Als Albert (Henri Rollan), der als Wächter des Eiffelturms arbeitet, am Morgen aufwacht, merkt er schnell, dass etwas mit Paris nicht zu stimmen scheint. Obwohl bereits die Sonne aufgegangen ist, sind die Straßen der Stadt wie leergefegt. Und die wenigen Menschen, denen er begegnet, scheinen alle zu schlafen – selbst diejenigen, die irgendwo herumstehen. Doch dann trifft er unterwegs auf Hesta (Madeleine Rodrigue) und vier Männer, die an dem Morgen aus Marseille angekommen sind und ebenso verwundert sind über die vielen schlafenden Menschen. Was ist mit ihnen nur geschehen? Und warum sind sie von all dem verschont geblieben?
Wo sind nur die Menschen hin?
In seiner langen Karriere als Filmemacher hat René Clair zahlreiche Höhen und Tiefen durchlebt. So schuf er Klassiker wie Unter den Dächern von Paris (1930), feierte mit dem Krimi Zehn kleine Negerlein – Das letzte Wochenende (1945) große Erfolge. Aber es gab auch immer wieder Durststrecken, bei denen der französische Regisseur sowohl an den Kinokassen wie auch bei Kritikern durchfiel. Seine Spezialität waren dabei vor allem zu Beginn seiner Karriere sonderbare Kurzfilme, bei denen er gern herumexperimentierte. Einer davon ist Paris schläft, in dem er einer Gruppe von Menschen durch die Stadt der Liebe folgt, in der aus irgendeinem Grund nichts mehr geht.
Vor allem am Anfang ist der Film dabei von seiner surrealen und mysteriösen Atmosphäre geprägt. Gemeinsam mit den Zuschauern und Zuschauerinnen streift Albert durch die leere Stadt und wundert sich, was es mit all dem auf sich hat. Das Motiv der plötzlichen Geisterstadt ist eines, welches man aus dem Genrekino kennt, seien es Horrorfilme oder Mysterythriller. Doch Paris schläft ist nur bedingt mit diesen zu vergleichen. Zwar darf man auch hier neugierig sein, was hinter allem steckt. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Und auch nicht der Wichtigste, wie man im weiteren Verlauf feststellt. Wenn wir später die Erklärung bekommen, warum die französische Hauptstadt ist, wie sie ist, ergibt das alles nicht sonderlich viel Sinn.
Surreal und komisch
Clair, der auch das Drehbuch schrieb, ist mehr daran interessiert, was diese ungewöhnliche Situation mit den Menschen macht. Eine tiefschürfende psychologische Studie darf man von dem Stummfilm dabei aber nicht erwarten. Vielmehr mag es der Franzose bei Paris schläft gern humorvoller. Schon wenn Albert durch die Stadt läuft und an den starren Mitmenschen verzweifelt, ist das eher komisch als spannend. Zwischenzeitlich wird dann auch auf Slapstick-Szenen gesetzt, etwa wenn die fünf Herren feststellen, dass sie nur noch eine Frau auf dieser Welt haben, was naturgemäß zu gewissen Verteilungskämpfen führt. Und auch später ist das alles meist heiter-amüsant. Man muss schon eine Vorliebe für solche Art Filme haben, um hiermit etwas anfangen zu können. Dann hat diese Kuriosität aber durchaus Unterhaltungswert. Gerade die Verbindung aus dem Surrealen und dem Komischen macht das Frühwerk des Franzosen noch immer zu einem sehenswerten Zeitvertreib.
OT: „Paris qui dort“
Land: Frankreich
Jahr: 1925
Regie: René Clair
Drehbuch: René Clair
Musik: Karol Beffa
Kamera: Maurice Desfassiaux
Besetzung: Henri Rollan, Charles Martinelli, Louis Pré Fils, Albert Préjean, Madeleine Rodrigue, Myla Seller, Antoine Stacquet, Marcel Vallée
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