Mo (Brendan Fraser) entdeckt in einem Schweizer Antiquariat eine wahre Rarität: das Buch Tintenherz. Das ruft allerdings Staubfinger (Paul Bettany) auf den Plan, der Mo schon lange verfolgt und sich das Buch unter den Nagel reißen will. Gemeinsam mit seiner Tochter Meggie (Eliza Bennett) kommt Mo bei deren Großtante Elinor (Helen Mirren) unter, doch auch hier sind sie nicht sicher. Staubfinger dringt in Begleitung übler Gestalten ein und entführt die Familie. Er handelt im Auftrag von Capricorn (Andy Serkis), der sich Mos ganz besondere Eigenschaft zunutze machen will. Mo ist nämlich eine so genannte Zauberzunge: Er kann Gegenstände und Personen aus Büchern „herauslesen“ – sie also in die reale Welt holen. Doch diese Gabe fordert einen Preis …
Die Fantasie des Lesens
Ob sich das Lesen unter den Kindern noch der gleichen Beliebtheit erfreut wie vor dreißig Jahren, darf bezweifelt werden. Viele überforderte Eltern heutzutage ziehen es vor, den Nachwuchs mit Tablets oder Smartphones ruhigzustellen, statt mittels Vorlesens eines Buches den Weg für die eigene Erkundung der literarischen Welt zu ebnen. Abgesehen davon, dass Kinder bei denen zu spät mit dem Vorlesen angefangen wurde (und wenn sie zwei Jahre alt sind, ist das bereits als zu spät zu werten), laut der Stiftung Lesen „mit deutlich schlechteren Bildungsvoraussetzungen in die Kitas, in die Grundschulen und in die weiterführenden Schulen“ starten, bleibt ihnen so oft der Weg zur eigenen Fantasie verwehrt.
Der Film als solcher ist die siebte und größte aller Künste, aber für den Zugang ist eine gewisse geistige Reife erforderlich, die sich unter anderem mit dem Rezipieren von Büchern erarbeitet werden kann. Ein Film ist in dem Sinne absolut, als dass er das Aussehen der Figuren, der Welt, der Gegenstände und so weiter vorgibt. Beim jungen Leser aber werden die geschriebenen Worte vor dem inneren Auge lebendig, keine zwei Leser werden denselben Text auf die gleiche Weise visualisieren. Wenn ein Kind nun aber das Glück hat, die Pforte zu verschiedenen Welten zu öffnen, mag schon bald der Wunsch entstehen, nicht nur metaphorisch in diese einzutauchen. Tintenherz spricht diese Sehnsucht an, lässt bestimmte Menschen aber umgekehrt Charaktere aus den literarischen Werken in unsere Welt holen.
Ein bisschen lang geworden
Die Prämisse bringt ein paar Probleme mit, die wir jedoch getrost ignorieren können, da es sich schließlich um einen Film für Kinder und Jugendliche handelt. Das heißt nicht, dass solche Werke sich nicht auch an eine interne Logik halten müssten, aber irgendwo muss auf der Metaebene einfach ein dogmatischer Abbruch stattfinden. Tintenherz muss keine Regeln etablieren, die Erwachsenenthemen betreffen. Der Film tappt zwar nicht in die Falle, als überlanger Fantasyepos daherzukommen, dennoch hätte selbst die vergleichsweise moderate Laufzeit von 106 Minuten noch einmal um eine Viertelstunde gekürzt werden können. Die Geschichte wird etwas zu hektisch erzählt, was zunächst impliziert, dass der Film hätte länger sein müssen. Tatsächlich hätten aber einige Szenen und sogar ein Charakter ruhig wegfallen können.
Das Leben von Brendan Fraser (Looney Tunes: Back in Action) verdient es, selbst irgendwann einmal verfilmt zu werden. Tintenherz stellte seinerzeit einen weiteren Flop mit ihm in der Hauptrolle dar. Dem Mann ist filmisch und privat so viel Unrecht angetan worden, dass der berechtigte Oscar-Gewinn für seine Darstellung in The Whale einer der besten Redemption Arcs der letzten Jahre ist. Fraser ist aber tatsächlich auch mit das Beste am Film, war sogar der Wunschkandidat von Cornelia Funke (Drachenreiter), der Autorin der literarischen Vorlage. Das zweite Buch der Reihe, Tintenblut, widmete sie dem Mimen. Verfilmt wurde es jedoch nicht, was hauptsächlich auf den Flop des Streifens zurückzuführen ist. Das ist vor allem deshalb schade, weil Tintenherz seine stärksten Momente gegen Ende hat. Insbesondere das weitere Schicksal eines bestimmten Charakters, der erst später eingeführt wurde und anfangs eher nach einem Plotdevice wirkte, hätte eine interessante Fortsetzung versprochen.
Optisch und musikalisch gesungen
Optisch kann Tintenherz größtenteils überzeugen. Die dynamische Kameraarbeit erlaubt es der jungen Zielgruppe, in die Welt des Films hineingezogen zu werden. Die visuellen Effekte sind gelungen, können die kleineren Zuschauer gegen Ende vielleicht sogar ein wenig gruseln – ohne dass es zu beängstigend wird. Abgerundet wird die Atmosphäre mit einem stimmungsvollen Soundtrack. Die bereits angesprochene hektische Erzählweise hemmt den Film jedoch, und auch wenn manches im Moment der Sichtung eindrucksvoll erscheinen mag, wird er in seiner Gesamtheit leider auch nicht lange im Gedächtnis bleiben.
OT: „Inkheart“
Land: Deutschland, Italien, UK, USA
Jahr: 2008
Regie: Iain Softley
Drehbuch: David Lindsay-Abaire
Vorlage: Cornelia Funke
Musik: Javier Navarrette
Kamera: Roger Pratt
Besetzung: Brendan Fraser, Eliza Bennett, Paul Bettany, Helen Mirren, Andy Serkis, Jim Broadbent, Rafi Gavron, Sienna Guillory, Lesley Sharp, Jamie Foreman
https://www.youtube.com/watch?v=6QDmMm06dB4
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)