Eine alten Legende aus dem 16. Jahrhundert zufolge gibt es eine geheimnisvolle Anleitung zu einer tödlichen Kampftechnik: die Faust des Kondors. Meister des Rumi Maki, scheinbar eine alte Kampfkunst, versuchten die Technik damals unter den Inkas zu verbreiten, um sich gegen die spanische Feuerkraft erwehren zu können. Klar, dass so ein gefährliches Handbuch zu dieser Technik nicht in die falschen Hände geraten darf. Verschiedene Kampfsportler wollen die Anleitung in die Finger bekommen und gegen den Meister der Faust des Kondors kämpfen – doch sie treffen „nur“ auf seinen Zwillingsbruder (Marko Zaror). Der will seinen Bruder, der in einem Schlupfwinkel in den Bergen lebt, allerdings auch umbringen und begibt sich, nachdem er lange meditiert hat, auf die Reise.
Der erste Teil einer alten Legende
In Marko Zarors Filmografie finden sich bereits einige Werke, in denen der chilenische Schauspieler seine Kampfkünste unter Beweis stellen konnte. In Undisputed 3: Redemption spielte er zum Beispiel Raul „Dolor“ Quinones, den Gegner von Scott Adkins, der Yuri Boyka verkörperte. Viele werden ihn auch aus John Wick: Kapitel 4 kennen, der vor kurzem in den deutschen Kinos angelaufen ist und dort unter anderem in einem Cast mit Keanu Reeves und dem Kampfkünstler Donnie Yen auftritt, den man aus der Ip Man Reihe oder auch aus Rogue One: A Star Wars Story kennen könnte. In The Fist of the Condor – angelaufen beim HARD:LINE Festival – kann man Marko Zarors Kampfkünste nun wie beispielsweise in älteren Filmen wie Kiltro oder Mirageman Kicks Ass als Hauptdarsteller in einem Martial-Arts-Film bestaunen.
Wenn man nur den Titel The Fist of the Condor liest, wird man nach dem atmosphärischen Prolog womöglich überrascht sein. Unter dem Titel, der vor dem schattenboxenden Marko Zaror auftaucht, heißt es nämlich, dass es sich hier um den ersten Teil handelt. Am Ende des Films bleiben also noch einige Fragen offen und ein möglicher finaler Kampf zwischen den Zwillingsbrüdern, den man hier vielleicht erwarten könnte, bleibt leider aus. Da denkt man zwar kurz „Okay, schade“, aber halb so wild. Die Kampfszenen, die wir hier bis dahin schon bewundern dürfen, machen auch ohne den Kampf der Zwillinge genug Spaß, dass man als Genre-Fan mit Vorfreude auf eine mögliche Fortsetzung blicken kann.
Western, Zooms und Metaphern
The Fist of the Condor ist in insgesamt neun Unterkapitel unterteilt. Darin finden sich unterhaltsame Kampfszenen, selbstreflektierende Momente, die der Figur und der Geschichte mehr Tiefe verleihen, Rückblicke – wir erfahren zum Beispiel mehr über den Zwist der Brüder – und skurrile, unterhaltsame Trainingsmethoden in den Bergen bei der Mujer Condor (Gina Aguad). Dabei wird unter anderem mit Zooms und Slow-Motion gearbeitet, wodurch von den spektakulären Augenblicken wenig verloren geht. Inhaltlich kann man auch metaphorisch aufgeladene Elemente entdecken – ein zerbrochener Spiegel, Licht und Schatten, etc. –, wodurch man auch bei einem wiederholten Schauen Elemente und Bedeutungen entdecken könnte.
Der Film arbeitet außerdem mit einer gewissen Überzeichnung. Da gibt es zum Beispiel eine Szene, in welcher der Protagonist seine Beine nicht benutzen darf und eine hochhängende Stange überspringen soll. Das macht beim Zuschauen schon Spaß, könnte aber auch unfreiwillig komisch wirken. Aber wer sagt schon, dass so ein Film nicht auch seine albernen Momente haben darf? Die Übertreibung an der Stelle dient wohl dazu, die Motivation und Aussage zu untermalen, man könne über sich selbst hinauswachsen. Bei den Kampfszenen sind diese Überzeichnungen auch zu finden, sind aber eher dezent und wirkungsvoll eingesetzt und dominieren nicht die ansonsten sehr realistisch anmutenden Kämpfe.
In einer Szene hockt der Kämpfer mit der starken Lichtempfindlichkeit zwischen Felsen und beobachtet seine Familie aus der Distanz. Dass hier kein Dialog stattfindet und die Familie bloß wie eine Art Erinnerung in der Ferne erkennbar ist, ist zwar nicht uninteressant gemacht, um möglicherweise eine emotionale Distanz zu visualisieren, der emotionale Schlag wiederum, der dann mit der Tragödie geschwungen wird, wird dadurch aber etwas abgeschwächt, da man sich an dieser Stelle weniger für „Show“ und mehr für „Tell“ entschieden hat.
Obwohl hier erzählerisch das Rad nicht neu erfunden wird und man sich bei den Rückblicken manchmal kurz orientieren muss, wer von den Zwillingen wer ist, ist die Atmosphäre durchgehend sehr dicht. Man kann The Fist of the Condor einerseits als Verbeugung vor der Kunst des Sports und des Genres verstehen, das Werk von Regisseur und Drehbuchautor Ernesto Díaz Espinoza fügt den Martial-Arts-Filmen aber auch eine eigene Nuance hinzu.
OT: „El Puño del Cóndor“
Land: Chile
Jahr: 2023
Regie: Ernesto Díaz Espinoza
Drehbuch: Ernesto Díaz Espinoza
Musik: Claudio Rocco
Kamera: Nicolás Ibieta, Benjamin Luna, Vaccarezza
Besetzung: Marko Zaror, Eyal Meyer, Gina Aguad, Fernanda Urrejola, Man Soo Yoon, Jose Manuel, Crstian Garin, Andrés Cid, Francisco Fuentes, Joaquin Puig, Daniel Ramirez, Eva Luna Soto, Javiera Ureta, Jorge Vergara
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