Le Roi des Ombres

Viele Jahre ist es inzwischen her, dass Adama (Alassane Diong) sein Augenlicht verloren hat. Doch er hat sich damit abgefunden und auf Anraten seines Vaters seine Stärke in der vermeintlichen Schwäche gefunden. Diese braucht er auch, als der besagte Vater plötzlich stirbt und Adama sich wieder mit seinem älteren Halbbruder Ibrahim (Kaaris) auseinandersetzen muss. Der ist vor langer Zeit bereits auf die schiefe Bahn geraten. Der Tod des gemeinsamen Vaters verstärkt die lange schwelenden Konflikte noch weiter, war der doch das einzige Verbindende zwischen Ibrahim und dem Rest der Familie. Für Adama ist klar, dass er alles aufwarten muss, um seinen Halbbruder aufzuhalten und seine Familie vor der drohenden Katastrophe zu retten …

Zwei unterschiedliche Halbbrüder

Man muss nicht immer nachvollziehen, nach welchen Kriterien Netflix agiert. Das betrifft nicht nur die Produktion der Filme und Serien an sich, sondern auch, wie sprachlich mit diesen umgegangen ist. So erscheinen praktisch wöchentlich Titel, bei denen offensichtlich die kommerziellen Erwartungen so gering sind, dass sie nicht auf Deutsch synchronisiert werden. Bei Le Roi des Ombres ist der Fall anders herum. So wurde der französische Krimithriller durchaus synchronisiert, dafür hat man sich aus irgendwelchen Gründen aber dafür entschieden, den Titel nicht zu übersetzen, und nimmt offensichtlich in Kauf, dass ein Teil des potenziellen Publikums gar nicht erst reinschaut. Auch eine Möglichkeit, einen Neustart zu sabotieren.

Wobei man den Film so oder so nicht unbedingt gesehen haben muss, gleich welchen Titel er nun trägt. So ist die Ausgangssituation nicht gerade die spannendste. Geschichten um ungleiche Brüder, die sich in verschiedene Richtungen weiterentwickeln, gibt es mehr als genug. Tatsächlich erinnert Le Roi des Ombres an eine weitere französische Netflix-Produktion, das vor zweieinhalb Jahren veröffentlichte Banlieusards – Du hast die Wahl. Dort waren es sogar drei Brüder, die sehr divergierende Wege eingeschlagen haben. Während der eine sich für Gewalt und Kriminalität entschieden hat, sieht der andere seine Zukunft als Rechtsanwalt. Ganz so gegensätzlich wird es bei dem Film hier zwar nicht, das Prinzip ist aber ähnlich, die Geschichte damit zu weiten Strecken vorhersehbar.

Was macht die Hexe da?

Ungewöhnlich sind jedoch die Fantasy-Anleihen, die in dem Film immer mal wieder zu finden sind. Vor allem die Figur der Hexe, die möglicherweise Adama verflucht hat und damit für seine Erblindung verantwortlich ist, sticht ziemlich hervor. Es passt auch nicht wirklich zu dem Rest, bei dem man versucht hat, eine Art Milieuporträt zu erstellen. Wobei das aber noch einer der interessantesten Aspekte von Le Roi des Ombres ist. Zumindest hat Regisseur und Drehbuchautor Marc Fouchard, der vor einigen Jahren schon in dem Tanzfilm Break auf eigentümliche Weise unterschiedlichste Elemente zusammengeworfen hat, an der Stelle aber Eigensinn bewiesen. Schade ist, dass das nicht noch konsequenter betrieben wurde. So aber ist es lediglich ein Stolperstein, den man ebenso gut hätte weglassen können.

Insgesamt muss man den Film nicht unbedingt gesehen haben. Zwischendurch ist die Atmosphäre zwar schon dicht genug, um weiter am Ball zu bleiben. Auch das Spiel mit Licht und Schatten kann sich zuweilen sehen lassen, da wird Le Roi des Ombres doch noch seinem französischen Titel gerecht: „Der König der Schatten“. Wichtiger wäre es aber gewesen, eine spannende Geschichte zu erzählen. Und leider hapert es gerade daran, Fouchard hat einen nur mäßig fesselnden Thriller vorgelegt. Dafür ist dieser erstaunlich schnell vorbei, nicht einmal anderthalb Stunden ist zu einer Zeit, in der viele sich berufen fühlen, mindestens eine Stunde mehr draufzupacken, mal ganz angenehm. Ein ausreichender Grund, sich den Film anzuschauen, ist das aber ebenso wenig.