In seinem Abenteuer-Thriller Gletschergrab (Kinostart: 9. März 2023) jagt Óskar Thór Axelsson seine Haupfiguren in die isländische Eiswüste, in der ein Flugzeugwrack der Nationalsozialisten aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt wurde. Darin befindet sich ein Geheimnis, um das sich eine Verschwörung rankt. Killer treten auf den Plan und verfolgen die Protagonistin und ihre Mitstreiter. Kann sie ihren Bruder retten und das Rätsel lösen?
Die Dreharbeiten im Eis waren bestimmt spannend. Wir haben dem isländischen Regisseur im Interview Fragen zu seinem neusten Werk gestellt.
Gletschergrab basiert ja auf einem Roman. Wie kam es dazu, dass Sie den Film machen wollten? Was hat Sie an der Idee besonders fasziniert?
Ich habe den Roman gelesen, als er damals herauskam. Das war ungefähr im Jahr 1999. Ich las den Roman und ich dachte sofort: „Das wäre ein großartiger Film.“ Das war noch bevor ich zur Filmschule gegangen bin, bevor ich meine Karriere gestartet habe und ein paar Werbespots gedreht habe. Ich habe dann den Publisher kontaktiert, um die Filmrechte anzufragen. Zu der Zeit waren die Rechte schon vergeben an einen gut ausgebildeten Produzenten. Er hatte die Rechte für ein paar Jahre. Seitdem war mir das Buch bekannt.
Als ich dann die Regie für den Film übernehmen sollte, dachte ich natürlich: Okay, jetzt kommt das Buch endlich zurück auf meinen Tisch und ich war sehr gespannt darauf. Ich habe immer gedacht, dass dies ein guter, einzigartiger Thriller ist. Auf der einen Seite ist es ein internationaler Thriller, aber er ist auch isländisch. Und er hat eine insulare Atmosphäre – isländische Landschaften und besondere Umgebungen. Das fand ich sehr interessant.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Einrichtung einer Nato-Basis. Eine US-Nato-Basis. Dieser Ort spielt eine große Rolle in der Geschichte. Aber die Basis wurde 2005 verlassen. Als ich das Skript überprüfte, war ich sehr neugierig. Spielt es in einer Zeit des Friedens? Findet er im Jahr 1999 statt oder in unserer Zeit? Und das ist es, was gemacht wurde. Und ich war sehr froh, es zu lesen, und ich hatte das Gefühl, dass es eine gute Arbeit war. Das war sozusagen meine größte Frage, als ich an Bord kam. Ich glaube, es ist sein zweites Buch, bevor er in Island ein Bestseller wurde. Seitdem ist er seit 20 Jahren der Topseller in Island.
Kannten Sie den Autor, bevor Sie anfingen, Filme zu machen?
Ich habe ihn nicht persönlich gekannt. Er war eigentlich ein Filmkritiker für die größte Zeitung Islands. Seit den frühen 80er Jahren war er ein Filmkritiker. Für mich als jemand, der Filme liebt, habe ich seine Kritiken gelesen und wenn er über Filme geschrieben hat. Dann hat er angefangen, Bücher zu publizieren. Bevor wir mit diesem Projekt begonnen haben, haben wir uns aber nie persönlich getroffen. Ich schätze, das erste, was ich dann tat, war, mich mit ihm zu treffen.
Ich wollte sehen, ob er mit der Art der Aufnahmen, die ich für den Film machen wollte, einverstanden war. Ich wollte sehen, ob er meine Herangehensweise und die Art, wie ich Filme mache, irgendwie akzeptiert. Das war sehr wichtig für mich. Aber es hat gut harmoniert. Wir hatten ähnliche Ideen im Kopf. Ich habe ihn dann immer auf dem Laufenden gehalten. Ich habe ihm Drehbücher geschickt, wenn wir etwas umschreiben wollten, dann kam er zum Set. In der Postproduktion schickte ihm Schnitte, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich dazu zu äußern. Es war gut, ihn dabei zu haben, denn sein Hintergrund ist, dass er ein Filmkritiker ist
Glauben Sie, dass er eine Kritik zu Gletschergrab schreiben wird?
Nein, damit hat er vor 20 Jahren aufgehört. Aber er war wirklich begeistert von dem Film. Aber es ist interessant. Wir waren auf der Premiere in Island und er hatte das fertige Produkt bis dahin noch nicht gesehen. Der Präsident von Island war auch da und wir saßen auf beiden Seiten des Präsidenten und nach dem Screening lehnte er sich etwas vor und sagte: „Ja, er mag es wirklich, das hat er mir gerade gesagt.“
Bei Filmen liebe ich immer Trivia-Wissen. Am Anfang gibt es zum Beispiel eine Szene, in der Kristin in eine Präsentation/Konferenz geht und ich dachte sofort, dass auf der Folie im Hintergrund ein Hinweis auf die Besetzung versteckt sein könnte. Gibt es solche Insider in Ihrem Film?
In meiner Arbeit gibt es immer eine Menge solcher kleinen Dinge. Ja, auf den Präsentationsfolien ist definitiv einer der Mitarbeiter zu sehen. Die Bank, in der sie arbeitet heißt „VAH-Capitol“. Man sieht es nicht so gut. Das sind die Initialen eines guten Freundes, den ich auf irgendeine Weise immer in meine Filme involviere. Ohne, dass er davon weiß. So kann er immer überrascht sein, auf welche Weise er in den Filmen vorkommt.
Es gibt einen Taxifahrer, den Wotans Charakter aufhält. Das ist ein alter Freund und er hat auch immer eine Rolle in meinen Filmen. Außerdem ist er ein guter Schauspieler. Aber es gibt auch noch andere Eastereggs, die mir jetzt gerade nicht alle einfallen.
Dann lassen wir ein paar Ihrer Filmgeheimnisse noch ungelöst. Das ist ja auch ganz spannend! Eine Szene, die ich nicht ganz verstanden habe. Der Bruder von Kristin wird gefoltert. Doch Kristin erfährt erst am Ende davon. Sonst hätte das vielleicht noch mehr Brisanz in ihr Handeln gebracht. Und es bringt die Antagonisten ihrem Ziel auch nicht näher. Gab es hier Überlegungen, vielleicht mehr zu drehen? Zum Beispiel eine Fluchtszene von Kristins Bruder?
Nur vor der Szene. Wir hatten überlegt, mehr zu drehen, bevor der Bruder gefangen wird. Hier ging es mehr darum, den Charakter Ratoff sadistisch darzustellen. Aber es stimmt. Die Szene bringt den Plot nicht direkt voran. Ich hatte überlegt, die Szene vielleicht zu kürzen, aber er hatte das starke Gefühl, dass man in dieser Art von Film immer diese Art von Moment braucht. Ratoff hat hier die Möglichkeit mit ihm zu „spielen“ mit ihren Bleistiften.
Waren die Bleistifte eine Referenz auf John Wick?
Nein, das nicht. Das wäre eine Frage für Martin, den Schriftsteller, aber ich glaube nicht, dass es eine Referenz ist. Aber um nochmal auf den Bruder Elias zu sprechen zu kommen. Wir hatten noch ein paar ausgeklügelte Sequenzen geplant, bevor er gefasst wurde. Aber wir mussten darauf verzichten, weil die Dreharbeiten auf dem Gletscher wirklich schwierig waren. Und diese Sequenz mussten wir vereinfachen, um den Film abschließen zu können.
Am Ende wird eine Fortsetzung angedeutet. Gibt es dahingehend schon Überlegungen und Pläne?
Das war auch meine erste Frage, als ich das Skript erhalten habe. Wir haben einige Ideen. Aber es sind noch keine Entscheidungen gefallen. Die Idee ist, dass wir uns mit Martin, dem Drehbuchautor, und dem Autor des Buches zusammensetzen und darüber sprechen. Es gibt einige Optionen aus dem Buch, die noch nicht verarbeitet wurden. Aber das ist auf jeden Fall etwas, an dem wir wirklich interessiert sind.
Gibt es Szenen, die Ihnen besonders gefallen haben?
Ich glaube, die Szene zwischen Einar und Carr ist eine meiner Lieblingsszenen. Diese Szene hat eine Einfachheit, die ich sehr mag. Manchmal sind die einfachen Dinge am Wirkungsvollsten. Ich mag auch die Szene, als sie die exzentrische Dame besuchen. Die Sequenz gefällt mir auch sehr gut. Wir hatten eine Menge Spaß beim Dreh der Szenen. Ich mag die Figuren Carr und Einar sehr. Wir haben diese Charaktere, die in den Film kommen und für eine Weile die Kontrolle übernehmen.
Gab es andererseits Szenen, wo Sie denken: Okay, ich würde das jetzt anders filmen?
Es gibt eine Szene vom ersten Drehtag. Es ist die Szene, in der Kristin zu ihrer Kollegin kommt und ihr das Telefon zeigt und sie den Computer benutzen. Ich denke, es ist diese Szene und die Szene in der Bar, als Kristin und Steven sich treffen. Für diese Szenen wäre es von Vorteil gewesen, sie später zu drehen. Am Anfang erforscht man die Charaktere noch irgendwie. Wenn ich die Gelegenheit hätte, diese Szenen noch einmal zu drehen, würde ich es ein wenig anders machen. Aber das ist keine große Sache. Ich denke, dass sie das übermitteln, was sie sollen, aber ich weiß, dass sie noch interessanter hätte sein können.
Gibt es eine Frage, von der sie immer gehofft haben, dass man sie Ihnen stellt?
Ich glaube nicht, dass es etwas Spezifisches für diesen Film ist. Ich denke, ich spreche oft darüber, wie wir die Charaktere mit den Darstellern erforschen und wie wir mit Musik und Sound und solchen Dingen arbeiten. Ich könnte ewig über diese Dinge reden. Aber es ist nichts Spezielles, denke ich.
Für mich sind das Casting und die Entscheidungen, wer die Rollen spielt, die größten Vergnügen beim Filmemachen. Und dann, wenn man anfängt, mit diesen Leuten zu sprechen. Man fängt an und dann geht man weiter und erkundet die Charaktere. Das ist sehr kreativ und der Part hat mir Spaß gemacht. Und dann habe ich es immer geliebt, wenn ich in der Tonmischung bin, denn dann funktioniert der Film zum ersten Mal.
Wo Sie den Sound erwähnen – der Rocksound in der Szene am Anfang, wenn Kristin flieht, passt sehr gut, finde ich.
Gut zu wissen. Es war eine Entscheidung, die wir wahrscheinlich beim Schneiden getroffen haben. Es wirkt sich auf die Figur aus. Das war eine von diesen Ideen, die man mag. „Moment mal! Warum versuchen wir es nicht auf diese Weise?“ Und normalerweise funktionieren diese Dinge nicht, in 9 von 10 Fällen ist es eine Schnapsidee. Aber in diesem Fall hat es uns allen wirklich gefallen und wir dachten: „Lasst uns dabei bleiben. Lasst es uns so belassen.“ Es macht Spaß, wenn man sich mit dem Sounddesign beschäftigt. Es ist wahrscheinlich sogar mein Lieblingspart bei der Arbeit.
Haben Sie vor, auch selbst Musik zu machen?
Nein. Ich arbeite gerne mit guten Leuten zusammen. Da ist ein Komponist, mit dem ich schon lange zusammenarbeite, und wir haben vor den Dreharbeiten schon angefangen zu arbeiten. Es ist interessant wie sich das im Laufe des Prozesses entwickelt hat. Es ist ein Thriller, kein skandinavischer Noir-Film, bei dem alles super geerdet und naturalistisch sein muss, sondern es ist eher – es hat eine leichte Art. Es hat mehr Humor. Wir wollten, dass die Musik das irgendwie widerspiegelt und irgendwie groß wirkt. Und dann war es interessant, das zu erforschen. „Das ist jetzt vielleicht zu viel. Ich glaube, wir müssen mehr in diese Richtung gehen, um den richtigen Charakter zu finden.“ Das hat bei diesem Projekt sehr viel Spaß gemacht. Es hat eine Weile gedauert. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht.
Weil ich kein Musiker bin, verlasse ich mich auf meinen Komponisten und ich kann es ihm irgendwie erklären und er kann das dann in Musik übersetzen. Das ist ziemlich wichtig für mich.
Gab es für diesen Film Inspirationen?
Bei einem Film geht es für mich immer darum, den richtigen Ton zu finden. Man versucht herauszufinden, was der Ton sein sollte, und für mich war es: Wenn man eine Skala hat und an einem Ende steht Indiana Jones, am anderen Ende so etwas wie die Bourne-Trilogie, eher ein Thriller und das andere ist eher ein Abenteuerfilm.
Ich habe ständig versucht, genau zu bestimmen, wo zwischen diesen beiden Punkten dieser Film liegen sollte. Das war ein ständiger Prozess und ich hatte das Gefühl, als wir anfingen, war der Film eher an Indiana Jones oder diese Art von Abenteuerfilmen angelehnt. Aber das Buch ist nicht ganz so, das Buch ist eher ein Thriller. Es bewegte sich immer weiter weg und näher an die Art von Thriller, wie ich sagte, wie die Die Bourne Identität. Es hat ein bisschen mehr Realismus in sich.
Ich hatte das Gefühl, während des gesamten Drehprozesses und sogar in der Postproduktion, im Schnitt, würden wir es schleichend in Richtung Bourne-Filme schieben, sagen wir mal so. Also ist es dort vielleicht ein bisschen näher. Aber es hat immer noch Comedy, es hat immer noch leichte Elemente, besonders gegen Ende hat es Abenteuer. Das war also eine ständige Suche, hatte ich das Gefühl.
Dann bedanke ich mich herzlich für das Interview! Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg mit diesem – und weiteren Filmen!
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