Boston in den 1960ern: Loretta McLaughlin (Keira Knightley) ist mit ganzem Herzen Journalistin. Zumindest wäre sie das gern, doch ihr Chefredakteur Jack Maclaine (Chris Cooper) sieht sie nach wie vor lediglich im Lifestyle-Segment, wo sie tagein tagaus auf ihre Chance wartet, sich beweisen zu dürfen. Diese Chance sieht sie gekommen, als die Stadt von mehreren Frauenmorden erschüttert wird und sie darin ein Muster erkennt. Und so drängt sie darauf, den Fall übernehmen zu dürfen, obwohl sich nicht einmal die Polizei dafür interessiert. Am Ende stimmt Maclaine zu, besteht aber darauf, McLaughlin die erfahrene Reporterin Jean Cole (Carrie Coon) an die Seite zu stellen. Gemeinsam machen sie sich an die Arbeit – sehr zum Leidwesen von Detective Conley (Alessandro Nivola), dessen Arbeit durch die zwei Journalistinnen nicht eben einfacher wird …
Die wahre Geschichte eines Serienmörders
True Crime und kein Ende. Ob nun im Kino, im Fernsehen oder bei den Streamingdiensten, es gibt kein Entkommen mehr. Ständig wird das Publikum an irgendwelche vergangenen Verbrechen erinnert. Auf Disney+ ist die Auswahl bislang noch eher bescheiden, dort zieht man die Arbeit an bewährten Franchises vor. Doch hin und wieder will wohl auch die Maus von dem fetten Kuchen etwas abbekommen. So startete vor ein paar Wochen die Serie Mord im Auftrag Gottes, bei der ein grausiger Mord unter Mormonen stattfindet. Nun folgt mit Boston Strangler eine echte Berühmtheit: Zugrunde liegt bei dem Spielfilm eine Mordserie, die in den 1960ern in der US-amerikanischen Großstadt stattfand, 13 Frauen wurden zwischen 1962 und 1964 getötet.
Regisseur und Drehbuchautor Matt Ruskin, der selbst in Boston aufgewachsen ist, kannte diese Geschichte oberflächlich, bevor er sich entschloss, mehr darüber zu erfahren (mehr in unserem Exklusiv-Interview). Dabei ist es aber weniger die Mordserie an sich, die den Filmemacher interessierte. Vielmehr nutzt er Boston Strangler, um die Arbeit der zwei Journalistinnen zu würdigen, die einen erheblichen Anteil daran hatten, dass es überhaupt zu einer Aufklärung kam. So nahm die Polizei die Morde zwar zur Kenntnis, investierte aber nicht zu viel Arbeit in die Ermittlungen, erkannte nicht einmal, dass die einzelnen Morde zusammenhängen. Und auch später bekleckerte sie sich nicht unbedingt mit Ruhm, da sind immer wieder Szenen dabei, bei denen man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte.
Nüchternes Zeitporträt
Dabei geht es aber nicht um eine reine Kritik der Behörden verbunden mit einer einseitigen Lobpreisung der Journalistinnen. Boston Strangler ist eben auch ein Zeitporträt, welches aufzeigt, in welchem Kontext das alles stattfand. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Mittel der Polizei damals deutlich rudimentärer waren. Die Funktion der Medien war eine andere. Und natürlich spielen auch Geschlechterbilder ein große Rolle. Tatsächlich betont Ruskin, dass der Kampf der zwei Frauen um die Wahrheit auch ein Kampf gegen Sexismus war. Sie wurden einfach nicht ernstgenommen. Der Film dient damit auch als Inspiration, sich nicht unterdrücken zu lassen und für das zu kämpfen, woran man glaubt. Gleichzeitig wird aber auch klar, was dies bedeuten kann. Ihr großer Einsatz ging mit Kompromissen einher sowie einer großen Belastung für das Privatleben. Auf diese Weise wird zumindest implizit gefragt: Ist es das alles wert?
Boston Strangler richtet sich damit nur zum Teil an ein typisches Publikum von True-Crime-Produktionen. Der Film mag zwar auch von einem berühmten Serienmörder berichten, ist aber kaum mit Dahmer – Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer und Konsorten zu vergleichen, bei denen die Faszination für das Böse ein wichtiger Bestandteil ist. Ruskins Zugang ist nüchterner und spröder, weniger auf Nervenkitzel ausgerichtet. Wobei der Film durchaus auch spannend ist. Zum einen ist da der große Druck, den Mörder zu schnappen, bevor er wieder zuschlägt. Zum anderen kommt es im Laufe der Geschichte zu diversen erstaunlichen Wendungen, die alles noch einmal im anderen Licht erscheinen lassen. Tatsächlich sind auch rund sechs Jahrzehnte später nicht alle Fragen beantwortet, weshalb auch Zuschauer und Zuschauerinnen auf ihre Kosten kommen, die gern selbst spekulieren.
OT: „Boston Strangler“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Matt Ruskin
Drehbuch: Matt Ruskin
Musik: Paul Leonard-Morgan
Kamera: Ben Kutchins
Besetzung: Keira Knightley, Carrie Coon, Alessandro Nivola, Chris Cooper, David Dastmalchian, Morgan Spector
Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir durften ein Interview mit Regisseur und Drehbuchautor Matt Ruskin führen und haben ihm eine Reihe von Fragen zu Boston Strangler gestellt.
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