Viele Jahre ist Eva (Charlotte De Bruyne) schon nicht mehr in ihrer Heimat gewesen. Ihr Bedürfnis, diese wiederzusehen, hielt sich auch in Grenzen, war sie seinerzeit doch froh gewesen, alles hinter sich lassen zu können. Nun ist sie zurück, eine Gedenkveranstaltung hat sie dazu veranlasst. Das bedeutet für sie, sich wieder an damals zu erinnern, als sie noch ein Kind war. An ihre Familie, in der sie sich oft einsam und unverstanden fühlte. Vor allem ein Sommer ist ihr in Erinnerung geblieben, der alles für sie verändert hat. Damals verbrachte die junge Eva (Rosa Marchant) viel Zeit mit Laurens (Matthijs Meertens) und Tim (Anthony Vyt). Alles Mögliche unternahmen sie zusammen – bis alles ganz anders wurde …
Regiedebüt zu einem schwierigen Thema
Die Liste an Schauspielern und Schauspielerinnen, die sich noch eine Zweitkarriere auf dem Regiestuhl aufzubauen versuchen, wird ständig länger. Mal wollen diese etwas Neues ausprobieren, vielleicht mehr Verantwortung übernehmen. Andere reizt es, sich selbst Rollen zu geben, die sie sonst vielleicht nie bekommen könnten. Im Fall von Veerle Baetens kam der Impuls von außen. Eigentlich hatte die unter anderem aus The Broken Circle und The Team bekannte Belgierin gar nicht daran gedacht, dass sie einmal Regie führen könnte – oder auch wollte. Doch dann wurde ihr der Roman Und es schmilzt von Lize Spit in die Hand gedrückt, mit dem Vorschlag, sie solle ihn doch adaptieren. Zunächst war ihr der Gedanke fremd. Aber wie das so ist: Hat sich eine Idee erst mal in deinem Kopf festgesetzt, lässt sie dich nicht mehr los.
Anfang 2023 war die Umsetzung dieser Idee dann fertig, When It Melts feierte auf dem Sundance Film Festival Premiere. Die Reaktionen auf das Drama waren dabei gemischt. Während die Kritiken im Schnitt wohlwollend waren, auf Rotten Tomatoes hat der Film immerhin 76 Prozent, gab es gerade auch von namhafteren Filmseiten viel Kritik. Zum Teil hängt dies sicherlich mit dem Thema zusammen, welches Spit in ihrer Geschichte behandelt. Dass da etwas Schlimmes im Leben von Eva passiert sein muss, das wird früh klar. Baetens, die auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, braucht dafür nicht einmal sonderlich viele Worte. Es wird auch so spürbar, dass dies eine schwierige Fahrt nach Hause wird. Was genau aber damals passiert ist, das ist zunächst ein Rätsel.
Licht und Schatten
Erst nach und nach wird das enthüllt. Zu dem Zweck wechselt der Film immer mal wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit. Während die erwachsene Eva zur Feier fährt und den Leuten von früher begegnet, spielen sich vor ihrem geistigen Auge die Szenen aus der Kindheit ab – und damit auch vor denen des Publikums. Das ist einer der Vorwürfe, die When It Melts gemacht werden: Aus dem offensichtlich traumatischen Ereignis wird ein Rätsel gemacht, welches die Zuschauer und Zuschauerinnen neugierig machen soll. Anstatt sich damit zu beschäftigen, was die Erfahrungen aus Eva gemacht haben, wird der Alptraum zu einem Mittel der Spannungserzeugung. Das passt einerseits zu dem Inhalt der Geschichte. So spielt ein auf Partys immer wieder beliebtes Rätsel rund um einen Selbstmord eine größere Rolle. Aber der Film muss sich schon die Frage gefallen lassen, ob es diese Erzählstruktur wirklich gebraucht hätte.
Dabei hat When It Melts auch außerhalb dieser Wendung einiges zu bieten. Tatsächlich sind die stärksten Szenen die, wenn einfach nur der Alltag der jungen Eva gezeigt wird – auch wegen der starken Leistung von Nachwuchsschauspielerin Rosa Marchant. Wenn sie sie mit ihrer Familie sehen, mit den Freunden. Ein schüchternes Mädchen, das einen Platz für sich in der Welt sucht und flüchtige Momente des Glücks findet. An manchen Stellen kommt dabei eine fast schon nostalgische Stimmung auf, wie das so ist, wenn sich jemand an sonnendurchflutete Kindheitssommer erinnert. Wäre da nur nicht die Ahnung, dass auf diese Sonne bald ein Schatten folgt, der alles bedecken wird. Das Ergebnis ist nicht einfach zu ertragen, zeigt auf, wie grausam und unbedacht Menschen sein können. Aber es ist doch ein sehenswertes Debüt von Baetens geworden, das man nicht so leicht wieder vergisst. Selbst wenn man es möchte.
OT: „Het smelt“
Land: Belgien, Niederlande
Jahr: 2023
Regie: Veerle Baetens
Drehbuch: Veerle Baetens, Maarten Loix
Vorlage: Lize Spit
Musik: Bjorn Eriksson
Kamera: Frederic Van Zandycke
Besetzung: Rosa Marchant, Charlotte De Bruyne, Amber Metdepenningen, Matthijs Meertens, Anthony Vyt
Sundance Film Festival 2023
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