Mehrfach standen die Vereinigten Metallwerke Altena bereits vor dem Aus. Doch immer konnte die Familie Wolf das Ruder wieder herumreißen. Darauf hofft auch Christel Wolf (Katja Riemann), die das Unternehmen mit eiserner Hand leitet. So hat sie keine Probleme damit, sich mit anderen anzulegen und knallhart ihre Bedingungen durchzudrücken. Nur bei einer Sache ist sie bislang erfolglos geblieben: Es fehlt jemand, der sie einmal beerben wird. Schließlich haben ihre Töchter Ulla (Elisa Schlott) und Gundel (Vanessa Loibl), die vor Jahren als neue Leiterinnen im Gespräch waren, inzwischen ganz andere Lebenswege eingeschlagen. Nur Margot (Anna Maria Mühe), die dritte Tochter, ist dem Werk treu geblieben und arbeitet dort als Personalleiterin. Ihr 19-jähriger Sohn Winne (Damian Hardung) ist es, der für Christel die erste Wahl für die Thronfolge ist. Doch der Jugendliche rebelliert lieber gegen das System …
Sonderlich wohlwollend waren die Kritiken 2020 nicht, als die erste Staffel von Unsere wunderbaren Jahre ausgestrahlt wurde. Die Dramaserie um eine Familie, die während der Nachkriegsjahre irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft zu vermitteln versuchte, war eine ungeniert aufgebauschte Seifenoper, die in jeder Szene ein neues Problem heraufbeschwörte. Doch dem Publikum war das offensichtlich egal, rund sechs Millionen Menschen blieben der Familiensaga treu. Und so gibt es rund drei Jahre später noch einmal Nachschlag. Das ist nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, sondern auch aus inhaltlichen. Schließlich hatte Peter Prange, auf dessen Roman die Serie basierte, ein ganz großes Familienporträt angelegt, das sich über mehrere Generationen hinwegzieht. Da ist also noch einiges an Stoff übrig.
Wobei die zweite Staffel nicht nahtlos an die Geschehnisse der ersten anschließt. Stattdessen springen wir in die 1960er weiter. Natürlich haben die vorangegangenen Geschichten dabei noch immer Auswirkungen. Es tauchen auch die meisten relevanten Figuren wieder auf, wobei einige von ihnen nur noch Gaststar-Status haben. Stattdessen ist Winne, der in der ersten Staffel noch ein kleiner Junge war, die neue Hauptfigur, an der Seite von Christel. Das schreit geradezu nach Generationenkonflikt. Doch das trifft nur manchmal zu: Obwohl die Matriarchin eine knallharte Kapitalistin ist während der Enkel vom Aufstand der Arbeiter träumt, verstehen sich die beiden überraschend gut. Auch an anderen Stellen geht Unsere wunderbaren Jahre einen unerwarteten Weg, wenn Gundel beispielsweise völlig von ihrem Mutterdasein überfordert ist und dabei eine Frage gestellt wird, die noch immer mit einem Tabu belegt ist: Was, wenn ich mein eigenes Kind nicht lieben kann?
Viel Stoff, aber besser als letztes Mal
An Stoff mangelt es also auch bei der zweiten Staffel nicht. Zuweilen wird das ein bisschen arg viel, wenn Unsere wunderbaren Jahre kaum mal Raum zum Atmen lässt und stattdessen irgendwie überall ein neues Thema entdeckt. Da sind zum einen die Baustellen, die noch vom letzten Mal übrig sind, etwa der Umgang mit dem Nazi-Erbe und die Frage nach der persönlichen Schuld. Hinzu kommen die besagten Auseinandersetzungen rund um den Kapitalismus. Und als wäre das nicht genug, spielt auch Rassismus eine größere Rolle. Zu diesem Zweck werden lauter Gastarbeiter eingeführt, die für das Überleben des Werks dringend notwendig sind, dabei aber wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Was ebenfalls den Rebellen Winne auf den Plan ruft.
Was nach wie vor bei der Serie fehlt, ist so etwas wie ein Alltag. Dadurch wird sie auch dem Anspruch eines Zeitporträts kaum gerecht, wenn immer sofort der Ausnahmezustand ausgerufen wird. Dennoch, im Vergleich zur ersten Staffel ist die zweite ein großer Fortschritt. So bringt die neu dazugestoßene Regisseurin und Co-Autorin Mira Thiel (Rumspringa – Ein Amish in Berlin) mehr Leichtigkeit und Zurückhaltung hinein. Wo man beim letzten Mal konstant unter dem ganzen Ballast zu ersticken drohte, da stimmt hier die Balance deutlich besser. Zwischendurch gibt es in Unsere wunderbaren Jahre sogar schöne Momente, die das Gefühl eines Aufbruchs vermitteln. Die Ahnung, dass sich die Welt wirklich zum Besseren verändern lässt. Bis einem wieder das nächste Problem vor die Füße plumpst.
OT: „Unsere wunderbaren Jahre“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Mira Thiel
Drehbuch: Kirsten Loose, Mira Thiel
Vorlage: Peter Prange
Musik: Tim Neuhaus, David Schoch, Philipp Milner
Kamera: Thomas Schiller
Besetzung: Katja Riemann, Anna Maria Mühe, Damian Hardung, Omid Memar, Rocio Luz, Vanessa Loibl, Merlin Sandmeyer, Hans-Jochen Wagner, Valerio Morigi, Ludwig Trepte
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