Paris in den 1950ern: Als die blutverschmierte Leiche einer jungen Frau (Clara Antoons) gefunden wird, steht die Polizei vor einem Rätsel. Wer könnte es auf sie abgesehen haben? Und wer ist diese Frau überhaupt? Kommissar Maigret (Gérard Depardieu) ist fest entschlossen, nicht nur die Hintergründe des Mordes zu klären, sondern auch mehr über die Tote zu erfahren. Seine Spurensuche führt ihn dabei unter anderem zur Schauspielerin Jeanine Arménieu (Mélanie Bernier) und dem Unternehmersohn Laurent Clermont-Valois (Pierre Moure), die gerade erst ihre Verlobung gefeiert haben. Dabei macht dem alternden Polizisten auch seine eigene Verfassung zu schaffen …
Rückkehr des Kult-Kommissars
Auch wenn er vielleicht nie einen vergleichbaren Ruhm wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot errang, so gehört Jules Maigret zweifelsfrei zu den Titanen des Krimigenres. Das liegt nicht nur an den 75 Romanen, die Georges Simenon zwischen 1931 und 1972 veröffentlicht hat. Auch die zahlreichen TV- und Kino-Adaptionen haben dazu beigetragen, dass der Kommissar mit der Pfeife das Genre geprägt hat. Dabei waren es erwartungsgemäß vor allem französische Schauspieler, welche die Figur unsterblich machten, darunter Pierre Renoir, Harry Baur (Um eines Mannes Kopf), Jean Gabin und Jean Richard. Hinzu kommen internationale Kollegen wie der Brite Rupert Davies und Deutschlands Strahlemann Heinz Rühmann. Auch in Italien, den Niederlanden und Japan gab es eigene Versionen von Maigret. Mehr als 30 Darsteller haben im Laufe der Jahrzehnte den einfühlsamen Polizisten gespielt.
Mit Gérard Depardieu darf sich nun ein weiterer Schauspieler an dieser Rolle versuchen. Der ist ein wenig älter, als es die Kollegen seinerzeit waren. Und schwerfälliger. Beides schadet aber nicht, Maigret zeigt einen Kommissar, der schwer an sich und dieser Welt zu tragen hat. Das passt zu einer Figur, die sich oft durch Empathie auszeichnete, weniger durch einen brillanten Verstand oder körperlichen Einsatz. Letzteren gibt es hier auch kaum. An einer Stelle gibt der Polizist zu verstehen, dass er wenig von Krimi-Filmen hält, von Verfolgungsjagden und ähnlichem. So als wollte Regisseur und Co-Autor Patrice Leconte dem Publikum von Anfang an deutlich machen, dass das bei ihm alles etwas ruhiger zugeht. Wenn sich Maigret über eine schmale Treppe nach oben wuchtet oder durch die einsamen Straßen von Paris schlendert, ist das bereits der Höhepunkt.
Mehr Atmosphäre als Handlung
Das wird mit Sicherheit vielen nicht gefallen. Leconte setzt massiv auf Atmosphäre und ignoriert dafür die Handlung, was dann unweigerlich Auswirkungen auf die Spannungskurve hat. So richtig packend wird Maigret nie. Der Film ist aber auch enttäuschend im Hinblick auf die Psychologie. So ist die Figur zwar dafür bekannt, dass sie sich gut in andere hineinversetzen kann. Der Fokus liegt dabei aber auf der Verstorbenen, der ein posthumes Denkmal errichtet wird. Die Frage, wer hinter dem Tod steckt, wird dabei zur Nebensache. Aufgeklärt wird das alles dann zwar am Ende. Der Film, der lose auf dem Roman Maigret und die junge Tote basiert, ist als Rätselkrimi jedoch ziemlich uninteressant und endet eher willkürlich.
Wenn die Adaption sehenswert ist, dann auch weniger wegen des Inhalts. Vielmehr ist es die besagte Atmosphäre und eben die Besetzung mit Depardieu, die als gutes Argument dienen. Die französische Schauspiellegende verleiht dem bekannten Kommissar eine starke Melancholie, die sehr gut zu dem Porträt einer Stadt passt, die zwischen Exzess und Einsamkeit schwankt. Maigret legt also durchaus die Grundlagen für eine interessante Neufassung des Klassikers. Sollte es aber weitere Filme geben, dann dürfen die gern auch etwas in die Geschichte und den Kriminalfall investieren. In der Form ist das zu wenig und bleibt letztendlich unter den Möglichkeiten.
OT: „Maigret et la jeune morte“
Land: Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Patrice Leconte
Drehbuch: Jérôme Tonnerre, Patrice Leconte
Vorlage: Georges Simenon
Musik: Bruno Coulais
Kamera: Yves Angelo
Besetzung: Gérard Depardieu, Jade Labeste, Mélanie Bernier, Aurore Clément, André Wilms, Hervé Pierre, Clara Antoons, Pierre Moure, Bertrand Poncet, Anne Loiret
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