Frederik Thalfort (Moritz Führmann) hat es durch seine Geschäfte zu großem Reichtum gebracht – aber auch zu jeder Menge Feinde. Und so lebt er mit seiner Familie zurückgezogen, aus Angst vor kriminellen Anschlägen. Doch ganz verhindern kann er diese nicht: Als sein 8-jähriger Sohn Jasper zusammen mit dem Kindermädchen Mariana zu einer ärztlichen Untersuchung geht, werden die beiden Opfer einer Entführung. Dario (Campbell Caspary), Luisa (Antonia Bill) und Josh (Julius Nitschkoff) halten sie in einem abgelegenen Haus auf dem Land gefangen. Nur das Zahlen eines hohen Lösegeldes kann noch das Leben der zwei retten. Während Thalfort in seiner Verzweiflung zu allem bereit ist, übernimmt Verena Klausen (Henny Reents) die Leitung einer Sonderlage …
Zweifacher Krimi-Anschlag
Doppelt hält besser. Und so drehte RTL von seinen beiden potenziellen neuen Krimireihen jeweils zwei Folgen, um zu sehen, was davon beim Publikum ankommt. Den Auftakt machte das auf Roman basierende Dünentod – Ein Nordseekrimi, das mit Das Grab am Strand und Tödliche Falle an den Start ging. Direkt im Anschluss wurde als Alternative oder Ergänzung noch Sonderlage – Ein Hamburg-Krimi vom Stapel gelassen. Die erste Folge war dabei Der Angriff, eine Woche drauf gibt es mit Das Kind wird sterben schon Nachschlag. Wobei nur der erste der vier Filme tatsächlich ein Rätselkrimi ist, bei den die Zuschauer und Zuschauerinnen grübeln können. Die anderen drei sind vielmehr Thriller, wenn es jeweils um die Abwehr von Gefahren geht, diverse brenzlige Situationen inklusive.
Das Besondere bei dem neuen Film ist, dass er wie der Vorgänger von wahren Geschichten inspiriert sein will. Die Idee hinter Sonderlage – Ein Hamburg-Krimi ist es, sich eng an tatsächlicher Polizeiarbeit zu orientieren und entsprechend beratend zu werden. Authentizität ist angesagt. Theoretisch. Es mag sein, dass die internen Abläufe dem entsprechen, wie es auch bei der richtigen Polizei üblich wäre. Das bedeutet aber nicht, dass die Filme deswegen realistisch sind. Schon Der Angriff war ziemlicher Schwachsinn und irritierte dabei mit einem Gegenspieler, der schon sehr Karikatur war. Bei Das Kind wird sterben sieht es nicht besser aus, wenn die Entführung eines Millionärsjungen zu zahlreichen absurden Szenen führt, bei denen man immer wieder fragen möchte: nicht euer Ernst, oder?
Übertrieben und mäßig spannend
Schon die Entführung an sich ist etwas weit hergeholt, wenn die Schuldigen sich einfach als Krankenhaupersonal verkleiden, auf diese Weise ungestört umherlaufen und agieren können, ohne dass es jemandem auffallen würde. Das darf man glauben, muss es aber nicht. Problematischer sind ohnehin spätere Szenen, wenn beispielsweise die Ermittlungen völlig grotesk werden und Klausen irgendwelche Schlüsse zieht, ohne dass dies nachvollziehbar wäre. Außerdem begnügte sich Drehbuchautor Norbert Eberlein nicht damit, einen regulären Entführungsfall aufzuziehen, weshalb er lauter Wendungen einbaut. Das wird die Zuschauer und Zuschauerinnen freuen, bei denen möglichst viel drunter und drüber geht und alle irgendwelche Geheimnisse mit sich herumtragen. Wer jedoch erhoffte, so etwas wie einen normalen, dokumentarisch umgesetzten Polizeifall zu sehen, der ist mit Sonderlage – Ein Hamburg-Krimi: Das Kind wird sterben schlecht beraten.
Überhaupt ist hier alles übertrieben, seien es die Drohnen-Kamerafahrten, die Geschichte oder die Figuren. Und weil das alles offensichtlich noch nicht ausreichte, werden zudem noch zwischenmenschliche Probleme eingebaut. Die Konflikte mit den frauenfeindlichen Anzugträgern in der Polizei haben nicht wirklich etwas zu der Handlung beizutragen, sondern sind wohl nur drin, um irgendwie gesellschaftliche Relevanz vortäuschen zu können. Gleiches gilt für die Kapitalismuskritik, die ungelenk mit dem Entführungsfall verbunden wird. Zusammen mit den zum Teil richtig üblen Dialogen, mit denen die Figuren das Publikum quälen, wird ein reißerischer Thriller draus, der nun wirklich keine Lust auf ein Wiedersehen macht. Obwohl hier eine Reihe von Leuten mitspielen, die in anderen Kontexten ihr Talent demonstriert haben, hat man kaum das Gefühl, es mit realen Menschen zu tun zu haben. Spannend ist Sonderlage – Ein Hamburg-Krimi: Das Kind wird sterben sowieso nicht, obwohl das bei dem Szenario durchaus drin gewesen wäre. Lediglich die Frage, ob das Trio sich irgendwann selbst vor lauter Inkompetenz ausschaltet, sorgt für Neugierde.
OT: „Sonderlage – Ein Hamburg-Krimi: Das Kind wird sterben“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Andreas Senn
Drehbuch: Norbert Eberlein
Musik: Florian Tessloff, Raffael Seyfried
Kamera: Michal Grabowski
Besetzung: Henny Reents, Lasse Myhr, Georg Bütow, Annette Paulmann, Özgür Karadeniz, Zoe Valks, Banafshe Hourmazdi, Sven Gerhardt, Yasin Boynuince, Frederik Schmid, Moritz Führmann, Julius Nitschkoff, Soma Pysall, Anton Landau, Karl Scharper, Jan Andreesen, Antonia Bill
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