Ashkal
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Ashkal
„Ashkal“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Moderne Gebäude und verlassene, in den Himmel ragende Betonkonstruktionen prägen das Bild. In der Baustelle der Gärten von Karthago wird eine verbrannte Leiche gefunden. Das ruft das Ermittlerteam Fatma (Fatma Oussaifi) und Batal (Mohamed Grayaâ) auf den Plan. Die beiden glauben nicht daran, dass es sich um einen Selbstmord handelt. Als bald darauf eine weitere Leiche gefunden wird, nehmen die Ermittlungen Fahrt auf. Sie ahnen noch nicht, dass dieser Fall eine zunehmend mysteriöse Richtung einschlagen wird …

Die Stadt als Figur?

Man merkt über die gesamte Lauflänge, dass Regisseur Youssef Chebbi viel Wert auf den Bildaufbau gelegt hat. Was den Aufbau unter anderem spannend macht, wo dann auch kurz der Spaß des Mitratens, des Entdeckens stattfinden kann, ist das, was darin passiert. Gemeint ist hier vor allem, dass man manche Details theoretisch übersehen könnte, da die Hauptaufmerksamkeit nicht unbedingt darauf liegt. So zum Beispiel in einer Szene, in der sich zwei Figuren unterhalten und über ihnen jemand ein Fenster öffnet und das Gespräch vermeidlich mithört. Auch in anderen Einstellungen können wir bedeutungsaufgeladene Details im Vorder- und Hintergrund entdecken.

Unfertige Betonskelette. Moderne Wohnviertel. Ödland. Im Schutt grabende Straßenhunde. Mehr Beton. Die Art und Weise, wie die Umgebung präsentiert wird, als spielte sich der Krimi vor einem Portrait der Urbanität der Gegend ab, lässt diese selbst fast lebendig beziehungsweise wie eine weitere Figur erscheinen, deren Perspektive die Kamera zuweilen einnimmt. Zum Beispiel schauen wir, schaut die Kamera an einer Stelle aus einem Fenster auf die weit unten liegende Szene, als stünden wir an einem geheimen Beobachterposten oder als beobachteten die Gebäude mit ihren teilweise leeren Fensteraugen die Szenerie.

Eröffnungs-Noir-Film

Der tunesische Thriller Ashkal eröffnet im April 2023 das ALFILM Spotlight-Programm, das die Überschrift „Ghosts, Griefs, and Lost Dreams – Visions of the City in Arab Cinema“ trägt. Der Titel fängt die Atmosphäre des Krimis gut ein. Der Regisseur, heißt es in der Programmbeschreibung, entwickelte Ashkal nach den Traditionen des Film Noir und die „mörderischen Ereignisse“ in Ashkal würden schließlich „die Geister einer bevorstehenden Revolution heraufbeschwören“. Der Regisseur wollte demnach auch eine soziale und politische Dimension in Ashkal einfügen. Das Werk verlangt den Rezipienten daher auch potenziell geschichtliches Wissen ab, damit sich diese Bedeutungsebenen völlig erschließen lassen.

Figurenkonstellationen

Die Ausgangslage der Figuren bietet viel Potenzial, das leider etwas in der Interaktionsarmut verblasst. So scheint Batal an jenem polizeilichen Fehlverhalten beteiligt zu sein, um das sich Fatmas Vater kümmern will. Wegen selbigem wird Fatma von vielen ihrer Kollegen angefeindet. Dieser Konflikt zwischen den Figuren wirkt teilweise aber etwas zu distanziert. Die Wortarmut macht es manchmal etwas schwer, alle Zusammenhänge nachvollziehen zu können.

Ein Ende wie der Anfang einer Serie

Das Ende mutet wie eine Folge von Akte X an und lässt Ashkal fast wie den Prolog für eine düstere Fantasy-Serie erscheinen. Prolog deshalb, da am Ende noch einige Fragen offenbleiben und vieles der Fantasie der Zuschauer und Zuschauerinnen überlassen wird. Man könnte sagen, dass dieses halboffene Ende gewissermaßen das Unvollendete des Distrikts von Tunis selbst spiegelt. Das Unvollendete scheint ein Leitmotiv zu sein. So sind die im Hintergrund laufenden Handlungen, von denen wir nur bruchstückhaft erfahren, wegen denen Batal angegriffen wird, theoretisch noch nicht abgeschlossen. Ebenso die Pläne von Fatmas Vater, deretwegen sie Anfeindungen erfährt, dürften im Hintergrund noch weiterlaufen.

Man merkt Ashkal an, dass der Regisseur bewusst versucht hat, verschiedene Ebenen und bedeutungsaufgeladene Momente zu finden. Er schafft es auch, Bilder sehr präzise zu entwickeln. Leider bleibt dabei, auf die gesamte Länge gesehen, etwas der Spannung und teilweise die Entwicklung der Figuren auf der Strecke.

Das Mitraten, was in einem Krimi Teil der Unterhaltung sein kann, fällt hier potenziell etwas schwerer aus. Hinzu kommt, dass die Handlung zunehmend mysteriös wird, wodurch etwaige Hinweise oder Deduktionen vielleicht ohnehin ins Leere laufen könnten, da man hier womöglich keine logische Erklärung für alle Ereignisse erwarten könnte. Dieser Krimi lebt stark von den Präsenzen der Hauptfiguren und der dichten Atmosphäre des Unheimlichen und Ungewissen. Das ist wahrscheinlich kein Film, den man so nebenbei laufen lassen kann, da sich viel zwischen den Zeilen abspielt und die Bilder oft mehrere Bedeutungsebenen haben.

Credits

OT: „Ashkal“
Land: Frankreich, Tunesien, Katar
Jahr: 2022
Regie: Youssef Chebbi
Drehbuch: François-Michel Allegrini, Youssef Chebbi
Musik: Thomas Kuratli
Kamera: Hazem Berrabah
Besetzung: Fatma Oussaifi, Mohamed Grayaâ, Rami Harrabi, Hichem Riahi, Nabil Trabelsi, Bahri Rahali, Oumayma Meherzi, Ghalia Jebali, Aymen Ben Hmida, Adel Monam Khemis, Barrie Marleen, Daniel Guikpa, Céline Yaho Amenan, Fatma Felhi, Imen Badarjah, Youssef Oueslati, Amel Karray, Lotfi Turki

Bilder

Trailer

Filmfeste

Cannes 2022
Toronto International Film Festival 2022
Internationales Filmfestival Mannheim Heidelberg 2022
ALFILM 2023

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Ashkal
fazit
„Ashkal“ liefert ein visuell anspruchsvolles Portrait der Urbanität des Distrikts von Tunis und findet interessante Kameraperspektiven. Es handelt sich um einen nicht immer ganz leicht verständlichen Noir-Krimi, der zunehmend ins Mystery-Genre überwechselt und bei dem das Mitraten daher nicht ganz einfach ist. Die Handlung und die Figureninteraktionen wirken teilweise sehr karg und am Ende wird man mit vielen offenen Fragen zurückgelassen, wobei der Regisseur atmosphärisch trotzdem ein stimmiges Gesamtwerk mit eigener Stimme schafft.
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