Transatlantic Netflix
Szene aus "Transatlantic": Cory Michael Smith als Journalist Varian Fry, der in den 1940ern vielen die Flucht aus Europa ermöglichte (© Netflix)

Cory Michael Smith [Interview]

Transatlantic erzählt die Geschichte einer Rettungsorganisation, die in den 1940ern verfolgten Intellektuellen und Kunstschaffenden dabei half, in die USA auszuwandern. Cory Michael Smith spielt darin den Journalisten Varian Fry, der als Teil dieser Organisation in Marseille ist und sich dort um die Menschen kümmert. Zum Start der Serie auf Netflix am 7. April 2023 haben wir uns mit dem Schauspieler über seine Rolle und die Relevanz der Geschichte für ein heutiges Publikum unterhalten.

Was hat dich an Transatlantic interessiert? Weshalb wolltest du bei der Serie mitmachen?

Aus verschiedenen Gründen. Als ich das erste Mal für die Serie vorgesprochen hatte, hatte sie noch einen anderen Titel und meine Figur hatte einen anderen Namen, da das Projekt noch sehr vertraulich zu behandeln war. Ich wusste also gar nicht genau, wofür ich da eigentlich vorsprach. Das war eines der Projekte, die dich anlocken durch die beteiligten Leute. Ich war sehr aufgeregt, mit Anna Winger zu arbeiten, weil ich ein großer Fan von Unorthodox war. Das war am Anfang meine Motivation. Nach dem Vorsprechen wurde ich eingeladen, mit Anna zu sprechen, und habe dabei erfahren, um was es sich bei dem Projekt genau handelte, dass die Serie auf dem Buch The Flight Portfolio von Julie Orringer basieren würde und dass meine Figur Varian Fry wäre.

Kanntest du ihn vorher schon?

Nein, ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nichts über ihn, habe aber vor unserem Treffen so viel wie möglich gelesen. Ich war völlig überrascht, dass es dieses amerikanischen Helden gab, von dem irgendwie niemand etwas wusste. Je mehr ich mich mit Anna über Fry unterhalten habe und darüber, wie sie die Geschichte erzählen wollte, umso mehr war ich davon gefesselt.

Die Geschichte, die ihr erzählt, spielt vor rund 80 Jahren. Was macht sie in deinen Augen für ein heutiges Publikum relevant?

Leider sind Themen wie Antisemitismus und die Rechte von Flüchtlingen heute noch immer relevant. Auch wenn die Geflüchteten heute anders aussehen mögen, sind die Entbehrungen und der Hass, mit denen sie konfrontiert werden, sehr ähnlich. Deswegen ist es wichtig, junge Leute für das dieses Thema zu sensibilisieren und Mitgefühl für andere zu stärken. Anna hat diese Themen aufgegriffen, aber auf eine ganz eigene Weise. Unsere Geschichte dreht sich um Geflüchtete, darunter viele Künstler, Schriftsteller und Philosophen. Sie haben einen ganz speziellen Blick auf das Leben, auch darauf, wie wertvoll und zerbrechlich es ist. Meine Figur hat die verantwortungsvolle Aufgabe, diese Menschen zu retten, von denen wir so viel lernen können, darunter auch, andere Menschen zu wertschätzen und mutig zu sein. Wir wollten nicht einfach nur den Schrecken in der Serie zeigen, sondern auch erzählen, wie diese Leute inmitten des Horrors noch an der Schönheit festhalten. Und ich denke, dass das etwas ganz Besonderes ist.

Warum macht Fry das? Durch diese Rettungsmission riskiert er schließlich auch sein eigenes Leben.

Er war dafür sicher nicht qualifiziert. Eigentlich war Fry Journalist und arbeitete für die Zeitschrift The Living Edge. Er war Teil des Komitees, das in New York gegründet wurde, um diese Leute zu retten. Doch auch wenn sie alle helfen wollten, fand sich niemand, der direkt nach Marseille fährt und damit ins Kriegsgebiet, um die Leute auch zu finden und sich um Visas zu kümmern. Sicher hätte es andere gegeben, die besser geeignet gewesen wären für diese heimlichen Aktionen. Aber niemand wollte es machen. Und deshalb hat sich Fry freiwillig gemeldet, ist nach Marseille gefahren und hat das Team zusammengestellt. Er hatte keine Ahnung, wie das alles funktioniert. An einer Stelle in der Serie sagt meine Figur auch, dass es keine Blaupause gab für das, was sie tun. Sie konnten einfach nur ihr Bestes geben, immer wieder improvisieren und darauf hoffen, dass es klappt.

Die Gruppe versuchte, so viele Menschen wie möglich zu retten. Und doch war klar, dass dies Grenzen haben würde und sie noch sehr viel mehr würden zurücklassen müssen. Wie kann man entscheiden, welcher Mensch gerettet werden soll und welcher nicht?

Das ist einer der großen Konflikte des European Rescue Committees, besonders für Varian. Seine Mission war es, einige der wichtigsten und bekanntesten Leute zu retten, die in Europa auf einer Blacklist standen. Leute, die auf der Flucht waren und sich vor den Nazis versteckten. Du musstest dich in Frankreich registrieren lassen, wenn du ins Ausland wolltest. Und warst du erst einmal registriert, konntest du immer von der französischen Regierung an die Deutschen ausgeliefert werden. Deswegen konnte sich niemand wirklich registrieren lassen. Als Varian dann in Frankreich war, um die berühmten Künstler, Schriftsteller und Intellektuellen zu retten, traf er viele andere, die eben nicht berühmt waren. Das waren keine Künstler, sondern normale Menschen, darunter auch Mütter mit ihren Kindern, einfache Leute aus der Arbeiterschicht, die verzweifelt versuchten wegzukommen, weil ihr Leben in Gefahr war. Da waren all diese Menschen, die Hilfe brauchten, denen er aber nicht allen helfen konnte, weil er gar nicht die Ressourcen hatte und auch die US-Regierung ihn darin nicht unterstützte.

Was macht diese Erfahrung mit ihn?

Sie bedeutete für ihn einen echten Konflikt. Sollte er sich auf die Leute konzentrieren, bei denen er damit rechnen konnte, dass etwa das Museum of Modern Art die Flucht finanzieren würde, oder die Geld und Prestige haben? Oder sollte er sein eigenes Leben bei illegalen Aktivitäten riskieren, um die anderen zu retten? Später entschied er sich, größere Risiken einzugehen und rettete mit den anderen aus seinem Team mehr als 2000 Menschen. Das ist nicht viel, wenn man das mit den Millionen Menschen vergleicht, die während des Krieges und des Holocausts ihr Leben verloren haben. Und doch ist es beeindruckend, wie eine Gruppe junger Männer und Frauen, die keine Soldaten sind, nicht Teil der Regierung sind oder auch von Nichtregierungsorganisationen, so viel bewirken konnten.

Und was erhoffst du dir, dass das Publikum für sich mitnimmt?

Ich hoffe, dass dies für das Publikum eine Inspiration sein wird bei dem eigenen Umgang mit Geflüchteten. Mehr als 100 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht und brauchen unsere Hilfe. Das Beispiel Varian Fry zeigt, dass wir keine Superhelden sein müssen, um anderen etwas Gutes zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Cory Michael Smith wurde am 14. November 1986 in Columbus, Ohio, USA geboren. Er spielte an der Universität Theater, später trat er auch am Broadway auf. Seinen Durchbruch schaffte er als Rätselmeister Edward Nygma in der Serie Gotham (2014-2019). 



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