität und die Zeichnung von emotionalen Figuren, die eben nicht immer die logisch naheliegendste Entscheidung treffen, unerlässlich. Past Lives schafft es, Figuren zu kreieren, die schlicht wie echte Menschen wirken. Menschen mit Fehlern, Menschen, die aber trotzdem gewillt sind, richtig zu handeln. Und deshalb verzeiht man ihnen auch ihre Fehler, fühlt mit ihnen und wünscht ihnen nur das Beste. Gerade auch weil man weiß, dass ihre Situation nicht ohne Leid aufzulösen ist.

Unterstützt wird das alles durch die Stimmung des Films. Toll gezeichnete Bilder, die stets ein bisschen verträumt, aber doch geerdet wirken. Die fantastisch geschrieben Dialoge und noch besseren Figuren und die großartige Musik sind dafür hauptverantwortlich. Dabei ist der Film nie so schwermütig, wie es durch die Themen vielleicht den Anschein machen könnte. Das Drehbuch besitzt einen herrlichen Witz, der dem Film eine bitter-süße Note verleiht. Auch der Schnitt und das Pacing des Films sind grandios. Sie machen ihn trotz der  durchaus komplexen Themen sehr zugänglich, lassen aber gleichzeitig auch genug Raum für viele Details im Drehbuch, die kleinteilig analysiert werden könnten.

Credits

OT: „Past Lives“
Land: USA, Südkorea
Jahr: 2023
Regie: Celine Song
Drehbuch: Celine Song
Musik: Christopher Bear, Daniel Rossen
Kamera: Shabier Kirchner
Besetzung: Greta Lee, Teo Yoo, John Magaro, Seung-ah Moon, Seung Min Yim, Ji Hye Yoon

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance 2023
Berlinale 2023

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Past Lives – In einem anderen Leben
fazit
„Past Lives“ ist ein wirklich fantastischer Film, der sich zu den intelligentesten Romanzen überhaupt zählen darf. Ihm gelingt es, existenzialistische Fragen gleichwohl zu romantisieren und zu analysieren. Herausstechen tun dabei vor allem die toll geschriebenen Figuren, die essenziell dafür sind, sowie die grundsätzliche Herzlichkeit des Films.
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