In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg lebt der junge Hannibal Lecter (Gaspard Ulliel) in einee Waisenunterkunft und Schule der sowjetischen Besatzer. Während des Krieges hat er Schreckliches erlebt, musste mitansehen, wie seine Eltern umkamen und musste mit seiner kleinen Schwester den harten Winter überstehen. Das Trauma dieser Zeit begleitet den Jugendlichen bis in seine Träume, aus denen er jede Nacht schweißgebadet aufwacht. Durch Briefe seiner Mutter erfährt er von einem Onkel, der in Frankreich leben soll, sodass er sich gen Westen auf den Weg macht, nur um zu erfahren, dass auch der Onkel im Krieg gefallen ist. Auf dem Chateau des Onkels empfängt ihn dessen Witwe Lady Murasaki Shikibu (Gong Li), die dem jungen Mann ein Dach über dem Kopf gibt und ihn während seiner Ausbildung zum Doktor unterstützt. Zugleich erfährt sie von dem, was ihm im Krieg widerfahren ist sowie seinem tiefen Wunsch, sich an den Männern zu rächen, die ihm und seiner Schwester in den letzten Kriegstagen Unbeschreibliches angetan haben.
Als Hannibal auf blutige Weise gegen einen Händler vorgeht, der Lady Murasaki beleidigte hatte, bemerkt sie außerdem die Brutalität Hannibals, der offensichtlich wenig Mitgefühl für seine Mitmenschen aufbringt, besonders jene, die sich seiner Meinung nach nicht zuvorkommend oder höflich verhalten. Auch die Polizei, vertreten durch Inspektor Popil (Dominic West) wird auf den jungen Mann aufmerksam, doch kann ihm keinen Verbrechen nachweisen. Während seines Studiums der Medizin erweitert Hannibal sein schon enormes Wissen und erarbeitet sich den Ruf eines vielversprechenden Talents. Durch ein Experiment mit Gift gelingt es ihm zudem, seine Erinnerungen an die letzten Stunden mit seiner Schwester wachzurufen und die Namen der Männer zu erfahren, die ihnen all dies angetan haben. Unter dem Vorwand einer Forschungsreise macht er sich auf nach Litauen, der Heimat seiner Eltern, wo er sich weitere Hinweise erhofft und den ersten Schritt eines blutigen Racheplans macht.
Die Vorgeschichte Hannibal Lecters
Hannibal Lecter ist ohne Zweifel die bekannteste Figur im Werk des Autors Thomas Harris, der einst mit Romanen wie Roter Drache und Das Schweigen der Lämmer deren Erfolg begründete sowie den Grundstein legte für weitere Bücher und Filme. In Hannibal Rising wird, wie der deutsche Titel schon andeutet, die Vorgeschichte Lecters berichtet, die in den Filmen wie auch den Romanen höchstens angedeutet wurde. Die Geschichte ist dabei eine der typischen Origin-Storys bekannter und populärer Figuren, die zwar einige gute Momente hat, doch insgesamt eher überflüssig ist.
Innerhalb der Vorgeschichte der Hauptfigur nimmt vor allem der zeitgeschichtliche Kontext eine wichtige Rolle ein. Wie schon bei Das Mädchen mit dem Perlenohrring inszeniert Regisseur Peter Webber mit einer Vielzahl an Kulissen, welche die letzten Kriegsmonate und die unmittelbaren Jahre nach ihnen darstellen. Kriegsprofiteure und der Drang zu überleben spielen für die Geschichte eine besondere Rolle sowie eine Atmosphäre des Unbehagens, weil sich nach wie vor Sympathisanten der NS-Ideologie oder Nutznießer in der Gesellschaft herumtreiben. Dem Zuschauer wird Hannibal als eine Figur gezeigt, die die Schuldigen zur Rechenschaft zieht, und zwar auf möglichst brutale Art und Weise, welche konsequent deren eigenes schreckliches Handeln von damals reflektiert. Zum anderen wird durch Figuren wie den von Dominic West gespielten Inspektor Popil eine andere Form der Aufarbeitung gezeigt, was jedoch ein Konflikt ist, den die Geschichte nicht voll ausschöpft oder vielmehr auf sehr oberflächlicher Ebene verhandelt. Das Grundproblem von Hannibal Rising ist nämlich nicht das Fehlen an Themen, Figuren und Bildern, sondern liegt mehr in der Grundstruktur des Helden.
Von Monstern und Menschen
In der Vergangenheit haben vielen Darsteller, darunter Mads Mikkelsen, Brian Cox und vor allem Anthony Hopkins die Figur des Hannibal Lecter gespielt und mit dem Zuschauer gespielt, der auf der einen Seite mit Lecter sympathisiert, doch andererseits abgestoßen ist durch seine Taten. In Hannibal Rising geht man nun einen Weg, den man schon in Ridley Scotts Hannibal ging, nämlich der Lecter zu einer Karikatur und einem Monster zu machen. Auch wenn Gaspard Ulliel ein guter Darsteller ist, kann er nicht gegen eine Regie und Vorlage an, die seine Figur zu einem solchen Ungeheuer macht. Zu keiner Zeit ist der Zuschauer für diesen Charakter zu sein, ebenso wenig für seine Gegenparts, da diese zu wenig definiert sind. So liegt in Hannibal Rising ein erzählerisches Ungleichgewicht vor, da ein falscher oder zumindest wenig durchdachter Ansatz gewählt wurde, um eine Figur wie Hannibal Lecter verständlich zu machen. Darüber hinaus liegt noch ein weiteres Problem vor, nämlich, inwiefern der Figur nicht etwas genommen wird, was sie in den Augen des Zuschauer so einzigartig machte, was Hannibal Rising in eine ähnliche Tradition stellt wie leider viele Origin-Storys, die nichts wirklich Sinnvolles zu einer Figur zu sagen haben.
OT: „Hannibal Rising“
Land: UK, Tschechien, Frankreich, Italien, USA
Jahr: 2007
Regie: Peter Webber
Drehbuch: Thomas Harris
Vorlage: Thomas Harris
Musik: Ilan Eshkeri, Shigeru
Kamera: Ben Davis
Besetzung: Gaspard Ulliel, Gong Li, Rhys Ifans, Dominic West
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