Return to Dust Yin ru chen yan
© Qizi Films Limited

Return to Dust

„Return to Dust“ // Deutschland-Start: 2. März 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Schneeflocken fallen in einen Hof irgendwo im ländlichen China. Hier lebt der Bauer Ma (Wu Renlin), ein in sich gekehrter Mann und das letzte unverheiratete Familienmitglied. Bei Tisch wird fast ganz nebenbei eine Ehe zwischen ihm und der kränklichen Guiying (Hai Qing) arrangiert. Nach der Hochzeit müssen Ma und die ihm noch fremde Frau bei ihren Familien ausziehen und ein gemeinsames Leben beginnen. Doch auf dem harten Boden dieses Lebens zwischen Feldarbeit, Isolation und Geldsorgen wächst eine romantische Erzählung.

Show don’t tell und die Liebe für die Figuren

Nach den ersten Minuten haben die beiden Protagonisten noch kein Wort miteinander gewechselt, aber was die Kamera bannt, berührt bereits das Herz. Das liegt zum Teil daran, dass der Regisseur einen erzählerischen Kniff verstanden hat: Show don’t tell. Statt mit endlosen Dialogen zu langweilen, produziert er Bilder, die oftmals so ruhig wie Ma selbst sind, aber ungleich viel zu erzählen haben. Zum anderen haben die Figuren in ihrer anfänglichen Distanziertheit etwas Nahbares. Mit viel Aufrichtigkeit zeigt uns Regisseur Li Ruijun (Walking Past the Future), wie Ma und Guiying mit ihren alltäglichen Bürden umgehen. Trotz einer gewissen Zerbrechlichkeit findet sich auch etwas Unerschütterliches in den beiden. Vielleicht ist es die Klaglosigkeit im Angesicht alter Traditionen und der harten Lebensumstände – zwischen Mas Blutspenden, Verstädterung und der Arbeit auf dem Maisfeld. Aber noch viel wahrscheinlicher ist es das Gütige in den Figuren. Obgleich beide vergrämt und verbittert sein könnten, entdecken sie Liebe füreinander.

Man spürt regelrecht, wie sehr der Regisseur seine Figuren mag und dass er das allgemeine Schicksal der Bauern respektvoll entwirft. Angenehm klischeefrei entwickelt er Gesten der Freundlichkeit und Zuneigung zwischen Ma und Guiying. Sei das der Mantel oder – ein besonders romantisches, wiederkehrendes Motiv – der Blumenabdruck auf der Hand. All das macht Return to Dust zu einem tollen Film, dessen Figuren einem ans Herz wachsen. „Du lachst und weinst ja zugleich“, bemerkt Ma, während sie bei Nacht im Regen sitzen, der die Ziegel für ihr neues Heim wegzuschwemmen droht. Es ist vor allem der Umgang mit Herausforderungen wie dieser, der erkennen lässt, dass man sich Gedanken gemacht hat, dass man die Probleme, die einem dort begegnen können, die Nuancen der Lebenswirklichkeiten der Menschen, die dort wohnen, wahrgenommen hat.

Mehrschichtige Bilder und der Dialog mit der Natur

Neben dem Ausdruck der inneren Konflikte sehen wir tolle Landschaftsaufnahmen, Bilder mit mehreren Ebenen und wiederkehrende Motive wie etwa das Schriftzeichen, das Ma mit Hilfe von Guiying an der Wand aufhängt. Das Paar sitzt bei sich zuhause im Halbdunkel und schaut in einen löchrigen Karton. Eine Wärmelampe strahlte daraus und wirft Lichtmuster um sich. Das Staunen über den improvisierten Brutkasten ist nur ein Beispiel für viele Szenen, in denen die Bildausschnitte so gut sind, dass man sie als Poster nutzen könnte.

Ganz interessant sind auch die Szenen, in denen die Zuschauer sowohl ein Drinnen als auch ein Draußen sehen können; ein natürlicher Split-Screen. Jemand sitzt im Haus, während draußen ebenfalls etwas geschieht. Beide Ebenen stehen im Dialog miteinander. Ein anderes Mal sehen wir durch ein Fenster und betrachten die Handlung draußen aus kurzer Distanz. Gleichzeitig wird dadurch wieder Nähe und Zugehörigkeit erzeugt, als wohnten die Zuschauer für einen Augenblick selbst in dem Haus, das abgerissen werden soll.

Die Verstädterung als Veränderung der Landschaft spiegelt einen fortschreitenden Verlust der Kommunikation zwischen Mensch und Natur wider. Deutlich wird dies unteranderem in der Szene, in der der Bauer Ma das neue Betonapartment besucht. Ein anderes Mal versucht er die Vögel wegzuscheuchen, ehe sein altes Haus abgerissen wird. Die Schönheit der Einsamkeit der Natur verblasst gewissermaßen hinter dem Staub des Fortschritts. Das Fortbestehen der Mensch-Natur-Beziehung findet sich dann noch im Leitthema der Gesundheit. So trägt ein Mann beispielsweise eine Kröte am Handgelenk als vermeidliches Heilungsmittel. Man könnte sagen, dass wir hier keinen Dialog sondern einen Monolog des Menschen erleben. In diesem Kontext ist eine Schlussszene spannend, in welcher Ma den Esel befreit. Dabei wird gewissermaßen die Frage aufgeworfen, inwieweit die Natur uns antworten könnte.

Eine Inszenierung kann hier noch hervorgehoben werden. Die Hauptfiguren sprechen über Pflanzen und dass diese nicht weggehen können. Anders als sie selbst, die ja Füße haben. Doch auch sie sind natürlich angewurzelt – obgleich durch die Verstädterung eine Entwurzelung stattfindet. Und nun setzt der Regisseur noch einen drauf. Die Kamera bewegt sich nicht. Wir bewegen uns nicht. Langsam geht die Figur aus dem Bild und wir erkennen: Auf gewisse Weise sind auch wir angewurzelt.

Könnte man das noch kürzen?

Neben all den lobenden Worten, die man für diesen Film finden kann, bleibt im Nachhinein der vage Eindruck, dass er an der einen oder anderen Stelle einen Ticken kürzer/prägnanter hätte sein dürfen, ohne dabei spezielle Szenen im Sinn zu haben. Manchmal schimmert ein wenig zu sehr die Motivation des Regisseurs hindurch, eine Metapher oder Lebensweisheit teilen zu wollen. Manche Szenen wirken dadurch vielleicht etwas gestellt. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. So wirkt es teilweise zu auffällig bedeutungsschwer, um gleichzeitig ganz alltäglich zu erscheinen, wobei eben diese Alltäglichkeit die Szenen vielleicht noch immersiver gehalten hätte.

Credits

OT: „Yin ru chen yan“
Land: China
Jahr: 2022
Regie: Ruijun Li
Drehbuch: Ruijun Li
Musik: Yazdanian Peyman
Kamera: Weihua Wang
Besetzung: Hai Qing, Renlin Wu

Bilder

Trailer

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Return to Dust
fazit
„Return to Dust“ ist ein vielschichtiges Drama über das Leben von Ma und Guiying im ländlichen China, die in eine arrangierte Ehe gedrängt wurden und nun zusammen ihr neues Leben gestalten. Der Regisseur entwickelt mit viel Gespür für die Lebenswirklichkeit der Bauern eine romantische Geschichte. Dabei gelingen ihm beeindruckende Bilder.
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