Die Freude ist groß bei Jugendrichterin Marlene Neubach (Silke Bodenbender). Zwar hat sie ihren Sohn Jakob (Tom Gronau) ziemlich bearbeiten müssen. Am Ende hat er aber zugestimmt, sie in Athen zu treffen, wo er im Rahmen eines Auslandsaufenthalts studiert. Umso größer ist die Verwunderung, als er sie nicht wie versprochen bei der Ankunft abholt. Nachdem sie ihn auch nicht am Telefon erreicht und niemand sonst ihr sagen kann, wo er stecken könnte, beginnt sie eine zunehmend verzweifelte Suche. Dabei kreuzt sich ihr Weg mit dem des Kommissars Vergas (Kostas Antalopoulos) sowie des Anwalt Alexandros Demetriou (Yousef Sweid), die ihr dabei helfen wollen, ihn zu finden. Doch je mehr sie selbst nach Spuren sucht, umso verworrener wird die Geschichte. Bald ahnt sie, dass Jakob ihr einiges verschwiegen hat und in eine große Sache verwickelt ist …
Urlaubsidylle trifft Panik
Sie gehören fest zur hiesigen TV-Landschaft dazu: die Auslandskrimis der ARD. Im steten Wechsel beschlagnahmen sie den Donnerstagabend für sich, führen uns in die verschiedensten Gegenden Europas. Dabei werden immer idyllische Postkartenmotive mit brutalen Morden kombiniert, siehe zuletzt Der Bozen-Krimi und Der Kroatien-Krimi. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert auch der neue Film Spurlos in Athen. Dabei handelt es sich ausnahmsweise mal um keine bestehende Reihe, auch wenn es vor ein paar Jahren mit Spurlos in Marseille schon einmal einen ähnlichen Titel gab. Dort war es ein Mann, der seine verschwundene Frau suchte und dabei in eine finstere Geschichte hineinschlitterte. Dieses Mal trifft dieses Schicksal eine Mutter, die ihren verschwundenen Sohn sucht und es dabei mit zahlreichen zwielichtigen Figuren zu tun bekommt.
Am Anfang steht auch hier ein Mord, wenn vermummte Männer Jagd auf einen unbekannten Mann machen. Im Gegensatz zu den obigen Sender-Kollegen geht es in Spurlos in Athen dennoch nicht wirklich um die Frage, was mit dem jungen Mann geschehen ist. Die Protagonistin hat ausschließlich Augen für ihren Sohn, bei dem ganz vieles offensichtlich nicht stimmt. Das ist durchaus verständlich und sorgt für gehören Zeitdruck. Während bei einer regulären Mördersuche normalerweise nichts wirklich eilig ist und das Tempo der Filme höchstens durch gelegentlich eingestreute Actionszenen zunimmt, ist der Fuß hier von Anfang an auf dem Gaspedal. Tatsächliche Actionszenen sind zwar rar gesät, braucht es aber auch nicht, um das Gefühl von Dringlichkeit und Eile zu erzeugen. Die Panik kommt hier schon durch die Ausgangssituation.
Klischeebeladen und reißerisch
Während diese also einiges an Potenzial mitbringt, lässt das konkrete Ergebnis doch zu wünschen übrig. Ein Problem ist, dass Drehbuchautor Gernot Krää (Wackersdorf) bei der konkreten Ausgestaltung der Geschichte keine nennenswerten Einfälle hatte. Der Anlass für das Verschwinden von Jakob ist zwar ein sehr aktueller und wichtiger, wie sich später herausstellt. Doch auf dem Weg dorthin sammelt Spurlos in Athen nur reihenweise Klischees an. Wenn es zwischendrin beispielsweise heißt, Marlene solle niemanden trauen, dann ist das ein Standardsatz, der in solchen Filmen immer fällt. Ein einigermaßen erfahrenes Publikum weiß zu dem Zeitpunkt auch schon, auf wen sich diese Aussage bezieht. Zwar spart der Film nicht mit Wendungen, wenn auf Schritt und Tritt neue Spuren gefunden werden. Wenn diese aber ausnahmslos auf ausgetretene Pfade führen, bringt das relativ wenig. Eine Überraschung, die keine ist, bringt irgendwie wenig. Da ist Missing aktuell doch die deutlich bessere Wahl.
Dafür gibt es an anderer Stelle mal wieder zu viel. So war man hier fest entschlossen, dem Publikum den Atem zu rauben, indem beispielsweise mehrere Verfolgungsjagden eingebaut wurden. Das ist oft aber dermaßen überzogen, dass es nahe der Lächerlichkeit ist. Auch musikalisch wird da aufgebauscht ohne Ende, damit auch die Letzten vor den Fernsehern verstehen sollen: Vorsicht, jetzt wird es spannend! Zusammen mit eher billigen Elementen des Verschwörungsthrillers wird so aus Spurlos in Athen ein Film, der sicherlich sein Publikum findet und gewisse Ansprüche bedient. Tatsächlich sehenswert ist das hier aber nicht. Zudem irritiert, dass mal wieder alle Leute im Ausland Deutsch sprechen. Das ist für die Protagonistin ebenso praktisch wie für die Zuschauer und Zuschauerinnen, die völlig abschalten dürfen. Es trägt aber mit dazu bei, dass man hier trotz eines realen Bezugs nie das Gefühl hat, noch in der Realität unterwegs zu sein.
OT: „Spurlos in Athen“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Roland Suso Richter
Drehbuch: Gernot Krää
Musik: Andrej Melita
Kamera: Andrés Marder
Besetzung: Silke Bodenbender, Yousef Sweid, Chara Mata Giannatou, Tom Gronau, Kostas Antalopoulos, Thomas Limpinsel
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