Die Kundin
© Camilo Berstecher Barrero

Die Kundin

„Die Kundin“ // Deutschland-Start: 8. März 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die letzten Jahre haben es gezeigt: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sehr empfindlich darauf reagiert, wenn es sein Verhalten irgendwie anpassen soll. Vor allem, wenn dies mit Arbeit oder Verzicht verbunden ist. Ob es nun die Corona-Maßnahmen waren oder auch die Zumutungen, die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg stehen, es finden sich immer zahlreiche Menschen, die das erst einmal partout nicht einsehen wollen. Ganz weit oben auf der Hitliste der strittigsten Themen ist die Frage, ob wir in unserer Alltagssprache mehr darauf achten sollten, auch Frauen zu berücksichtigen. Ist notwendig, sagen die einen. Geht gar nicht, sagen die anderen. Für einen sehr lauten Teil der Bevölkerung ist Gendern das Symbol für alles, was mit der Welt nicht stimmt. Vor allem im Internet wird gehetzt ohne Ende, wie sich auch an einer Stelle von Die Kundin zeigt, wenn Kommentare über Marlies Krämer vorgelesen werden.

Jahrzehntelanger Kampf für die Sprache

Die ist auf den ersten Blick eigentlich recht unauffällig. Eine nette alte Oma mit weißgrauem Haar, bei der man sich gut vorstellen kann, wie sie Apfelkuchen für ihre Enkel backt. Doch in den Gesprächen zeigt sich jemand, der noch ganz andere Anliegen in ihrem Leben hat. Seit Jahrzehnten setzt sie sich dafür ein, dass sie von Behörden oder auch der Bank als das wahrgenommen wird, was sie ist: eine Frau. Das sollte eigentlich recht naheliegend sein, ist es in der deutschen Sprache aber nicht. Unter dem Verweis, dass es seit 2000 Jahren so üblich ist, wird in vielen Dokumenten nur die männliche Form genommen. Da gibt es Inhaber und Kunden, aber eben keine Inhaberinnen und Kundinnen. Und eben die korrekte Ansprache ist ihr ein wichtiges Anliegen, bis zu den obersten Gerichten ist sie dafür gezogen und legt sich mit allen an. Darunter auch Rapper Bushido, der wenig überraschend diese Form der Gleichberechtigung nicht sehr wichtig findet.

Eben dieses Streitgespräch war es, das Camilo Berstecher Barrero dazu inspiriert hat, einen Film über Krämer zu drehen. Sein Abschlussfilm, der zuvor auch schon beim DOK.fest München 2021 lief und pünktlich zum Weltfrauentag einen kleinen Kinostart wagt, ist der älteren Dame gewidmet, die auch jenseits der 80 nicht klein beigeben mag. Tatsächlich ist Die Kundin nicht allein ein Film über gendergerechte Sprache. Viele Stellen haben damit gar nichts zu tun, sondern beleuchten das Leben der Feministin. So dürfen wir unter anderem mehr über ihre Ehe erfahren, welche nicht direkt sprachrelevant war, aber sie doch in ihren Überzeugungen geprägt hat. Schließlich war ihr Mann fest im Patriarchat verwurzelt, weswegen es nach ihren Angaben schon hin und wieder mal gerumst hat.

Keine Grundsatzdebatte

Der Dokumentarfilm kombiniert solche persönlichen Anekdoten mit ihrem bekannteren Kampf für Sprachgerechtigkeit. Letzterer bringt keine wirklich neuen Erkenntnisse mit sich, zumindest für ein Publikum, das dem Thema offen gegenübersteht. Was Die Kundin dabei nicht leisten kann oder will, ist eine Grundsatzdebatte dazu zu starten. So gibt es außer Krämer und ihrem Sohn praktisch niemanden, der etwas zur Diskussion beizutragen hat. Die Gegenseite wird auf plump-beleidigende Kommentare und den besagten Auftritt von Bushido reduziert. Die Frage, ob die deutsche Sprache dem Anliegen der Gleichberechtigung überhaupt gerecht werden kann, wird erst gar nicht gestellt. Von den Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen, ganz zu schweigen. Letztendlich geht es hier dann doch „nur“ darum, dass Krämer Inhaberin und Kundin genannt werden möchte.

Bewegen wird der Film auf diese Weise vermutlich nicht viel, da ist nicht genug, um die Fronten aufzubrechen. Wenn man aber gar nicht diesen Anspruch hat, sondern einfach etwas über die Protagonistin erfahren möchte, dann ist Die Kundin durchaus sehenswert. Krämer ist eine charismatische Gesprächspartnerin, freundlich und doch bissig. Und zu erzählen hat sie einiges aus ihrem langen Leben. Allein dafür lohnt es sich schon, hier einmal reinzuschauen. Das Thema selbst ist ohnehin wichtig genug, um auch außerhalb des Weltfrauentages bedacht zu werden.

Credits

OT: „Die Kundin“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Camilo Berstecher Barrero
Musik: Ender Vielma, Juan Camilo Velásquez Bueno
Kamera: Camilo Berstecher Barrero, Maritza Cruz Mendonca

Bilder

Trailer

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Die Kundin
fazit
„Die Kundin“ lässt die Aktivistin Marlies Krämer zu Wort kommen, die sich seit Jahrzehnten für eine gendergerechte Sprache einsetzt. Der Dokumentarfilm kombiniert dabei persönliche Passagen wie auch solche, die dem Kampf gewidmet sind. Das bringt zwar keine neuen Erkenntnisse mit sich, ist aber für die charismatische Protagonistin durchaus sehenswert.
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