Der plötzliche Tod ihres Vaters Antoine (Valentijn Dhaenens) reißt die 12-jährige Lena (Saar Rogiers) aus ihrem Alltag. Während Freunde und Familie von einem Unfall oder einer Fehlentscheidung während des Fischfangs ausgehen, ist Lena felsenfest davon überzeugt, dass ein Seemonster an dem Unglück Schuld ist. Mit ihrem starken Willen, das Monster zu finden, macht sich Lena auf Spurensuche und wird mit Wut, Trauer, aber auch Versöhnung konfrontiert …
Ein unzertrennliches Duo
Am späten Abend ist Lena mit ihrem Vater am Strand. Das Meeresleuchten der blauen Sterne, die „Sea Sparkles“ wollen sie heute sehen. Noch bevor sie das vom Sonnenuntergang schwach beleuchtete Meer erreichen, meint Lena, die sich an ihren Vater klammert, sie fürchtet sich vor Monstern. Solange er da sei, müsse sie aber keine Angst haben, versichert er ihr. Obwohl voller Ungeduld, ist sie dann doch viel zu müde, um die blauen Sterne in dieser Nacht noch zu sehen. Ein anderes Mal verspricht er ihr. Aber da ahnt Lena noch nicht, dass es für sie und ihren geliebten Vater kein anderes Mal geben wird. Dass die Beziehung zwischen den beiden eine sehr innige ist, ist unübersehbar. Lena ist oft an seiner Seite. Ob nun auf dem Fischerboot, während der Segelwettkämpfe oder auch am Abend in der Hafenkneipe beim Skatspiel mit Papas Freunden. Als ihr Vater ihr einmal fast beiläufig sagt „Eine Blomme gibt niemals auf“, weiß man, woher sie später ihren starken Willen nimmt, das unbekannte Seemonster in der wilden Nordsee zu finden.
Ohnmacht und Sprachlosigkeit
Domien Huyghes Protagonistin ist eine lebensfrohe, mutige und willensstarke 12-jährige, die mit ihrer besten Freundin nicht nur die Leidenschaft zum Segeln, sondern auch die des Skateboardfahrens teilt. Wenn sich die zwei abends am Hafen die Zeit vertreiben, die nächsten Tricks üben oder den Skatepark unsicher machen, inszeniert das der Regisseur mit dem Flair eines amerikanischen Indiefilms. Dass man sich an der rauen Nordseeküste Belgiens befindet, spürt man da oft schon nicht mehr. Mit poppigen HipHop Beats unterlegt Huyghe die jugendliche Unbeschwertheit, die Sorglosigkeit und Unbekümmertheit des Hier und Jetzt.
Das Lied, das im Hintergrund schon zu bekämpfende Dämonen besingt, wird abrupt verstummen, wenn Lena in den Spiegel sieht und es plötzlich mit den eigenen Dämonen zu tun bekommt. Sofort gedämpft, verschwimmen Hintergrundgeräusche und Gespräche klingen weit entfernt, wenn das Mädchen ab jetzt nur noch teilnahmslos durch die Tage geht. Eine große Leere und eine stumme Ohnmacht scheint sie zu umhüllen und nicht mal ihre Hobbys können für Ablenkung sorgen. Während der Seebestattung versucht sie in den Gesichtern ihrer Familie und ihrer Freunde etwas zu finden, was sie selbst scheinbar nicht fühlen kann oder nicht weiß, wie sie es einordnen soll. Zumal es noch schwieriger wird, als Mutmaßungen die Runde machen, dass ihr Vater an diesem einen Tag eine Fehlentscheidung beim Fischfang getroffen haben könnte. Eine starke Gefühlslage, die uns mit Lenas blühender und hartnäckiger Fantasie näher gebracht wird.
Ohne Schnörkel und leicht
Während das Mädchen sich in das Vorhaben flüchtet, um den Verlust zu verarbeiten, streift der Regisseur mit seinen Nebenfiguren auch andere Bewältigungsstrategien und zeigt auf, wie unterschiedlich die Menschen mit Trauer umgehen. Und auch wie wenig man sich in der Zeit einander zu verstehen scheint. Der Bruder, der Rapsongs schreibt, die beste Freundin, die versucht selbst kleinste Erinnerung auf Papier festzuhalten und die Mutter, die sich zudem gleich wieder in die Arbeit stürzen muss, um das Geschäft zu halten. Während die Familie auseinanderdriften zu scheint und Lena in jedem noch so kleinen Hinweis einen Beweis für ihre Theorie sieht, gibt der Regisseur seiner Hauptfigur einen Menschen an die Hand, der behutsam auf sie zugeht. Ihr versucht zu helfen, indem er ihr ihre Fantasien nicht wie alle anderen ausredet und den Weg der Trauerbewältigung gemeinsam geht.
Dabei ist dieser jemand diesmal kein Erwachsener, der Erklärungen liefert, sondern ein etwa gleichaltriger Museumspraktikant. Mit seinem Wissen um Klimawandel, sich dadurch verändernde Lebensräume und unbekannte invasive Arten streut der Regisseur ganz nebenbei aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ein und macht die Monstertheorie zu etwas durchaus Möglichem. Da sich Sea Sparkle allerdings vornehmlich an jüngeres Publikum richtet, ist die Geschichte selbst dann doch recht gradlinig und ohne viele Schnörkel erzählt. Konflikte ufern gerade nur so weit aus, als das absehbar ist, dass die Familie wieder versöhnlich in die Zukunft blicken wird und Lena sich ihre alte Lebensfreude zurückholen kann. Der Weg dahin ist zusammen mit den sympathisch inszenierten Charakteren dennoch ein ziemlich ereignisreicher und fantasievoller. Damit gelingt dem Regisseur ein sehr leichtes Drama, das mehr darauf bedacht ist, sein Publikum mitfiebern als mitleiden zu lassen.
OT: „Zeevonk“
Land: Belgien, Niederlande
Jahr: 2023
Regie: Domien Huyghe
Drehbuch: Wendy Huyge, Domien Huyghe
Musik: Bart Van Lierde
Kamera: Anton Mertens
Besetzung: Saar Rogies, Dunia Elwaleed, Sverre Rous, Valentijn Dhaenens, Hilde De Baerdemaeker, Thibaud Dooms, Lia Van Heck
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