Victor (Shaïn Boumedine) war gerade beim Joggen, als er die schreckliche Nachricht erhält: In einem lokalen Atomkraftwerk kam es zu einem Zwischenfall. Richtig viel bekannt ist nicht darüber, doch die Leute ergreifen panisch die Flucht. Auch Victor und seine schwangere Freundin Charlotte (Alexia Chardard) würden gern so schnell es geht abhauen. Doch ohne Erfolg, die beiden und die mit ihnen befreundeten Djamila (Carmen Kassovitz), Louis (Théo Augier Bonaventure), Cédric (Constantin Vidal) und Tiffany (Manon Valentin) stecken unterwegs aufgrund einer Autopanne fest. Und so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich erst einmal in einem Haus zu verschanzen, dessen Besitzer bereits geflohen sind, und dort auf Rettung zu warten …
Die Angst vorm nuklearen Unglück
Man kann sich darüber streiten, ob die Veröffentlichung von Atomic Summer gerade sehr passend oder unpassend ist. Auf jeden Fall ist es bemerkenswert, dass in einer Zeit, in der die Menschen wieder Angst vor einem Atomkrieg haben, ein Film auf den Markt kommt, in dem ein nuklearer Störfall im Mittelpunkt steht. Da darf man sich schon die Frage stellen, ob nicht gezielt reale Ängste ausgenutzt werden sollen. Wobei die atomare Bedrohung hier nicht die Folge megalomanischer Despoten ist, die unbedingt meinen, andere Länder überfallen zu müssen. Hier gibt es allgemein keine großen Gegenspieler. Stattdessen erzählt der französische Film von einem Ernstfall, der ganz plötzlich auftritt und in der Tradition realer Atomunglücke steht, die sich zugetragen haben. Das macht die Sache aber nicht weniger erschreckend.
Dabei sollte man trotz einer vergleichbaren Thematik keinen Film à la Das China-Syndrom oder Fukushima erwarten. Anstatt aus der Mitte des Sturms zu erzählen und Leute zu zeigen, die hektisch das Unglück unter Kontrolle zu bringen versuchen, stehen in Atomic Summer Unbeteiligte im Mittelpunkt. Regierungsvertreter sind hier praktisch keine zu sehen. Stattdessen folgen wir ein paar jungen Menschen, die in der Katastrophe gefangen und auf sich allein gestellt sind. Komplett von der Außenwelt abgeschlossen sind sie nicht. Aber es stellt sich doch ein schön unheimliches Gefühl von Isolation ein, wenn die Clique irgendwie einen Weg finden muss, sich in der plötzlichen Einöde zurechtzufinden. Drumherum sind kaum noch Leute. Wer konnte, ist längst aus der Gegend verschwunden.
Ruhig erzählte Ausnahmesituation
Es handelt sich bei dem Film dabei weniger um einen nervenaufreibenden Survivalthriller, auch wenn das reißerisch gestaltete Cover dies vermuten lässt. Stattdessen ist das hier sehr ruhig gestaltet. Über weite Strecken ist Atomic Summer in erster Linie ein Drama um sechs Leute, die sich in einer Ausnahmesituation befinden. Das wird sicher nicht allen gefallen. So manche werden sich daran stören, dass aufgrund des Szenarios relativ wenig geschieht. Werden sich langweilen bei einem Film, der sich stärker auf die Figuren verlässt und die Gruppendynamik. Hinzu kommt, dass an einigen Stellen das Drama etwas übertrieben wurde und man irgendwelche Konflikte einbaut, die es so gar nicht gebraucht hätte. Da hätten sich Regisseur Gaël Lépingle und sein Drehbuchteam doch stärker auf die Situation als solche verlassen dürfen.
Wer sich aber darauf einlassen kann, dass das hier eben kein Endzeitschocker ist, bei dem alle paar Minuten ums Überleben gekämpft wird, sollte durchaus mal einen Blick riskieren. Atmosphärisch ist Atomic Summer geglückt, da sind immer mal wieder gespenstische Momente dabei. Auch schauspielerisch passt das hier durchaus: Lépingle arbeitet mit einem wenig erfahrenen Ensemble, was in dem Fall aber nicht sonderlich stört. Man nimmt es den jungen Menschen ab, dass sie in einer sehr beunruhigenden Situation gelandet sind, in der niemand wirklich etwas weiß und eine sehr angespannte Stimmung herrscht. Gesehen haben muss man das nicht unbedingt, weder in der aktuellen Lage noch allgemein. Aber für sich genommen ist das doch ein recht solider Vertreter des Katastrophenfilms – gerade weil er sich nicht auf die übliche Hektik einlässt.
OT: „L’été nucléaire“
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Gaël Lépingle
Drehbuch: Gaël Lépingle, Pierre Chosson, Agnès Feuvre
Musik: Thibaut Vuillermet
Kamera: Simon Beaufils
Besetzung: Shaïn Boumedine, Alexia Chardard, Carmen Kassovitz, Manon Valentin, Théo Augier Bonaventure, Constantin Vidal
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