Lange Zeit spielten Menschen mit dem Down-Syndrom in der öffentlichen Wahrnehmung keine wirkliche Rolle. Klar wusste man von ihnen. Aber wie so viele, die irgendwie abseits der „Norm“ waren, wurde wenig über sie gesprochen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Umso bemerkenswerter ist, wie viele Filme in der letzten Zeit dieses Thema für sich entdeckt haben. Im Fernsehen erzählte Herzstolpern von einem inklusiven Bauernhof, die Kinokomödie Champions folgte einer besonderen Basketball-Mannschaft. Wer es dokumentarischer mochte, für den zeigte Ramba Zamba eine Theatergruppe in Berlin, bei der alle mitmachen dürfen, auch Leute mit Trisomie 21. Nun kommt mit A Bump in the Heart ein weiterer Dokumentarfilm heraus, der einen Protagonisten mit Down-Syndrom hat.
Ein junger Mann sucht die Liebe
Im Gegensatz zu den obigen Titeln, bei denen es mehr um das Thema allgemein geht, da liegt bei der belgischen Produktion ein Einzelmensch im Mittelpunkt. Genauer geht es um Kirill, einen jungen Mann mit einem ebenso großen wie gewöhnlichen Problem: Er hätte gern eine Freundin. Dabei ist er gar nicht so wahnsinnig wählerisch. Anstatt unsterblich in eine einzige Frau verliebt zu sein, sind es gleich mehrere, die es ihm angetan haben. So führt er in einer Vorstellungskraft Beziehungen mit Angela, Coralie und Simone. Und es gibt noch deutlich mehr. Ein Blick in sein Zimmer enthüllt Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Frauengesichtern, fein säuberlich aus Zeitschriften oder sonstigem ausgeschnitten. A Bump in the Heart stellt diese nicht alle vor. Gut möglich, dass Kirill selbst gar nicht sagen könnte, wer diese ganzen Frauen sind.
Solche Massensammlungen können leicht komisch oder unheimlich werden, vielleicht auch erbärmlich. Regisseur Noé Reutenauer, der mit dem Protagonisten befreundet ist, hat aber gar nicht vor, diesen bloßzustellen. Sein Film ist auch nicht so dramatisch, wie sich das anhört. A Bump in the Heart erzählt weniger von einem großen Leiden als vielmehr einer stillen Sehnsucht. Es geht hier zudem nicht ausschließlich um das Thema. So begleiten wir Kirill in mehreren Situationen, erfahren mehr über seinen Alltag, erfahren von seinen Träumen. Wir sehen auch, wie er diese Träume in seiner Kunst auslebt und versucht, das in Bildern festzuhalten, was in ihm vorgeht. Wobei er sich auch verbal ausdrücken kann. Tatsächlich redet er viel und zeigt sich dabei von seiner nachdenklichen und reflektierten Seite.
Inklusion ganz beiläufig
Mehr als das ist es nicht. Der Regisseur will nichts problematisieren, macht keine verallgemeinernden Aussagen. Wo andere Filme über Menschen mit dem Down-Syndrom das zum Anlass nehmen, um für mehr Inklusion und Akzeptanz zu werben, da findet das bei A Bump in the Heart nur beiläufig statt. Indem der Beitrag vom DOK.fest München 2023 nah an Kirill bleibt, braucht Reutenauer gar nicht erst zu betonen, dass er ein Mensch mit normalen Bedürfnissen ist. Das wissen wir auch so. Insofern ist der gerade mal eine Stunde lange Dokumentarfilm ein sehr gutes Argument dafür, offener zu sein und weniger Vorurteile mit sich herumzutragen. Der romantische Träumer nimmt uns mit in eine Welt der Fantasie, der strahlenden Ritter und Prinzessinnen, die gleichzeitig entrückt und doch alltäglich ist.
OT: „Une bosse dans le coeur“
Land: Belgien
Jahr: 2022
Regie: Noé Reutenauer
Drehbuch: Noé Reutenauer
Musik: Thomas Turine
Kamera: Caroline Guimbal
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