Der junge Non (Anong Houngheuangsy) lebt in einer großen Stadt irgendwo in Taiwan. Er arbeitet als Marktverkäufer in der Nähe sowie als Masseur, der Hausbesuche macht. Seine Tage verlaufen meist nach dem gleichen Schema, das mit einem morgendlichen Gebet in einem nahen Schrein beginnt und mit dem Abendessen in seiner kleinen Wohnung endet. Hierbei lässt er sich meist sehr viel Zeit bei der Zubereitung.
Seit vielen Jahren schon lebt Kang (Lee Kang-sheng) in einem großen Haus auf dem Lande. Eigentlich ist es viel zu groß für ihn, sodass er sich meist sehr langweilt. Nun aber, da ihn seltsame Schmerzen im Rücken und im Nacken plagen, kommt er in die Stadt, wo er sich Heilung verspricht. Nach einem Besuch beim Arzt sowie einer Akupunktur, die ihm kaum Linderung verschaffte, trifft er auf Non, der ihm in seinem Hotelzimmer eine Ganzkörpermassage verabreicht. Danach trennen sich die Wege der beiden Männer wieder, jedoch hat die Begegnung einen tiefen Eindruck bei beiden hinterlassen.
Rückkehr nach langer Pause
Nach Stray Dogs (2013) erklärte der taiwanesische Regisseur Tsai Ming-liang (The Night) seinen Rückzug aus der Filmindustrie, weil er sich anderen Themen und künstlerischen Ausdrucksformen widmen wollte. In Kurzfilmen wie Walker (2012), die eher wie Teile einer Installation anmuten, behandelte er deswegen den Lebensraum Stadt, wie er Heimat und Quelle von Einsamkeit und Verlorenheit sein kann. Mit Days, der auf der Berlinale 2020 im Programm lief, kehrte er zum Spielfilm zurück, wobei er in diesem Falle die Themen und Formen der Kurzfilme mit denen seiner bisherigen Karriere vermischt.
Die Stadt und die Menschen, die in ihr wohnen, waren schon immer Kernthema Tsai Ming-liangs. Dabei geht es nicht nur um die verschiedenen Aspekte dieses Lebensraumes, sondern zugleich um den Aspekt der Zeit bzw. wie sich Veränderungen im urbanen Raum bemerkbar machen und man als Bewohner bisweilen blind für diese ist. In Days begegnen sich zwei Figuren, die von ihrer Herkunft zwar verschieden anmuten, aber im Grunde nach denselben Dingen streben und deswegen fast schon zwangsmäßig aneinander anziehen. Die Stadt begegnet ihnen in all ihren Facetten – der Geselligkeit, dem Lärm und ihren Lichtern – doch während der einen wie ein erfahrener Wanderer durch sie streift, erscheint dem Zuschauer insbesondere Kang wie ein Verlorener, dessen Leiden immer intensiver zu werden scheint, desto mehr Schritte er auf dem Fußgängerweg zurücklegt. Ästhetisch findet dies seine Entsprechung in langen Einstellungen, in denen teils nur sehr wenig passiert, man aber als Zuschauer auf die feinen Nuancen der Figuren achtet – den Schmerz Kangs und die Sehnsucht Nons nach Gesellschaft.
Intimität und Einsamkeit
Die Langsamkeit, die prägend für das Kino Tsai Ming-liangs steht, wirkt antithetisch zu dem Treiben der Stadt. Begegnungen sind nur flüchtiger Natur oder, wie etwa Kangs Besuch beim Arzt, lediglich an einen Zweck gebunden. Der Landbewohner ist ein Fremdling und fühlt sich sichtlich unwohl in dieser Umgebung, während sich Non seinen eigenen kleinen Rückzugsort etabliert hat und in der Hingabe, die er beispielsweise für die Zubereitung seiner Speisen investiert, eine Zuflucht hat vor dem stetigen Treiben vor seiner Tür. In der zweiten Hälfte jedoch kommt es zu einem Umbruch, der auch formal aus dem Rest des Filmes hervorgehoben wird, denn das intime Treffen der beiden Männer ist von einer gewissen Wärme und Nähe, die auf beide Männern fast schon therapeutisch wirkt, bevor es dann wieder zurückgeht in das Treiben der Stadt um einen herum.
OT: „Rizi“
Land: Taiwan
Jahr: 2020
Regie: Ming-liang Tsai
Drehbuch: Ming-liang Tsai
Kamera: Jhong Yuan Chang
Besetzung: Kang-sheng Lee, Anong Houngheuangsy
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