Für Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller) ist es eine einmalige Chance: Sie soll Hofdame der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (Susanne Wolff) werden. So zumindest hat es Irmas Mutter Maria Gräfin von Sztáray (Sibylle Canonica) festgelegt, die dafür auch schlagkräftige Argumente hat. Tatsächlich geht der Plan auf, Irma wird in den innersten Kreis der Monarchin aufgenommen. Doch der Einstieg gestaltet sich schwierig. Nicht nur, dass der Neuling auf strenge Diät gesetzt wird. Die inzwischen in Griechenlande lebende Sisi hat darüber zahlreiche Eigenheiten und willkürliche Regeln, an denen die Gräfin ebenso verzweifelt wie an den anderen Leuten, die sich auf dem abgelegenen Landsitz eingenistet haben. Doch mit der Zeit findet Irma tatsächlich Gefallen an ihrer Aufgabe – und auch an Sisi, die zu ihrem Lebensinhalt wird …
Die allgegenwärtige Ikone
Zum 125. Mal wird sich dieses Jahr der Tod von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn jähren. Doch die als Sisi bekannte Monarchin berührt noch immer die Herzen der Menschen – und regt die Fantasie an. Aus gutem Grund: Sie ist ein frühes Beispiel für eine starke Frau und ist zugleich mit einer sehr tragischen Geschichte verbunden. Kein Wunder also, dass sie eine Ikone ist, die immer mal wieder im Mittelpunkt von Filmen und Serien steht. Dennoch, zuletzt war es ein bisschen sehr geballt. Erst kam Ende 2021 die Serie Sisi, letzten Sommer startete Corsage im Kino, nur damit es im Herbst mit der Netflix-Serie Die Kaiserin weiterging. Nicht wenige werden sich daher fragen, ob es mit dem Kinofilm Sisi & Ich wirklich noch eine weitere Fassung braucht. Viermal dieselbe Geschichte innerhalb von 15 Monaten, das ist schon ein bisschen sehr arg.
Vor allem der Vergleich zu Corsage drängt sich auf. Während die beiden Serien in der Tradition klassischer Historiendramen stehen, versuchen sich die zwei Filme jeweils an einer mal mehr mal weniger radikalen Neuinterpretation der Kaiserin. Dass Sisi & Ich sich von den Konventionen des Genres löst, wird schon früh klar. Portishead oder Le Tigre sind dann doch nicht unbedingt der Soundtrack, den man in einem solchen Kontext erwarten würde. Und auch der Humor, der hier verwendet wird, ist eher untypisch. Gerade zu Beginn setzt Regisseurin und Drehbuchautorin Frauke Finsterwalder, die zehn Jahre nach Finsterworld endlich ihren zweiten Spielfilm vorlegt, auf einen satirischen Ton. Das Verhalten der Figuren an dem Exil-Ersatzhof in Griechenland ist so absonderlich, dass man an vielen Stellen gar nicht anders kann als zu lachen.
Plötzlicher Sinneswandel
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. So nimmt mit der Zeit der Spott ab, die Tragik nimmt dafür zu. Damit einher geht auch ein Perspektivwechsel. Über lange Zeit ist der Film – der Titel Sisi & Ich kündigt es bereits an – aus der Sicht der Hofdame erzählt. Die Kaiserin ist zwar ständig anwesend, bleibt aber doch eine Fremde, die wir nur mit Distanz wahrnehmen. Ein Rätsel, deren Faszination eben auch darin besteht, dass die Willkürlichkeit ihrer Launen unergründet bleibt. Später konzentrieren sich Finsterwalder und ihr Ehemann Christian Kracht, die gemeinsam das Drehbuch geschrieben haben, doch noch auf die Leidensgeschichte der Kaiserin, die in den Ritualen ihrer Funktion gefangen ist. Das ist ein sehr viel weniger origineller Ansatz und passt zudem nicht wirklich zu dem Rest des Films. Zwar führt dies zu einer ebenfalls interessanten Umdeutung des Endes. Dennoch ist das alles nicht so wirklich konsequent und führt zudem dazu, dass sich im letzten Drittel mehrere Längen einschleichen.
Dennoch, in der Summe ist die eigenwillige Tragikomödie, die auf der Berlinale 2023 Weltpremiere feierte, durchaus sehenswert. Gerade die Besetzung mit Sandra Hüller und Susanne Wolff trägt dazu bei, dass Sisi & Ich trotz der anfänglichen Skepsis eine tatsächliche Bereicherung innerhalb dieses oft behandelten Mythos ist. Und auch die Optik liefert immer wieder Gründe, weshalb sich ein Kinobesuch lohnen kann, wenn das Duo im Laufe des Films die unterschiedlichsten Orte besucht. Schon die längere Phase in Griechenland hat einiges fürs Auge zu bieten, später geht es unter anderem nach England und Algerien. Damit einher geht auch eine Rastlosigkeit der Kaiserin, die ständig auf der Suche zu sein scheint, während Irma eher krampfhaft an einem Status Quo festhält, der nie wirklich real war – was auch ihr Schicksal zu einem sehr tragischen macht.
OT: „Sisi & Ich“
Land: Deutschland, Schweiz, Österreich
Jahr: 2023
Regie: Frauke Finsterwalder
Drehbuch: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht
Kamera: Thomas W. Kiennast
Besetzung: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich, Stefan Kurt, Sophie Hutter, Maresi Riegner, Markus Schleinzer, Tom Rhys Harries
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Deutscher Filmpreis | 2023 | Beste Hauptdarstellerin | Sandra Hüller | Nominiert |
Beste Kamera | Thomas W. Kiennast | Nominiert | ||
Bestes Kostümbild | Tanja Hausner | Sieg | ||
Bester Ton | Marco Teufen, Paul Rischer, Gregor Bonse | Nominiert |
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