Kapitän André Laurent (Jean Gabin) bringt eigentlich so leicht nichts aus der Ruhe. Schließlich muss er immer einen kühlen Kopf bewahren, wenn er mit dem Schlepper „Cyclone“ und der 30-köpfigen Mannschaft Schiffe aus Seenot rettet. Doch dieses Mal ist es anders. Nicht nur, dass ihm Catherine (Michèle Morgan), die er aus dem Wasser gerettet hat, auf die Nerven geht. Deren Mann Marc (Jean Marchat), dessen Schiff „Mirva“ in Seenot geraten ist und vor dem Catherine geflohen war, hat zudem nicht vor, für die Kosten aufzukommen. Wieder an Land kreuzen sich die Wege von André und Catherine erneut, was es ihnen erlaubt, sich langsam näherzukommen. Doch da ist auch Yvonne Laurent (Madeleine Renaud), die Frau des Kapitäns, die ihn schon länger dazu drängt, seinen Beruf aufzugeben …
Schiffsrettung mit Anlaufschwierigkeiten
Man kann nicht gerade behaupten, dass die Produktion von Schleppkähne unter einem guten Stern stand. Mehrfach mussten die 1939 begonnenen Dreharbeiten unterbrochen werden, der Zweite Weltkrieg machte sich in vielerlei Hinsicht bemerkbar. Bis die letzte Klappe fiel, waren am Ende mehr als zwei Jahre vergangen. Für die Beteiligten war dies natürlich eine Zumutung. Andererseits passt das gut zu einem Film, der davon handelt, wie im Leben oftmals alles anders kommt, als man es geplant hat. Immer wieder kommt es zu Unglücken oder Schicksalsschlägen, die alles zunichte machen. Wenn die Geschichte damit beginnt, dass André und die anderen eine Hochzeitsfeier verlassen müssen, weil ein Schiff in Seenot geraten ist, dann hat das schon eine ziemliche Symbolkraft.
Überhaupt wird die Natur in der Adaption des Romans Remorques von Roger Vercel zu einem Sinnbild für das Leben der Menschen. Der Sturm auf See wird zu einem Spiegel der beiden Ehen – André und Yvonne, Catherine und Marc –, die jeweils Krisen durchmachen und unterzugehen drohen. Ein Seestern später wird zum Symbol für die Beziehung zwischen André und Catherine, die sich annähern. Warum sie das tun, wird dabei in Schleppkähne nicht so wirklich klar. Das liegt auch an der knappen Laufzeit: Mit gerade mal 80 Minuten ist der Film schon kurz, zumal die ersten Szenen mit dem Sturm recht lang gehen. Zu dem Zeitpunkt ist noch gar nicht klar, dass aus der Geschichte eine Romanze werde soll. Bei Letzterer wird dafür dann etwas dicker aufgetragen, ein typisches Melodram eben.
Als Milieustudie sehenswert
Für die Liebesgeschichte braucht man sich den Film daher nicht anzuschauen, trotz einer namhaften Besetzung ist das nicht sonderlich interessant. Besser funktioniert Schleppkähne als Milieustudie, wenn wir hier über die Arbeit des Kapitäns und seiner Männer erfahren. Das Geschäft ist hart, es mangelt an Ressourcen. Zwischenzeitlich wird André gedroht, dass sein Schiff verkauft wird, womit dann auch all seine Männer ihren Job verlieren würden. Jean Gabain (Wiesenstraße Nr. 10, Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier) ist für eine solche Rolle zweifelsfrei eine gute Wahl. Er geht sowohl als harter Knochen wie auch als fürsorglicher Anführer durch, der für seine Mannschaft wie ein Familienoberhaupt ist. Ein Mensch, der auch bei der sich anbahnenden Affäre zwischen seinen eigenen Bedürfnissen und seiner Verantwortung vermitteln muss.
Sehr viel tiefer wird es aber nicht, da auch dafür am Ende die Zeit nicht reicht. Dafür gibt es eine Reihe sehenswerter Aufnahmen, sei es nun vom Sturm oder auch die ruhigen Passagen, bei denen wir mehr von dem Ort sehen. Schleppkähne hat also durchaus seine Momente, für die es sich lohnt, einmal hineinzuschauen. Historisch bedeutsam ist der Film auch, wird er doch als letzter Vertreter des poetischen Realismus bezeichnet. Wer für diese Mischung aus genauer Beobachtung und schwelgendem Leiden empfänglich ist, darf hier ein wenig bibbern, zittern und schwärmen, wenn Höhenflug und Untergang gar nicht so weit auseinander liegen.
OT: „Remorques“
AT: „Der Orkan“
Land: Frankreich
Jahr: 1941
Regie: Jean Grémillon
Drehbuch: Jacques Prévert
Vorlage: Roger Vercel
Musik: Alexis Roland-Manuel, Roger Désormière
Kamera: Armand Thirard
Besetzung: Jean Gabin, Madeleine Renaud, Michèle Morgan, Charles Blavette, Jean Marchat, Nane Germon, Fernand Ledoux
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