Eine Zeit lang war das Thema Flüchtlinge in Europa allgegenwärtig, zahlreiche Filme – seien es fiktionale oder dokumentarisch – hatten sich desselben angenommen. Inzwischen hat das Interesse daran ziemlich abgenommen, nur dann und wann kommt doch einmal ein neuer Titel heraus. Umso bemerkenswerter ist, dass innerhalb weniger Wochen gleich zwei Filme veröffentlicht werden, die sich mit dem Schicksal der Schwestern Yusra und Sara Mardini beschäftigten. 2015 waren die zwei aus Syrien geflohen, gelangten über die Türkei zur griechischen Insel Lesbos, bevor eine weitere Odyssee sie am Ende nach Deutschland führte. Doch während der Netflix-Film Die Schwimmerinnen vor allem die sportliche Laufbahn beleuchtete – beide starteten sie als Schwimmsportlerinnen –, behandelt die Kino-Doku Sara Mardini – Gegen den Strom das Engagement von Sara für andere Flüchtende.
Helfen streng verboten!
Die musste im Gegensatz zu ihrer Schwester die sportliche Karriere aufgrund einer Schulterverletzung aufgeben. Stattdessen wurde sie zu einer bekannten Aktivistin. So kehrte sie später nach Lesbos zurück, um Menschen zu helfen, die unter ähnlichen Bedingungen geflohen sind wie sie selbst. Das wiederum sah man in Griechenland nicht gern. Sara Mardini ist nur eine unter vielen, die sich für das Wohl Geflüchteter einsetzen und dafür juristische Folgen befürchten müssen. Dass in dem europäischen Land recht ruppig darauf reagiert wird, wenn jemand unerlaubt die Grenze überschreitet, ist kein Geheimnis. Immer wieder schaffen es Geschichten in die Nachrichten, die von menschenunwürdiger Behandlung erzählen. Im Zweifel sollen die Flüchtlinge lieber ertrinken, als dass man sich um diese kümmern soll.
Eine Diskussion, wie ganz grundsätzlich mit der Situation umzugehen ist, leistet der Film dabei nicht. Er bleibt lieber ganz nah an der Protagonistin dran. Schwerpunkt von Sara Mardini – Gegen den Strom ist dabei einerseits, mit welchen Mitteln versucht wird, die Aktivistin und die vielen Gleichgesinnten aufzuhalten. Dabei wird massiv auf Abschreckung gesetzt. Dass 20 Jahre Haft drohen könnte für einen humanitären Einsatz, würde man von häufig gescholtenen Autokratien erwarten, nicht aber von einem EU-Mitglied. Regisseurin Charly Wai Feldman muss das alles nicht weiter kommentieren, die Geschichte spricht für sich. Den Rest erledigt Mardini, die immer wieder zu Wort kommt und von ihrem Werdegang berichtet.
Inspirierend und tragisch
Das ist dann das zweite Thema von Sara Mardini – Gegen den Strom: Der Film thematisiert und skandalisiert die aktuelle Situation. Er erzählt aber vor allem auch von einer jungen Frau, die eigentlich ganz andere Pläne und Träume hatte, letztendlich aber durch Umstände, die gar nicht in ihrer Macht standen, eine völlig andere Richtung eingeschlagen hat. Das darf man dann inspirierend oder tragisch finden. Feldman interessiert sich vor allem auch dafür, was dies mit der Protagonistin macht. Wie geht es einem damit, die eigene Heimat zu verlieren? Wie geht man mit dem großen Druck um, der von den Behörden ausgeübt wird? Und wie behält man den Antrieb bei, für das zu kämpfen, was man selbst als richtig empfindet, wenn von außen auf einen eingeprügelt wird?
Dass der Film dabei nur die Oberfläche abbilden kann, ist klar. Zwar hat Sara Mardini – Gegen den Strom die Protagonistin über Monate hinweg begleitet, was für eine gewisse Nähe gesorgt hat. Dennoch reicht das nicht, um tiefere Einblicke zu gewähren und den Menschen hinter der Geschichte hervorzulocken. Hat man diesen Anspruch aber nicht, ist der Dokumentarfilm durchaus sehenswert. So ist zum einen imponierend, wie viel Einzelne zum Wohl anderer bereit sind zu opfern. Zum anderen erinnert er einen daran, dass da noch viele ungelöste Probleme da draußen warten, auch wenn sich die meisten nicht mehr dafür interessieren.
OT: „Sara Mardini – Gegen den Strom“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Charly Wai Feldman
Musik: K River Records, Laurens von Oswald, Leopold Faerberboeck
Kamera: Zamarin Wahdat
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