Seneca
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Seneca
„Seneca“ // Deutschland-Start: 23. März 2023 (Kino) // 11. August 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Nachdem er viele Jahre im Exil verbringen musste, wird Seneca (John Malkovich) auf Geheiß von Agrippina (Mary-Louise Parker) zurück nach Rom geholt. Dort soll er ihren Sohn Nero (Tom Xander) unterrichten, der ihren Plänen zufolge später einmal Kaiser werden soll. Dies gelingt tatsächlich. Weniger geplant ist allerdings, dass der Jugendliche einen starken Willen hat und eine Vorliebe für Grausamkeiten. Und so macht er sich mit der Zeit von seinen Einflüssen frei. Erst lässt er seine Mutter ermorden. Und auch der in Ungnade gefallene Seneca soll sterben. Dabei wird ihm aber die Möglichkeit gegeben, sich selbst zu töten und damit auf eine weniger schmerzvolle Weise, als es ihm von offizieller Seite aus drohen würde. Für den Lehrer und Philosophen ist aber klar, dass er dieses Schicksal nicht wortlos annehmen wird …

Bitterböse Geschichtsstunde

Eines muss man Robert Schwentke lassen: Seine Karriere ist schon ziemlich spannend. Auf der einen Seite dreht er in Hollywood große, wenngleich nicht immer übermäßig erwähnenswerte Filme wie R.E.D. – Älter, Härter, Besser, Die Bestimmung – Allegiant oder Snake Eyes: G.I. Joe Origins. Doch wenn der deutsche Regisseur in seine Heimat zurückkehrt, scheint er einen Schalter umzulegen und liefert Werke, die völlig anders sind. So war sein Der Hauptmann 2017 eine bitterböse Beschäftigung mit Macht und Opportunismus anhand eines Betrügers während des Zweiten Weltkriegs. Mit den üblichen Historiendramen rund um diese Zeit hat das aber nichts tun. Dafür war das Werk zu eigen, zu grausam, zu surreal, obwohl es auf einer wahren Geschichte basierte.

In Seneca reist er noch weiter zurück in die Vergangenheit und nimmt sich des gleichnamigen römischen Philosophen vor. Und wieder unterläuft er die Erwartungen, die man an einen solchen Film haben könnte. So dürften die meisten bei dem Thema davon ausgehen, dass es sich um ein klassisches Biopic in historischem Setting handelt. Doch mit bekannten Beispielen wie Cleopatra hat Schwentke nichts am Hut. Zwar gibt er Einblicke in das Leben und Wirken des Philosophen. Diese beschränken sich aber auf seine Zeit an Neros Seite und sind vergleichsweise kurz.

Grotesk und teuflisch unterhaltsam

Zu diesem Zeitpunkt steht Seneca zudem ein wenig im Hintergrund, da der angehende Kaiser es nicht sonderlich schätzt, wenn andere zu wichtig werden. Im Schnelldurchlauf wird gezeigt, wie aus dem Jugendlichen ein grausamer Tyrann wird, der in seiner Mordlust keine Grenzen kennt, während sich sein Lehrmeister zunehmend zurückzieht, um nicht den Zorn des Despoten auf sich zu ziehen. Dass Letztere Vergnügen an Mord und Zerstörung findet, ist kein Geheimnis. Dafür gibt es genügend Beispiele. Das hätte gut auch als Horrorfilm funktionieren können. Hier wird es jedoch zu einer gut gelaunten Groteske, die auch dank des Darstellers so teuflisch unterhaltsam ist. Nachwuchsschauspieler Tom Xander ist eine echte Entdeckung. Tatsächlich ist seine Verkörperung des blutrünstigen Kindes so fesselnd, dass man sich wünschen würde, er hätte einen eigenen Film bekommen.

Ein Schaumschläger kämpft um sein Erbe

Das hängt auch damit zusammen, dass die zweite Hälfte, in der es nur noch um Seneca und seine Entourage geht, weniger unterhaltsam ausfällt. Nach einem bemerkenswerten Auftakt – der Gelehrte lässt eines seiner berüchtigten Theaterstücke aufführen – dreht sich der Film dann um den aufgezwungenen Selbstmord des Denkers. Dieser stellt sich als deutlich schwieriger heraus als gedacht. So mancher Plan will einfach nicht aufgehen. Außerdem diskutiert der Protagonist ewig gegen sein Schicksal an. Der einst so hoch geachtete Denker wird immer deutlicher zu einem Schaumschläger, dem es gar nicht so sehr um seinen inhaltlichen Beitrag zur Welt geht. Wichtiger ist ihm, was die Leute von ihm denken. Das wiederum ist erstaunlich aktuell. Schwentke nutzt ein historisches Setting, um zeitlose Themen wie Machtgier, Opportunismus und Heuchelei anzuprangern. Gerade Seneca ist dafür berüchtigt, dass seine Lehren nicht unbedingt mit seiner eigenen Lebeweise harmonieren.

Betörende Bilder und narrativer Stillstand

Stoff zum Diskutieren gibt es also genug. Aber auch einiges zum Anschauen. Zwar ist das Setting relativ begrenzt, mindestens ein Drittel des Films spielt nur in einem Raum, was dem Film zusammen mit den bewusst gestelzten Dialogen etwas Theaterhaftes gibt. Das bedeutet aber nicht, dass das Publikum mit Bildern verwöhnt wird, die zwischen surreal und betörend schwanken. Der französische Kameramann Benoît Debie (Climax) hat eine Reihe von Aufnahmen mitgebracht, in denen man sich zu gern verliert. Die reichen zwar nicht aus, um die späteren Längen ganz auszugleichen. Die Satire, die bei der Berlinale 2023 Premiere feierte, tritt eine Weile bewusst auf der Stelle, was sie auf eine weniger unterhaltsame Weise anstrengend macht. Und doch ist in Seneca so viel, das in der aktuellen Kinolandschaft ihresgleichen sucht, dass man sich wünschen würde, Schwentke wäre häufiger in seiner Heimat unterwegs, um sich dort filmisch auszutoben.

Credits

OT: „Seneca“
Land: Deutschland, Marokko
Jahr: 2023
Regie: Robert Schwentke
Drehbuch: Robert Schwentke, Matthew Wilder
Musik: Martin Todsharow
Kamera: Benoît Debie
Besetzung: John Malkovich, Tom Xander, Geraldine Chaplin, Louis Hofmann, Lilith Stangenberg, Samuel Finzi, Mary-Louise Parker, Andrew Koji, Julian Sands, Alexander Fehling, Wolfram Koch, Annika Meier, Samia Chancrin, Waldemar Kobus

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur und Co-Autor Robert Schwentke zu unterhalten. Im Interview zu Seneca sprechen wir über Selbstmord, Opportunismus und fehlende Theatralik.

Robert Schwentke [Interview]

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Deutscher Filmpreis 2023 Bestes Maskenbild Julia Böhm, Friederike Schäfer Nominiert

Filmfeste

Berlinale 2023

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Seneca
fazit
Auch wenn man es vielleicht erwarten könnte, handelt es sich bei „Seneca“ nicht um ein herkömmliches Historiendrama. Stattdessen ist das Porträt des römischen Denkers eine teils grandios bebilderte Satire um Machtgier, Opportunismus und leere Worte. Das ist über weite Strecken absolut sehenswert, selbst wenn der Film später bewusst auf der Stelle tritt und damit etwas zäh wird.
Leserwertung66 Bewertungen
4.5
7
von 10