Eve Polastri (Sandra Oh) ist eine US-amerikanische Geheimagentin, die für den britischen Geheimdienst MI5 arbeitet – leider vornehmlich am Schreibtisch. Nachdem sie ihres Verhaltens wegen gefeuert wird, tritt sie bald einer Abteilung des MI6 bei. Dort wird sie auf die Spur der Auftragsmörderin Villanelle (Jodie Comer) gesetzt, die in ganz Europa tätig ist. Während Eve Villanelle jagt, entwickeln die beiden eine Art Faszination füreinander. Unterstützt von ihrem Kollegen Bill Pargrave (David Haig) und ihrer Assistentin Elena Felton (Kirby Howell-Baptiste) verschlägt es Eve bei ihren Recherchen schließlich nach Russland. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es zur Konfrontation kommt …
Von Anfang an böse
In seinem im Jahre 2015 erschienenen Buch Rette die Katze! Das ultimative Buch übers Drehbuchschreiben detailliert Blake Snyder die Struktur der Heldenreise, der zugrundeliegenden Blaupause etlicher Erzählungen also. Im deutschsprachigen Raum hat sich infolgedessen in entsprechenden Kreisen die Phrase Save the Cat! etabliert, zurückgehend auf den Originaltitel Save the Cat! The Last Book on Screenwriting You’ll Ever Need. Sie bezieht sich auf den Moment, wenn wir den Protagonisten eines Filmes zum ersten Mal sehen und Zeuge davon werden, wie er eine gute Tat vollbringt – so soll uns direkt klargemacht werden, für wen wir im weiteren Verlauf Partei zu ergreifen haben. Abgeleitet ist sie aus dem Film Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt, genauer aus der Szene, als Ellen Ripley (Sigourney Weaver) eben eine Katze rettet. Dem begrenzten Wissensstand des Rezensenten zufolge hat noch niemand ein Buch mit dem Titel Mock the Child! geschrieben, aber es stellte eine gute Antithese zu Snyders Werk dar. In Summerland etwa lernen wir die antagonistische Protagonistin so kennen, dass sie erst Spenden sammelnde Kinder abweist und später einem armen Mädchen vermeintlich Schokolade kauft, nur um diese dann für sich selbst einzustecken.
Killing Eve eröffnet nach demselben Prinzip. Eine uns zum jetzigen Zeitpunkt noch unbekannte Dame sitzt ein Eis löffelnd in einem entsprechenden Café, ihr gegenüber ein Mädchen, das selbiges tut. Die beiden lächeln sich zu. Als die Erwachsene fertig ist, steht sie auf und verlässt die Örtlichkeiten – nicht ohne im Vorbeigehen scheinbar völlig grundlos den Eisbecher des Kindes umzuwerfen, sodass dessen Kleidung den Inhalt abbekommt. In weniger als zwei Minuten hat die Serie bereits gekonnt etabliert, wen wir nicht mögen sollen. Alle eventuellen Zweifel daran sind spätestens dann behoben, wenn Villanelle, um die es sich dabei natürlich handelte, im Laufe der ersten Episode einen Jungen benutzt, um dessen Großvater zu ermorden. Während die Antagonistin anfangs weitgehend mysteriös bleibt, verbringen wir deutlich mehr Zeit mit der Protagonistin Eve.
Nicht immer effizient
So effizient wie in den ersten zwei Minuten ist Killing Eve allerdings nicht immer. Manchmal werden Drama und Spannung ein wenig künstlich überspitzt. Als in der vierten Episode etwa ein Charakter vor Killern flieht, telefoniert er mitten in der Pampa mit Eve. Sie rät ihm, nach Norden zu gehen – er erwidert, dass er keine Ahnung hätte, wo Norden sei. Daraufhin instruiert die sich in der Nähe befindende Eve ihn, sich mit ihr bei einer gut sichtbaren Metallkonstruktion zu treffen. Die Sequenz hätte also bereits kürzer sein können, wenn sie das von vorneherein vorgeschlagen hätte. Sie leidet aber zusätzlich darunter, dass jeder mit einem Smartphone in der Hand ganz einfach bestimmen kann, wo Norden ist. Sei es nun mithilfe eines digitalen Kompasses (der zugegebenermaßen eventuell durch die Metallkonstruktion unbrauchbar gemacht werden könnte) oder mit einem Blick auf die Uhr und den Sonnenstand. Es ließe sich einwenden, dass er auf der Flucht und daher panisch ist. Bei einem Mitarbeiter des Geheimdienstes ist jedoch eigentlich zu erwarten, dass solche Trivialitäten auch in Ausnahmesituationen nicht plötzlich vergessen werden. In jedem Fall wäre es besser gewesen, die Szene nicht derart in die Länge zu ziehen.
Von solchen Ausrutschern abgesehen, ist das Pacing aber ganz in Ordnung. Killing Eve hat viele spannende Momente, vor allem in der zweiten Hälfte, wenn die Handlung sich verdichtet. Zusätzlich profitiert die Serie von der Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen, obwohl diese gar nicht so viele Szenen zusammen haben. Die Spannung wird teilweise etwas unterminiert, wenn am Ende der ersten sieben Episoden eine Vorschau auf die jeweils nächste gezeigt wird. Ob das von Anfang an so war oder erst durch die Aufnahme bei Netflix so implementiert wurde, lässt sich hier nicht beurteilen. Der Humor der Serie wurde oft gelobt, hier muss jedoch festgestellt werden, dass er schon ziemliche Geschmackssache ist und oft nicht so richtig landen will. Die Dialoge sind dafür aber überwiegend gelungen.
Eine Serie voller Sprachen
„Language is information, and information is everything“ heißt es in der letzten Folge. Dadurch, dass die Show über ganz Europa verteilte Schauplätze hat, beinhaltet sie auch ein Konglomerat aus verschiedenen Sprachen. Die sind dann zum Glück auch größtenteils untertitelt. Wer allerdings kyrillische Zeichen lesen kann und sich zudem mit letalen Dosen auskennt, dem verschaffen die Macher gegen Ende zum Beispiel diesem Motto entsprechend gezielt einen Vorteil. Wer weiß, welche Hinweise dieser Art sich für Unwissende sonst noch im Verborgenen aufhalten, allerdings ist für das Verständnis der Handlung auch niemand auf sie angewiesen. Die erste Staffel endet mit einem Cliffhanger. Anders als bei abgesetzten Shows wie etwa Kindred: Verbunden wird der Zuschauer hier jedoch nicht hängen gelassen, sondern kann sich auf ganze drei weitere Staffeln freuen.
OT: „Killing Eve“
Land: UK
Jahr: 2018
Regie: Harry Bradbeer, Jon East, Damon Thomas
Drehbuch: Phoebe Waller-Bridge, Vicky Jones, George Kay, Rob Williams
Vorlage: Luke Jennings
Musik: Keefus Ciancia, David Holmes
Kamera: Julian Court, Tim Palmer
Besetzung: Sandra Oh, Jodie Comer, Fiona Shaw, Kim Bodnia, Owen McDonnell, Sean Delaney, Darren Boyd, David Haig, Kirby Howell-Baptiste, Olivia Ross, Susan Lynch
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)