Seitdem sie in der Pflegefamilie lebt und regelmäßig misshandelt wird, hat Allie (Halle Bush) ihre Stimme verloren. Doch nun ist sie wieder da, zusammen mit einer ungewöhnlichen Fähigkeit: Sie kann Strom erzeugen und damit anderen Menschen Schläge versetzen oder auch anderweitig für Schaden sorgen. Damit ist sie nicht die Einzige, auf der ganzen Welt entwickeln Teenagerinnen eine solche Fähigkeit. Dazu zählt auch Jos Cleary-Lopez (Auli’i Cravalho), die gemeinsam mit ihren Geschwistern und ihren Eltern aufwächst, Margot (Toni Collette), die Bürgermeister von Seattle, und dem Arzt Rob (John Leguizamo). Tunde (Toheeb Jimoh), ein aufstrebender Nachwuchsjournalist in Nigeria, möchte diese Geschichte mit der Öffentlichkeit teilen. Doch nicht alle sind begeistert davon, was da gerade geschieht …
Angst vor der Macht
Zwar steht Amazon Prime Video eindeutig im Schatten von Netflix. Auch die Produktionen von Disney+ bekommen oft mehr Aufmerksamkeit, als Teil größerer Franchises. Und doch gehen immer mal wieder ganz interessante Prime Serien online, die eine Bereicherung für die hiesige Streaminglandschaft sind. Bienenschwarm folgte kürzlich dem Fan einer Sängerin, die für ihr Idol über Leichen geht. Bei Class of ’07 wieder ein Ehemaligentreffen an einer Mädchenschule vom Ende der Welt überschatte und zwingt die Frauen, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, während sie um ihre Zukunft kämpfen. Auch in Die Gabe gibt es einen starken Fokus auf die weiblichen Figuren. Zwar tauchen zwischendurch ein paar Männer auf, die Serie interessiert sich aber nur für wenige davon.
Dass Menschen plötzlich irgendwelche Spezialfähigkeiten haben, ist sicherlich kein origineller Einfall. In den letzten Jahren hat es unzählige von Filmen und Serien gegeben, die mit einem solchen Szenario arbeiten. Oft läuft es dann darauf hinaus, dass diese Leute zu Ausgestoßenen werden. Verständlich: Wenn andere auf einmal deutlich mächtiger sind, dann kann das schon mal Angst machen. Zusammen mit einer grundsätzlichen Ablehnung für alles, was anders ist, werden so mal mehr mal weniger versteckte Plädoyers für mehr Offenheit und Toleranz. Zumindest teilweise geht Die Gabe in eine ähnliche Richtung. Da werden irgendwann die Teenagerinnen zusammengetrieben und gefesselt, von ganz offizieller Seite aus. Schließlich ist ihnen nicht zu trauen, wenn sie großen Schaden anrichten können.
Interessant, aber nicht sonderlich subtil
Was die Adaption von Naomi Aldermans gleichnamigen Roman von den vielen thematisch ähnlich gelagerten Produktionen unterscheidet, ist dieser besagte Fokus auf die Frauen. Hier werden nicht wahllos nach dem Zufallsprinzip Menschen zu Übermenschen. Vielmehr genießen auf einmal Leute Macht, die vorher keine hatten. Bislang unterdrückte Teenagerinnen, die sich durch ein patriarchisches System quälen mussten, haben auf einmal die Mittel zum Gegenangriff. Und wie das so ist, wenn Leute Macht bekommen, diese wird dann gern mal etwas missbraucht. Die Gabe hat zwar grundsätzlich eine feministische Ausrichtung, wenn Machtverhältnisse umgekehrt werden und damit die bestehenden angesprochen. Das bedeutet aber nicht, dass diese neue Welt verklärt würde.
An interessanten Themen mangelt es in der Serie dabei nicht. Es dauert aber eine Weile, bis die erkennbar werden. Gerade der Einstieg ist recht gemächlich, bis einmal die wichtigsten Figuren eingeführt sind. Zum Teil sind die dann auch nur ein Mittel zum Zweck. Auch sonst ist Die Gabe vielleicht nicht die subtilste Serie, das wäre alles gern auch komplexer gegangen. Action sollte man ohnehin nicht erwarten, die Fähigkeiten sind mehr Anlass als wirkliches Handlungselement. Wer große Kämpfe sehen will, ist daher an der falschen Adresse. Ebenso ein Publikum, das schon beim Gedanken an feministische Themen Wutanfälle bekommt. Insgesamt ist die britische Serie nicht das erhoffte Highlight geworden. Sie ist aber interessant genug um dranzubleiben.
OT: „The Power“
Land: UK
Jahr: 2023
Regie: Ugla Hauksdóttir, Lisa Gunning, Logan Kibens, Neasa Hardiman, Shannon Murphy
Drehbuch: Naomi Alderman, Sarah Quintrell, Raelle Tucker, Claire Wilson, Brennan Elizabeth Peters, Sue Chung, Stacy Osei-Kuffour
Vorlage: Naomi Alderman
Idee: Raelle Tucker, Naomi Alderman, Claire Wilson, Sarah Quintrell
Musik: Morgan Kibby
Kamera: Ollie Downey, Ruairí O’Brien, Colin Watkinson, Giulio Biccari, Carlos Catalán
Besetzung: Toni Collette, John Leguizamo, Auli’i Cravalho, Toheeb Jimoh, Josh Charles, Eddie Marsan, Ria Zmitrowicz, Zrinka Cvitešić, Halle Bush, Nico Hiraga, Heather Agyepong, Daniela Vega
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