Seit Jahren schon setzt sich Maureen Kearney (Isabelle Huppert) für die Belange der Arbeiter und Arbeiterinnen des Großkonzerns Areva ein, hat mit ihrem starken Willen so manchen Kampf für sich gewonnen. Dieser ist nun mehr denn je vonnöten, denn Anne Lauvergeon (Marina Foïs), die bisherige Leiterin des im Bereich der Nuklearenergie tätigen Unternehmens, soll durch Luc Oursel (Yvan Attal) ersetzt werden. Und der interessiert sich nicht sonderlich für die Belegschaft. Förderung von Frauen? Mit ihm nicht zu machen. Immer wieder geraten Kearney und Oursel aneinander, umso mehr, als sie von einem geheimen Deal mit den Chinesen erfährt. Während sie sich wie gewohnt mit allen anlegt und sich bis in die obersten Kreise Feinde macht, beginnt ihre Ehe mit Gilles Hugo (Grégory Gadebois) zu kriseln. Aber auch sie selbst wird bald einen hohen Preis bezahlen, als Unbekannte bei ihr einbrechen und sie vergewaltigen …
Doppelter Kampf gegen das System
Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Eine Frau mit berauschenden Talenten bei uns im Kino lief. Nun läuft der nächste Film an, bei dem Jean-Paul Salomé Regie führte und Schauspiellegende Isabelle Huppert die Hauptrolle übernommen hat. Tatsächlich soll die Zusammenarbeit bei dem obigen Film so gut gewesen sein, dass sie deshalb beschlossen haben, bei Die Gewerkschafterin erneut zusammenzukommen. Dabei könnten die beiden Filme unterschiedlicher kaum sein. War die Geschichte einer Polizeiübersetzerin, die zur Drogenhändlerin wird, eine absurde Krimikomödie, da handelt es sich bei dem zweiten Film um ein Thrillerdrama. Dieses basiert zudem auf einer wahren Geschichte, genauer lieferte der Roman La Syndicaliste von Caroline Michel-Aguirre die Vorlage.
Was der französische Filmemacher in dem Stoff gesehen hat, ist nicht schwer zu erkennen. So beschreibt er den Kampf einer mutigen Frau gegen ein System, das Frauen grundsätzlich weniger Mitspracherecht gibt. Wobei dieser Kampf genau genommen zwei Kämpfe sind. Der erste ist der, der bereits durch den Titel Die Gewerkschafterin vorweggenommen wird. Sie kämpft für diejenigen, die in dem Unternehmen keine Stimme haben. Anfangs sieht das nach einem typischen Sozialdrama aus mit klar abgesteckten Seiten: auf der einen das skrupellose Unternehmen, auf der anderen die Menschen, die ausgenutzt werden. Sobald aber die Geschichte mit den Chinesen und dem dubiosen Hinterzimmer-Deal hinzukommt, nimmt der Film Elemente eines Verschwörungsthrillers auf. Zu viel sollte man in der Hinsicht aber nicht erwarten, auch wenn der Film bei uns als solcher verkauft werden soll.
Mehrere Filme in einem
Das hängt auch damit zusammen, dass die zweite Hälfte des Films eine ganz andere Geschichte verfolgt. Im Mittelpunkt steht dann die Vergewaltigung Maureen bzw. die Frage, ob diese überhaupt stattgefunden hat. Was zunächst noch wie die klare Reaktion auf die beruflichen Tätigkeiten der Protagonistin wirkt, wie der Versuch, sie mundtot zu machen, wirft bald Fragen auf. Wenn Kommissar Nicolas Brémont (Pierre Deladonchamps) aufgrund mehrerer Ungereimtheiten seine Zweifel an der Geschichte hat, dann ist das zunächst ungeheuerlich. Mit der Zeit lässt Salomé aber auch das Publikum grübeln, ob das alles seine Richtigkeit hat. Die Gewerkschafterin, das 2022 bei den Filmfestspielen von Venedig Premiere feierte, schwankt an diesen Stellen etwas zwischen Krimi und Anklage an ein frauenfeindliches System.
Das ist dann auch etwas das Manko des Films: Er ist nicht ganz einheitlich bei dem, was er da überhaupt erzählen will. Natürlich gibt es Überschneidungen bei den beiden Hälften, wenn die Protagonistin in beiden Fällen mit einem frauenfeindlichen System zu kämpfen hat. Salomé und seine Co-Autorin Fadette Drouard (Der Rosengarten von Madame Vernet) sind in der Hinsicht auch nicht unbedingt subtil. Die Gewerkschafterin arbeitet da mit ganz klar zu erkennenden Feindbildern, die sich aus allem abzuleitende Erkenntnis lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Interessanter ist da schon die Figur der Kearney selbst, bei der Huppert wieder ihre ganze Ambivalenz ausspielen darf. Die schauspielerische Klasse in Kombination mit dem wichtigen Thema ist Grund genug, warum man hier einmal hineinschauen darf, selbst wenn die Umsetzung nicht durchgängig überzeugt.
OT: „La Syndicaliste“
Land: Frankreich, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Jean-Paul Salomé
Drehbuch: Jean-Paul Salomé, Fadette Drouard
Vorlage: Caroline Michel-Aguirre
Musik: Bruno Coulais
Kamera: Julien Hirsch
Besetzung: Isabelle Huppert, Gregory Gadebois, Yvan Attal, Marina Foïs, Pierre Deladonchamps, François-Xavier Demaison, Alexandra Maria Lara
https://www.youtube.com/watch?v=NkbxhhEP67k
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