Irgendwie war die Stimmung im Team von Investmentbankerin Linda Bachmann (Lavinia Wilson) auch schon mal besser. So sind die Geschäftszahlen bescheiden. Vor allem aber bedrückt die Leute, dass offensichtlich demnächst ein Compliance-Arbeiter ein bisschen genauer auf alles schauen wird, um nach Regelübertretungen und Unregelmäßigkeiten zu suchen. Und das kann niemand im Moment gebrauchen. Also geht es erst einmal nach Schottland, wo sie im Rahmen einer Teambuilding-Maßnahme auf besseres Klima hoffen. Ein Wochenende auf dem Landsitz von Lord Hamish (Philip Jackson) und Lady Fiona (Victoria Carling) soll dabei helfen, auf andere Gedanken zu kommen. So ganz will das bei den Mitarbeitern Andreas (Tom Schilling), Bernhard (Serkan Kaya), David (David Kross) und Jim (Jürgen Vogel) aber nicht klappen. Denn ständig ist da irgendetwas los. Und dann wären da auch noch die junge Seminarleiterin Rebecca (Svenja Jung) und die Köchin Helen (Annette Frier), die irgendetwas im Schilde führen …
Spiel mit den Erwartungen
Ein abgelegenes Landhaus ist in Filmen immer wieder ein gern genutztes Setting. So ist dieses für jede Geschichte geeignet, bei der irgendetwas Unheimliches oder Mysteriöses vor sich geht. Sowohl Haunted-House-Horrorwerke wie Bis das Blut gefriert oder diverse Krimis von Agatha Christie greifen auf einen solchen Schauplatz zurück, um beim Publikum Spannung zu erzeugen. Wenn es in Der Pfau das Team einer Investmentbank dorthin verschlägt, weckt das daher unweigerlich Erwartungen. Dessen ist man sich bei dem Film auch sehr bewusst. So gibt es immer mal wieder Anspielungen auf das Krimigenre oder auch den Brettspielklassiker Cluedo, der bereits bei Alle Mörder sind schon da als Vorlage diente. Doch nur weil man sich der Erwartungen bewusst ist, heißt das nicht zwangsläufig, dass diese auch erfüllt werden müssen.
Genauer macht sich Autorin Isabel Bogdan, auf deren gleichnamigen Roman Der Pfau basiert, einen Spaß daraus, mit diesen Erwartungen zu spielen. So wartet man hier die ganze Zeit auf den großen Knall. Auf eine Eskalation, die bei einem solchen Szenario naheliegend gewesen wäre. Doch wie die Köchin Helen an einer Stelle selbst sagt, geschieht da eigentlich gar nichts. Die ganzen Probleme, die sich hier im Laufe eines Wochenendes ergeben, entstehen nicht, weil da ein zwingender Grund für diese wäre. Stattdessen machen sie sich alle selbst und gegenseitig völlig grundlos die Tage kaputt, die eigentlich zum Entspannen gedacht waren. Was als Teambuilding gedacht war, führt zu zahlreichen Reibungen, die letztendlich alle für die Katz sind. Oder auch das Federvieh.
Skurril und spöttisch
Das wird mit Sicherheit nicht allen gefallen. Zwar kommt es hier schon zu der einen oder anderen Zuspitzung, die nicht zuletzt der Paranoia der Beteiligten zu verdanken ist. Doch das Ergebnis ist harmlos, ist mehr auf Skurrilität als auf Spannung angelegt. Wobei auch für Spott noch Platz ist. So macht sich Der Pfau schon ganz gern über die diversen Investmentbanker lustig, die mit irgendwelchen Floskeln um sich werfen, die nach wahnsinnig viel klingen, letztendlich aber leere Hülsen sind. Das ist gut gespielt, gerade von Tom Schilling, der als selbstverliebter Überflieger auch mal eine schön arrogante Seite an sich zeigen darf. Überhaupt lebt der Film sehr von dem sehr gut aufgelegten und toll besetzten Ensemble, welches keine Hemmungen hat, die diversen Stereotype bis auf die Spitze zu bringen.
Zusammen mit dem stimmungsvollen Setting kommt da einiges zusammen, was den Film zu einer charmanten Komödie macht. Diese ist auch angenehm, gerade im Vergleich zu diversen anderen deutschen Komödien, die sich etwas verzweifelt dem Publikum an den Hals werfen. Nur heißt das auch, dass man hier vielleicht nicht die großen Lacher erwarten sollte. Hier ist amüsiertes Schmunzeln angesagt, sofern man sich an dem Humor erfreuen kann. Wer die Idee einer leicht verschrobenen Klassenfahrt für Möchtegern-Erwachsene etwas abgewinnen kann, sollte einmal mit der Romanadaption liebäugeln. Nur: So bemerkenswert es ist, dass sich Der Pfau so zurückhaltend gibt und das konsequent durchzieht, dann und wann würde man sich vielleicht doch etwas mehr wünschen.
OT: „Der Pfau“
Land: Deutschland, Belgien
Jahr: 2023
Regie: Lutz Heineking Jr.
Drehbuch: Sönke Andresen, Christoph Mathieu, Lutz Heineking Jr.
Vorlage: Isabel Bogdan
Musik: Kyrre Kvam
Kamera: Matthias Schellenberg, Philipp Pfeiffer
Besetzung: Lavinia Wilson, Serkan Kaya, Tom Schilling, David Kross, Jürgen Vogel, Svenja Jung, Annette Frier, Philip Jackson, Victoria Carling
Wer mehr über den Film erfahren möchte: Wir haben uns mit Svenja Jung unterhalten, die in Der Pfau die Rolle der Seminarleiterin spielt. Im Interview sprechen wir über Team Building, Compliance und Intimität am Set.
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)