Eigentlich kennt sich Fabian Anders (Moritz Treuenfels) sehr gut damit aus, kriselnden Paaren einen möglichen Weg aufzuzeigen. Nur bei ihm selbst will das irgendwie nicht funktionieren. Seine Ehe mit Paula (Bettina Burchard) kommt einfach nicht aus dem Tief. Das hängt auch damit zusammen, dass sie beide arbeiten wollen und dadurch mit Haushalt und den Kindern Mathilda (Heidi Tebroke) und Louis (Marian Dilger) völlig überfordert sind. Da auch die Familie keine Hilfe ist, suchen die zwei nach einer Leihoma oder einem Leihopa, die kostenlos bei ihnen wohnen dürfen und dafür mitanpacken sollen. Die Resonanz auf die Anzeige ist groß, am Ende läuft es auf einen Wettstreit zwischen Moni Berner (Ramona Kunze-Libnow) und Ibrahim Yildiz (Vedat Erincin) hinaus. Und als wäre das nicht schon kompliziert genug, hat Paula beruflich viel mit dem attraktiven Alexej Kasabian (Tobias van Dieken) zu tun – was Fabian überhaupt nicht passt …
Nachschub fürs Herzkino
Auch wenn man die sonntägliche ZDF-Programmschiene Herzkino in erster Linie mit Endlosreihen wie Rosamunde Pilcher oder Inga Lindström in Verbindung bringt, so gab es in den letzten Jahren doch eine Reihe von Versuchen, auch einmal neue Geschichten zu erzählen. So starteten letzten Herbst mit Malibu und Unterm Apfelbaum gleich zwei komplett neue Reihen, bei denen jeweils etwas andersartige Wohnarrangements zum Schauplatz alltäglicher Nöte wurden. Und das gilt auch für Familie Anders, eine weitere Reihe, die mit einem Doppelschlag beginnt. So lernt das Publikum beim Auftakt Willkommen im Nest erst einmal die diversen Figuren kennen, die sich um die besagte Familie herum tummeln. Die Woche drauf gibt es mit Zwei sind einer zu viel bereits Nachschlag.
Der Einstieg macht dabei tatsächlich Lust auf mehr. So wird bei dem Film, im Gegensatz zu vielen anderen Herzkino-Produktionen, auf das große Drama verzichtet. An vielen Stellen ist Familie Anders: Willkommen im Nest sogar ausgesprochen heiter. Das liegt nicht zuletzt auch an den beiden exzentrischen Alten, die sich bei den Anders einnisten. Die eine ist eine unbekümmerte Weltenbummlerin, die alle mit weit aufgerissen Armen begrüßt – plus der einen oder anderen Leckerei. Der andere ist ein mürrischer ehemaliger Tischler, der eigentlich seine Ruhe will und nach einem neuen Sinn für sein Leben sucht, nachdem seine Frau gestorben ist. Größer könnte der Kontrast zwischen den beiden kaum sein. Der Film kostet das auch genüsslich aus, wenn es gerade zu Beginn kräftig zwischen ihnen kracht und klar wird: Nur eine der beiden Personen kann gewinnen. Das Potenzial eines tatsächlichen Wettstreits wird dabei jedoch kaum genutzt. Obwohl man hätte erwarten dürfen, dass sie versuchen, sich gegenseitig zu überbieten, passiert da relativ wenig.
Sympathisches aus dem kriselnden Alltag
Das liegt auch daran, dass dieser Handlungsstrang nur einer von dreien ist. Die beiden anderen befassen sich mit Eheproblemen. Unter denen haben nicht nur Tess (Gisa Flake) und Tom Scharper (Knud Riepen) zu leiden, die bei Fabian in Therapie sind. Der Therapeut selbst ist überfordert mit der Aufgabe, die eigene Ehe zu retten. Dass das nicht unbedingt werbetauglich für ihn ist, ist klar. Das sagt er auch selbst. Irgendwie ist es aber auch sympathisch, wie Familie Anders: Willkommen im Nest seine Figuren mit lauter Schwächen und Makeln ausstattet. Wo andere Filme am Sonntagabend oft in einer ganz eigenen Realität zu leben scheinen, gibt es hier doch genügend Anknüpfungspunkte für das Publikum. Klar, die eine oder andere Übertreibung ist trotz allem drin. Aber es kommt einem Alltag schon näher als diverse Herzkino-Schwesterproduktionen wie Frühling, die immer nur so tun, als würden sie sich für das normale Leben interessieren.
Tatsächlich neue Erkenntnisse braucht man sich hiervon jedoch nicht zu erhoffen. Viele der Themen und Szenen sind etwas beliebig. Wenn zum Beispiel Fabian sich an mehr Sport versucht, aus Angst, dass ihm Alexej den Rang abläuft, dann ist das Standardprogramm solcher Geschichten. Aber es ist doch ganz ansprechend gespielt. Und auch das originelle Arrangement mit den beiden Alten, die plötzlich überall mitmischen, helfen dabei, dass Familie Anders: Willkommen im Nest ein eigenes Flair bekommt. Insofern ist es zu begrüßen, wenn ZDF der Ankündigung folgen sollte, in Zukunft weniger Pilcher-Filme zu produzieren und stattdessen mehr in die Richtung wie hier gehen zu wollen. Ein Höhepunkt des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mag diese Familiengeschichte zwar nicht sein. Aber es ist eine nette Komödie, die eine gute Balance aus Unterhaltung und Nachdenklichkeit hält.
OT: „Familie Anders: Willkommen im Nest“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Sophie Averkamp
Drehbuch: Stephanie Dörner, Marita Nienstedt
Musik: Natalie Hausmann
Kamera: Theresa Maué
Besetzung: Moritz Treuenfels, Bettina Burchard, Gisa Flake, Knud Riepen, Ramona Kunze-Libnow, Vedat Erincin, Heidi Tebroke, Marian Dilger, Tobias van Dieken, Julia Jendroßek
Die sonntags auf dem ZDF ausgestrahlte Reihe Herzkino gehört zu den Dauerbrennern des Senders. Seit 1987 laufen, damals noch unter dem Titel Der große ZDF Sonntagsfilm, deutsche Dramen, die sich meistens mit Familien- und Liebesgeschichten befassen. Mehrere Hundert Titel wurden so im Laufe der letzten Jahrzehnte produziert. Unten findet ihr alle unsere bisherigen Rezensionen zu diesem Thema auf einen Blick.
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