Utama – Ein Leben in Würde
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Utama – Ein Leben in Würde

„Utama – Ein Leben in Würde“ // Deutschland-Start: 9. Februar 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Ihr ganzes Leben haben Virginio (José Calcina) und Sisa (Luisa Quispe) auf 3600 Meter Höhe im bolivianischen Altiplano verbracht. Dort gehen sie ihren alten Traditionen nach und kümmern sich um ihre Lama-Herde. Lange waren sie und auch die anderen aus den umliegenden Dörfern glücklich. Aber inzwischen sind die Sorgen groß: Seit vielen Monaten hat es nicht mehr geregnet, die meisten Quellen sind versiegt, Wasser ist Mangelware geworden. Und was nun? Alternativen gibt es, könnten sie doch in die Stadt ziehen, wie es ihr Sohn seinerzeit getan tat. Auch ihr Enkel Clever (Santos Choque), der zu Besuch bei dem alten Ehepaar ist, drängt sie dazu, ihr altes Leben aufzugeben und ihren Lebensabend bei der Familie in der Stadt zu verbringen. Virginio will davon jedoch nichts hören …

Der schleichende Tod

Dass der Klimawandel real ist, dürften inzwischen die meisten akzeptiert haben. Doch während viele sich nicht so wirklich konkret damit auseinandersetzen möchten, haben für andere die Veränderungen längst begonnen. Von einer solchen Veränderung berichtet der bolivianische Film Utama – Ein Leben in Würde, der uns mit auf eine abgelegene Hochebene nimmt. Dort scheint auf den ersten Blick die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Menschen gehen ihren alten Traditionen nach, pflegen Rituale und spirituelle Überzeugungen. Die hektischen Städte mit ihren Technologien, sie scheinen hier unendlich weit weg zu sein. Auch bei der Sprache ist alles beim Alten: Hier wird noch Quechua gesprochen, die am weitesten verbreitete Sprache der indigenen Völker in Südamerika. Außer wenn der Enkel aus der Großstadt zu Besuch ist und Spanisch zur Brücke wird.

Doch diese Idylle mit ihren geradezu unwirklich schönen Bildern trügt. Denn längst ist der Tod eingezogen in der Gegend. Der Tod der Kulturen und Traditionen, wenn immer mehr Menschen die Einöde hinter sich lassen und in den Massen der Stadt verschwinden. Aber es ist auch ein realer Tod: Der ausbleibende Regen lässt die Felder verdorren, nur mit Mühe und weiten Fußmärschen lassen sich noch die Tiere tränken, die für das Überleben der Menschen notwendig ist. Utama – Ein Leben in Würde fängt diese Unsicherheit ein, welche die lokale Bevölkerung antreibt. Dass ihr bisheriges Leben nicht mehr funktioniert, das wissen sie insgeheim alle, selbst wenn manche unbeirrt auf die Kraft der Gebete setzen. Aber was die richtige Antwort darauf ist, das können sie selbst kaum sagen. In der Stadt mag es Wasser geben. Nur was wollen sie dort mit sich anfangen? Die Rettung hat einen hohen Preis, würde die Aufgabe von Identität bedeuten.

Betörend schön und nachdenklich

Regisseur und Drehbuchautor Alejandro Loayza Grisi lässt dann auch offen, was die richtige Entscheidung ist. Zwar ist es naheliegend, das Angebot des Enkels anzunehmen, der sich um das Wohlbehalten des alten Paares sorgt. Hinzu kommt, dass Virginio als sehr sturer Mensch beschrieben wird, der für seine Frau mitentscheidet, ohne sie einzubeziehen. Dass er insgeheim an einer Krankheit leidet, behält er gleich ganz für sich. Worüber er nicht redet, das gibt es nicht – die bewährte Vogel-Strauß-Taktik. Gleichzeitig macht Utama – Ein Leben in Würde aber auch deutlich, welcher Verlust damit einhergehen würde, wenn die beiden wirklich alles hinter sich lassen würden, das sie kennen und das Teil ihrer Identität ist. An dieser Stelle dürfte es viele im Publikum geben, die trotz des fremden und weit entfernten Settings Anknüpfungspunkte finden. Das Gefühl, keinen eigenen Platz mehr zu haben, ist eines, das weltweit zunimmt. Die Welt dreht sich weiter, immer schneller, und lässt dabei immer mehr zurück.

Das wird nur selten direkt in Worte gepackt. Allgemein zieht es Grisi vor, die Bilder für sich sprechen zu lassen. Die haben es dann auch in sich. Das Drama, das beim Sundance Film Festival 2022 Premiere feierte und dort auch ausgezeichnet wurde, lockt mit betörend schönen und kunstvoll komponierten Aufnahmen. An vielen Stellen würde man gern im Kino auf eine Pause-Taste drücken und den Anblick bewundern, die Bilder mit nach Hause nehmen und sich groß einzurahmen. Dabei ist das Tempo sehr gering. Von einigen wenigen dramatischen Zuspitzungen einmal abgesehen geschieht in Utama – Ein Leben in Würde recht wenig, weshalb ungeduldigere Naturen vielleicht doch besser woanders vorbeischauen sollten. Doch wer die Zeit und die Ruhe mitbringt, dem ist diese Reise sehr ans Herz gelegt, die mal philosophische und mal emotionale Qualitäten hat, einem viel zu zeigen und sagen hat, das bis weit über den Abspann hinaus Bedeutung hat.

Credits

OT: „Utama“
Land: Bolivien
Jahr: 2022
Regie: Alejandro Loayza Grisi
Drehbuch: Alejandro Loayza Grisi
Musik: Cergio Prudencio
Kamera: Bárbara Álvarez
Besetzung: José Calcina, Luisa Quispe, Santos Choque

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance Film Festival 2022
Filmfest München 2022

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Utama – Ein Leben in Würde
fazit
„Utama – Ein Leben in Würde“ besucht ein altes Ehepaar, das in einer zunehmend aussterbenden Hochebene in Bolivien lebt. Mit viel Ambivalenz zeigt das Drama, wie die Menschen vor Ort mit den Veränderungen kämpfen und an ihren Traditionen festhalten. Da ist viel Stoff zum Nachdenken dabei. Und sehr viel zum Anschauen: Die betörend schönen Aufnahmen der kargen Gegend machen den Film zu einem Must-See.
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