Als mitten im Unterricht die Sirenen losheulen, ist sich Elmar Koch (Franz Dinda) sicher: Das ist kein Probealarm. Kurze Zeit später kommt die Bestätigung, tatsächlich hat sich ein Unglück im nahegelegenen Reaktor zugetragen. Nun gilt es, so schnell wie möglich von hier fortzukommen. Elmars Mitschülerin Hannah Meinecke (Paula Kalenberg), der er kurz zuvor nähergekommen ist, lässt sich dabei von anderen mitnehmen, während er selbst das Auto zu Hause holen will. Eigentlich wollten sie im Anschluss mit Hannahs jüngeren Bruder Uli (Hans-Laurin Beyerling) fliehen, da ihre Mutter geschäftlich unterwegs ist und sie somit auf sich alleingestellt sind. Aber es kommt anders. Als Elmar, der den Autoschlüssel nicht finden kann, nicht kommt, will Hannah mit Uli zum Bahnhof radeln und von dort irgendwie weiterkommen …
Die historische Sorge vor der nuklearen Katastrophe
Wer sich heute noch Die Wolke anschaut, kann gleich doppelt das Gefühl haben, dass der Film aus der Zeit gefallen ist. So basiert er auf dem 1987 veröffentlichten gleichnamigen Roman von Gudrun Pausewang, der sehr stark von dem Reaktor-Unglück in Tschernobyl geprägt war. Einen vergleichbaren zeitlichen Kontext hatte die Filmadaption von 2006 natürlich nicht, die Katastrophe von Fukushima lag damals noch einige Jahre in der Zukunft. Und auch die starke Anti-Atomkraft-Aussage verfängt inzwischen nicht mehr. Tatsächlich ist es schon bemerkenswert, dass das Drama wieder im Fernsehen ausgestrahlt wird, kurz nachdem das letzte deutsche Atomkraftwerk abgeschaltet wurde. Denn während das Buch eine Kritik an der Politik darstellt, ist es jetzt eher die Gesellschaft, die das mit dem Ausstieg wieder in Frage stellt.
Wobei auch schon der Film das politische Element reduziert hat. So gibt es keine Diskussionen pro oder contra Atomkraft, wie es bei Pausewang noch stattfand. Das hängt auch damit zusammen, dass bei den Figuren kräftig umgeschrieben wurde. Beispielsweise sind die Großeltern komplett rausgeschrieben worden, wodurch der Generationenkonflikt wegfällt. Dafür wurde Elmar zum Love Interest der Protagonistin befördert. Tatsächlich ist Die Wolke über weite Strecken sogar mehr Teenie-Romanze als Endzeitthriller. Gerade in der zweiten Hälfte geht es vorrangig darum, wie die beiden jungen Menschen ihre Gefühle inmitten der Katastrophe zu bewahren versuchen. Denn da ist nicht nur der Reaktor-Vorfall und die sich daraus ergebenden Erkrankungen. Da ist auch noch die Familie von Elmar, die ganz andere Prioritäten verfolgt.
Kein guter Film
Grundsätzlich ist es dabei schon legitim, einen Roman abzuwandeln und für ein gegenwärtiges Publikum anzupassen. Wenn der Film sich ziemlich lang Zeit lässt, um die beiden Hauptfiguren einzuführen und von ihrer allmählichen Annäherung zu erzählen, dann kann das schon dazu dienen, dass die Zuschauer und Zuschauerinnen sich stärker mit diesen identifizieren können. Zumal auch andere Katastrophenfilme oft viel Zeit zur Etablierung der Figuren investieren, siehe etwa Die letzte Nacht der Titanic. Wenn das aber bedeutet, dass über weite Strecken das Thema der Katastrophe komplett wegfällt, dann ist das auch nicht unbedingt sinnvoll. Tatsächlich hätte man aus Die Wolke phasenweise auch ein einfaches Krebsdrama machen können, ohne dass dies einen nennenswerten Unterschied machen würde.
Hinzu kommt, dass auch der Drama-Teil seine Mängel hat. Wenn beispielsweise Elmar zu Beginn seine Photosynthese-Rede im Unterricht hält, hat man nicht gerade das Gefühl, es mit einem Schüler zu tun zu haben. Dass dieser später sagt, Hannah sei so intelligent, kommt aus dem Nichts – sie tut zumindest im Film nichts, was diese Beschreibung verdienen würde. Interessant ist die Figur sowieso nicht, die einzigen Charaktereigenschaften sind ihr Schuldgefühl und die Krankheit. Das ist ein bisschen wenig, um die Aufmerksamkeit des Publikums verdienen zu wollen. Vereinzelt hat Die Wolke zweifelsfrei seine Momente, gerade während der Panikphase. Ohne den historischen Kontext der nuklearen Ängste bleibt aber kein übermäßig guter Film mehr zurück.
OT: „Die Wolke“
Land: Deutschland
Jahr: 2006
Regie: Gregor Schnitzler
Drehbuch: Jane Ainscough, Marco Kreuzpaintner
Vorlage: Gudrun Pausewang
Musik: Max Berghaus, Stefan Hansen, Dirk Reichardt
Kamera: Michael Mieke
Besetzung: Paula Kalenberg, Franz Dinda, Hans-Laurin Beyerling, Carina Wiese, Jennifer Ulrich, Claire Oelkers, Tom Wlaschiha, Karl Kranzkowski, Richy Müller
https://www.youtube.com/watch?v=q7WL64VK-EQ
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)