Wann wird es endlich wieder so wie es nie war
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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

Wann wird es endlich wieder so wie es nie war
„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ // Deutschland-Start: 23. Februar 2023 (Kino) // 27. Juli 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

So eine Kindheit hat nicht jeder. Joachim (als Siebenjähriger: Camille Loup Moltzen) wächst auf dem weitläufigen Gelände einer großen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie auf. Autisten und Minderbegabte sind seine Freunde. Denn die beiden älteren Brüder Philipp (Casper von Bülow) und Patrick (Leevi Tjelle Höhlein) scheinen ihren Daseinszweck allein darin zu sehen, den Jüngsten in den Wahnsinn zu treiben, und das ganz wörtlich. Den liberalen Eltern Richard (Devid Striesow), seines Zeichens Anstaltsdirektor, und Iris (Laura Tonke), mangelt es an Strenge, das zu unterbinden. Andererseits gehen sie mit den Tobsuchtsanfällen ihres Juniors derart liebevoll um, dass man angesichts der sonstigen Erziehungsstile in den 1970ern bis 1990ern vor Neid erblassen könnte. Wie Joachim, genannt Josse, auf drei Zeitebenen zum Jugendlichen und dann zum Mann wird, hat nicht nur etwas von einer komödiantischen Coming-of-Age-Geschichte, sondern überzeugt als ebenso humorvolles wie lebensweises Familiendrama.

Herzerfrischende Anekdoten

Wenn Psychiatrieprofessor Richard Geburtstag hat, lädt er seine liebsten Patienten zu Kaffee und Kuchen ein. Die illustre Runde besteht unter anderem aus einem Jungen im Fledermauskostüm, einem Mädchen, das immer „schmeckt nicht“ sagt, und einem unauffälligen Gast, der dem Professor als Geschenk ein Fantasietier irgendwo zwischen Katze und Giraffe gebastelt hat. „Wollen wir nicht einmal eine Party mit echten und normalen Gästen geben, zum Beispiel den Henkels oder Jakobs“, schlägt Frau Iris vor, als die beiden kurz allein sind. „Als ob die Henkels normal wären“, gibt der Professor zurück und wendet sich wieder seinen Schützlingen zu. Die Grenze zwischen den Verrückten und den seelisch Gesunden ist fließend in der Welt des Psychiaters, der als einer der ersten die Türen der geschlossenen Abteilungen öffnet und den Seelenkranken zu einem selbstbestimmten Leben in therapeutischen Wohngemeinschaften verhelfen will. Jenseits dieses mitschwingenden Hintergrunds ist die auf Pointe inszenierte Szene eine der vielen herzerfrischenden Anekdoten, von denen der Film nur so wimmelt.

Wüsste man nicht um den realen Hintergrund, könnte man über Sonja Heiss‘ Verfilmung des gleichnamigen Romans von Joachim Meyerhoff an manchen Stellen die Stirn runzeln, – wegen des schmalen Grats zwischen warmherzigem Auf-die-Schippe-Nehmen und dem Lachen über psychisch Kranke. Aber Meyerhoffs Buch ist autobiografisch gefärbt, sein junges Ich fühlt sich wohl in einer Welt, in der niemand nach normal oder unnormal fragt, sondern jeder nach seinen Besonderheiten die angemessene Fürsorge erhält. Joachim Meyerhoff jedenfalls, einst so etwas wie ein „Problemkind“, hat das gut getan. Er ist ein sehr erfolgreicher Schauspieler, Theaterregisseur und Schriftsteller geworden.

Pralles Leben

Man muss sich nur an Sonja Heiss‘ vorigen Film Hedi Schneider steckt fest (2015) erinnern, um zu verstehen, was die Regisseurin und Drehbuchautorin (zusammen mit Lars Hubrich) an dem Stoff fasziniert. Der Vorgänger war eine ebenso lustige wie sensible Auseinandersetzung mit einer Frau, die von Panikattacken und Depression geplagt wird. Schon damals faszinierte der leichte Tonfall im Umgang mit einer ernsten Krankheit, genauso wie die dahinter stehende Überzeugung von den Widersprüchen, den absurden, traurigen, aber auch glückspendenden und erfüllenden Aspekten des Lebens im Allgemeinen – und dass das Leichte nicht ohne das Schwere zu haben ist. Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war nimmt den Faden nach sieben Jahren filmischer Pause wieder auf. Die Komödie spinnt ihn weiter im kongenialen Verständnis eines Seelenverwandten, der leichtfüßig durch das pralle Leben am Rande des Wahnsinns spaziert, sowohl innerhalb wie außerhalb der Psychiatrie. Sonja Heiss, die 2017 mit Rimini selbst einen Roman vorgelegt hat, trifft den Ton der Vorlage, nicht ohne eigene Schwerpunkte zu setzen, etwa die Bejahung des Andersseins oder die en passant gewürdigte Psychiatriereform der 70er bis 90er Jahre.

Ein Film über das Erwachsenwerden steht und fällt natürlich mit den Leistungen der jungen Schauspieler. Camille Loup Moltzen, Arsseni Bultmann und Merlin Rose geben den aufeinander folgenden Lebensabschnitten ihrer Figur eine je individuelle Note, ohne die durchgängige Charakterentwicklung aus den Augen zu verlieren. Ein besonderer Glücksfall für den Film ist aber das Zusammenspiel der von Laura Tonke und Devid Striesow verkörperten Eltern. Sie agieren wie selbstverlorene Kometen, die auf getrennten Bahnen durchs All schwirren, aber genug Anziehungskräfte besitzen, um einander trotzdem immer wieder zu begegnen, oft mit einem heftigen Knall, seltener im harmonischen Parallelflug. Es gehe darum, wie eine Familie funktionieren könne, auch wenn sie nicht funktioniert, sagt Sonja Heiss im Presseheft. Schöner kann man den Abschied von Perfektionsansprüchen wohl kaum formulieren.

Credits

OT: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Sonja Heiss
Drehbuch: Sonja Heiss, Lars Hubrich
Vorlage: Joachim Meyerhoff
Musik: Dickon Hinchliffe
Kamera: Manuel Dacosse
Besetzung: Devid Striesow, Laura Tonke, Camille Loup Moltzen, Arsseni Bultmann, Merlin Rose, Casper von Bülow, Pola Geiger, Leevi Tjelle Höhlein

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Deutscher Filmpreis 2023 Bester Film Nominiert
Beste Regie Sonja Heiss Nominiert

Interview

Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, mit Regisseurin Sonja Heiss ein Interview zu Wann wird es endlich so, wie es nie war zu führen und sprechen mit ihr über die Arbeit an der Romanadaption.

Sonja Heiss [Interview]

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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
fazit
„Wann wird es endlich…“ ist eine Komödie über die Verrücktheiten und Schönheiten des Lebens – manchmal wild, manchmal zärtlich und immer unberechenbar. Regisseurin Sonja Heiss lässt sich von der Romanvorlage faszinieren und geht doch einen originär filmischen Weg.
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