Mark Cousins ist ein irischer Filmemacher und verbringt, seitdem er denken kann, sein Leben mit der Kunst und dem Filmemachen. Nachdem er eine Verschlechterung seiner Sehkraft bemerkte und daraufhin herausfand, dass bei ihm ein Grauer Star (Linsentrübung) vorliegt, war dies ein großer Schock. Da das Visuelle für ihn alles bedeutet, begab er sich auf eine Reise, um sich mental auf die Operation vorbereiten zu können, aber auch um die visuelle Welt und deren Geschichte näher zu ergründen. In seinem Werk The Story of Looking setzt er sich mit der Kunst, dem Sehen und seiner Angst, alles zu verlieren, tiefgründig auseinander.
Schönheit und Scheußlichkeit
Cousins, der sich schon mit Hollywood, dem arabischen, russischen, schwedischen oder asiatischen Kino befasst hat, ist ein Künstler durch und durch. So überrascht es nicht weiter, dass er selbst bei so etwas persönlichen wie einer Augenoperation die Welt der Kunst großzügig ausrollt, um das visuelle Medium näher zu ergründen. Der Input, der hier zusammenkommt, fällt dementsprechend gigantisch und breit aus. Ray Charles, Andrei Tarkowski (Wir schauen nur, aber sehen nicht), Sergei Eisenstein, Ingmar Bergmann, Yves Klein, Zhang Yimou oder Vincent van Gogh sind hierbei nur einige der vielen Ansatzpunkte, um die Bedeutsamkeit von Bildern festzuhalten. Cousins zeigt uns damit, wie viel ihm Bilder bedeuten, mögen diese teilweise noch so schrecklich ausfallen. Gerade in Hinblick auf verstörende Aufnahmen von einer Enthauptung, Konzentrationslagern oder seiner eigenen Augenoperation, die recht explizit ausfällt, fällt es jedoch schwer, sich diesen Bildern vollends auszusetzen. Cousins Filmwerk wäre aber vermutlich nicht das gleiche, würde er sich nur auf Schönheit fokussieren.
Fragen über Fragen
Während die Dokumentation alle paar Minuten von einem Thema zum nächsten springt, fällt das visuelle Bombardement jedoch an keiner Stelle zu anstrengend aus, im Gegenteil. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die breite Themenlandschaft, die sich hier bietet, immer wieder auf den Regisseur zurückgeführt wird. Kurze Erklärungen zu Themen wie Farb- und Lichttheorie, Visualität im modernen Kino oder Ästhetik zeigen nicht nur die individuelle Bedeutung für den Filmemacher, sondern nehmen uns mitunter Jahrtausende in die Vergangenheit zurück. Die Nachzeichnung, wie sich Visualität und die Kunst im Laufe der Zeit gewandelt hat, stellt sich neben der Vielzahl an philosophischen Themen mit als die größte Stärke der Dokumentation heraus.
Ein letztes Blinzeln, ein letzter Film
The Story of Looking ist in erster Linie eine Reise in das visuelle Leben, gleichzeitig aber so viel mehr. Gerade gegen Ende hin, bei dem die Zeit und das Altern hinzukommen und Cousins immer schwermütiger wird, stellt sich ein melancholisches Gefühl ein. Es erweckt nun fast schon den Eindruck, als handelt es sich um ein Werk, welcher ein Künstler einen Tag vor seinem Tod noch kreieren wollte. Doch dies ist nicht verwunderlich, entstanden viele Aufnahmen tatsächlich einen Tag vor seiner Operation. In der Gesamtheit ist die Dokumentation damit ein höchst individuelles Portrait über Ängste und die Bedeutsamkeit des Sehens, welches man nach Cousins auf keinen Fall für gegeben hinnehmen sollte.
OT: „The Story of Looking“
Land: UK
Jahr: 2021
Regie: Mark Cousins
Drehbuch: Mark Cousins
Musik: Donna McKevitt
Kamera: Diego Almazán
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