Bei Familie Lachaunaye wird großer Wert auf Traditionen gelegt. Eine davon besagt, dass sie unter keinen Umständen arbeiten wollen, das ist unter ihrer Würde. Bislang gelang das der gutbürgerlichen Familie auch ziemlich gut, seit vier Generationen hat niemand mehr einen Finger krumm gemacht. Doch inzwischen ist das Familienvermögen so sehr zusammengeschmolzen, dass sie alles Mögliche verkaufen müssen – oder auch verbrennen, damit sie nicht ganz so sehr frieren. Als Georges Lachaunaye (Bourvil) eines Tages in die Kirche geht, um dort göttlichen Rat zu erbitten, lässt der nicht lange auf sich warten. Zumindest hält er das Klimpern, als eine Dame Geld in einen Opferstock wirft, für eine Aufforderung, in Zukunft eben solche Opferstöcke zu plündern. Dabei zeigt er viel Geschick und Einfallsreichtum – und keinerlei Reue …
Vermögen ohne Arbeit
Dass die Welt nicht gerecht ist, dürfte den meisten klar sein. Das zeigt sich gerade in der Arbeitswelt, wenn sich viele zu Tode schuften und dabei kaum über die Runden kommen, während einige wenige dabei immer reicher werden. Da werden ohne jede Scham Menschen ausgenutzt, damit man selbst in Saus und Braus leben kann. Gerade die letzten Krisenjahre haben noch einmal verdeutlicht, wie kaputt da vieles ist. Neu ist das Phänomen jedoch kaum, solche enormen Diskrepanzen gab es schon immer, ebenso damit verbundene Lebenseinstellungen. Ein amüsantes Beispiel dafür, wie sich jemand mit diesem Thema auseinandersetzt, ist Den Seinen gibt’s der Herr. Denn bei der französischen Komödie wurde schon vor 60 Jahren eine Familie an den Pranger gestellt, für die es Teil des Selbstverständnisses ist, von der Arbeit und dem Geld anderer zu leben.
Der Unterschied: Während solche High-Class-Schmarotzer sonst meist ein Leben im Luxus führen, da sind die Lachaunaye völlig verarmt. Ihr stattliches Anwesen ist zerfallen, die meisten Möbel wurden entfernt. Es reicht nicht einmal mehr fürs Essen. Doch Arbeiten, das kommt nicht in Frage. Die Ironie in Den Seinen gibt’s der Herr liegt darin, dass die Familie durchaus arbeitet, als sie beginnt, die Opferstöcke in ganz Paris zu plündern. Sie investieren viel Zeit und Mühe, teilweise auch Geld, nur um anderen ihr Geld klauen zu können. Würden sie diese Energie in eine reguläre Tätigkeit stecken, all ihre Probleme würden sich in Luft auflösen. Sie könnten dadurch zudem etwas Produktives leisten, die Welt zu einem besseren Ort machen, anstatt diese nur zu plündern. Das lässt der Stolz aber nicht zu. Und so arbeiten sie eben, ohne es Arbeit nennen zu wollen.
Weltfremde Gauner
Komisch ist in dem Zusammenhang aber auch, dass der Familie jegliches Unrechtsbewusstsein fehlt. So sieht es Georges als sein von Gott gegebenes Recht an, dieses Geld an sich zu nehmen, und ist völlig empört, als er als Dieb bezeichnet wird. Denn auch das passt nicht in seine Weltsicht. Der in seiner Heimat Frankreich sehr beliebte Hauptdarsteller Bourvil (Vier im roten Kreis, Einer bleibt auf der Strecke) spielt den Protagonisten als jemand, der auf ganz eigene Weise fernab der Realität zu leben scheint. Da kommen Gerissenheit und Naivität zusammen. Wir begegnen einem Mann , bei dem man viel zu verblüfft ist angesichts dieser Unverfrorenheit, um sich darüber aufregen zu können. Wobei Den Seinen gibt’s der Herr natürlich auch keine wirklichen Schurken zeigen wollte, obwohl es sich bei den Lachaunayes eindeutig um Parasiten handelt.
Diese Diskrepanz zwischen der Weltsicht und der Realität ist eines der Elemente, mit denen einen die Adaption eines Romans von Michel Servin zum Lachen bringt. Regisseur und Drehbuchautor Jean-Pierre Mocky hat aber auch Handfesteres zu bieten. So ist es beispielsweise ziemlich lustig, wenn sich die diebische Familie und die Polizei später einen Wettstreit liefern und es dabei zu einer Reihe von Verwechslungen kommt. Die hohe Kunst der komödiantischen Unterhaltung mag das vielleicht nicht sein. Den Seinen gibt’s der Herr ist aber ein charmanter Film, mehr albern als wirklich bissig, der auch sechs Jahrzehnte später noch immer sehr gut funktioniert. Denn auch wenn sich seither einiges geändert haben mag, da ist doch viel Zeitloses dran.
OT: „Un drôle de paroissien“
Land: Frankreich
Jahr: 1963
Regie: Jean-Pierre Mocky
Drehbuch: Jean-Pierre Mocky, Michel Servin, Alain Moury
Vorlage: Michel Servin
Musik: Joseph Kosma
Kamera: Léonce-Henri Burel
Besetzung: Bourvil, Jean Poiret, Francis Blanche, Jean Tissier, Véronique Nordey
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