Solange es Künstler und Künstlerinnen gibt, gibt es auch jene, die sie fördern. Was wir heute unter Konzepten wie beispielsweise der Filmförderung oder diversen Stipendien verstehen, ist im Grunde ein System, was es schon seit Jahrhunderten gibt. Abgeleitet von dem Etrusker und Römer Gaius Clinius Maecenas hat das Mäzenatentum eine wichtige Rolle dabei gespielt, besondere Talente nicht nur finanziell zu fördern, sondern sie auch der Öffentlichkeit bekannt zu machen, was sicherlich der Grund ist, warum wir heute viele Maler, Musiker, Regisseure oder Schauspieler überhaupt kennen. Per Definition versteht man also unter einem Mäzen etwas Gutes, doch ebenso kann sich dahinter jemand verstecken, der über die Förderung eine bestimmte Agenda oder Ideologie betonen will. Bisweilen mag Förderung auch eine Form der Vertuschung oder Ablenkung sein, mit deren Hilfe man den Fokus der Öffentlichkeit auf Aspekte lenken will, die man nicht in den Schlagzeilen sehen will.
Über viele Generationen hin war die Familie Sackler nicht nur eine der vermögendsten Familien der USA, sondern zeichnetet sich ebenso durch ihre zahlreichen Spenden an Museen, Theater oder Universitäten aus, darunter so namhafte Institutionen wie das Metropolitan Museum of Modern Art (MET), das Guggenheim-Museum oder die Universität Harvard. Im März 2018 begann im MET eine Protestaktion gegen die Familie Sackler, genauer gesagt gegen den von ihnen gegründeten Pharmakonzern Purdue Pharma, maßgeblich initiiert von der international bekannten Fotografin Nan Goldin. Die Aktion markiert zugleich den Beginn der Dokumentation All the Beauty and the Bloodshed von Regisseurin Laura Poitras (My Country, My Country, CITIZENFOUR), die auf den Filmfestspielen in Venedig 2022 mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Der Film erzählt jedoch nicht nur die Geschichte der Protestaktion, die letztlich zum Ruin der Familie Sackler führen sollte, sondern zugleich auch von Goldin selbst, wie sie zur Fotografie kam und wie sie selbst beinahe Opfer der Opioidkrise geworden wäre.
Hunderte leerer Pillendosen
In den zwei Stunden Laufzeit wechselt Poitras’ Dokumentation zwischen der Biografie der Künstlerin und ihrem Kampf gegen die Sackler-Familie, der sich in erster Linie auf die von ihnen geförderte Einrichtung konzentriert. Die Regisseurin erklärt ihren Ansatz damit, dass sie während die Goldin zu den Sitzungen der Protestgruppe PAIN begleitete sowie der Organisation der jeweiligen Aktionen, ihr klar geworden sei, dass dies zugleich die Geschichte der Fotografin sei, weshalb sie diese auch erzählen wollte. Der Zuschauer erkennt durch die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart Goldin zum einen, wie sie zu einer solchen Überzeugung kommt, die sich gegen Konzerne wie Purdue und die Sacklers richtet, doch zudem, wie sie selbst betroffen ist.
Die Biografie Goldins, oder vielmehr viele der Themen, die ihr Leben bestimmen, sind die Lebensgeschichten vieler, die sich ihr anschließen. Immer wieder stellt Poitras solche Verknüpfungen her und beleuchtet damit eine sehr seltene Spezies innerhalb des Kunstgewerbes, nämlich eine Künstlerin, deren Moral nicht einfach nur aufgesetzt ist und deren Engagement keine Pose ist. Der Schmerz und die Schönheit, auf die der Titel anspielt, spiegeln sich in den Diashows wider, die der Film zeigt, in den Treffen der PAIN-Gruppe, doch vor allem in dem Gesicht Nan Goldins, die dieses moralisch höchst fragwürdige Mäzenatentum nicht mehr länger mittragen will.
OT: „All the Beauty and the Bloodshed“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Laura Poitras
Musik: Soundwalk Collective, Dawn Sutter Madell
Kamera: Nan Goldin, Clare Carter, Robert Kolodny, Alexander W. Lewis, Laura Poitras, Sean Vegezzi, Thom Pavia
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 2023 | Bester Dokumentarfilm | Nominiert | |
BAFTA | 2023 | Bester Dokumentarfilm | Nominiert | |
Film Independent Spirit Awards | 2023 | Bester Dokumentarfilm | Sieg | |
Venedig | 2022 | Goldener Löwe | Sieg | |
Queer Lion | Nominiert |
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