Beau Is Afraid
© Leonine

Beau Is Afraid

Beau Is Afraid
„Beau Is Afraid“ // Deutschland-Start: 11. Mai 2023 (Kino) // 25. August 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Beau Wasserman (Joaquin Phoenix) hat Angst. Die hat er oft, zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten, an allen möglichen Orten. Zwar wurden ihm neue Medikamente verschrieben, die ihm bei seiner Situation helfen sollen. Aber auch sie sind machtlos, wenn er sich in seiner eigenen Wohnung belagert fühlt. Doch es kommt noch schlimmer. Erst verpasst er den Flug zu seiner Mutter, der erfolgreichen Unternehmerin Mona Wassermann (Patti LuPone), weil ihm sein Haustürschlüssel gestohlen wird. Und dann stirbt sie plötzlich, erschlagen von einem Kronleuchter. Um sie begraben zu können, muss er wohl oder übel doch in seine alte Heimat – was mit einer Reihe von Abenteuern verbunden ist …

Ein pausenloser Alptraum

Ari Aster gehört sicherlich zu den großen Namen des neueren Horror-Kinos, indem er klassische Genrezutaten mit viel Drama und Arthouse-Sensibilität verband. Schon mit seinem Langfilmdebüt Hereditary – Das Vermächtnis gelang ihm ein Volltreffer, der mit einer tragischen Wende Filmgeschichte geschrieben hat. Sein zweiter Film Midsommar war ebenfalls ein Ausnahmewerk, das den Schrecken eines heidnischen Kults mit ungewohnt strahlenden Bildern zu einem surrealen Alptraum verwandelte. Groß waren daher die Erwartungen an Beau Is Afraid, Langfilm Nummer drei. Etwas überraschend feierte dieser auf keinem der zu erwartenden großen Filmfestivals Premiere, sondern wurde einfach so mittendrin veröffentlicht. Und das ist nicht die einzige Überraschung bei einem Film, der unverkennbar von Aster stammt, gleichzeitig aber doch ganz anders ist als die ersten beiden Werke und nirgendwo wirklich reipasst.

Das fängt schon bei der Genrezuteilung an. So wird zwar auch Film Nummer drei als Horror bezeichnet. Das ist aber nur eine von vielen Schubladen, in die man Beau Is Afraid stecken könnte. Die Bezeichnung passt, wenn überhaupt, dann auch nur im ersten Drittel. In dieser Phase geht es primär darum, wie der völlig paranoide Protagonist seine Umgebung wahrnimmt. Sein Alltag gleich dabei einem Kriegsschauplatz, bei dem alles drunter und drüber geht und überall eine Bedrohung auf ihn wartet. Oder vielleicht auch nicht: Da Aster auf jeglichen Außenblick verzichtet und seine Geschichte ausschließlich durch Beaus Augen erzählt, kann man hier höchstens erahnen, was nun real ist und was nicht. Das ist mindestens verwirrend, aber eine der faszinierendsten und zugleich anstrengendsten filmischen Passagen, die man dieses Jahr wohl zu Gesicht bekommen wird – auch weil es keine Pause gibt.

Innerliche Odyssee am Rand der Zumutung

Dafür ist der Mittelteil deutlich ruhiger. Normal wird es zwar auch dann nicht, weil irgendwie alle in dem Film bekloppt sind. Aber die Erfahrung ist hier eine weniger körperliche, es geht durch die diversen anderen schrägen Figuren auch einiges von dem verloren, was den Einstieg so eindrucksvoll machte. Vor allem tritt der Film in diesem Abschnitt ewig auf der Stelle, ohne dass Figur oder Geschichte dadurch vorangetrieben würden. Beau Is Afraid hat immer noch seine Momente, auch weil Aster ein fabelhaftes Ensemble verpflichten konnte und wie schon bei den letzten beiden Filmen zu Hochleistungen antreibt. Natürlich steht dabei Phoenix im Mittelpunkt, der wie schon in Joker einen völlig entrückten Charakter spielt, der mit der normalen Welt völlig überfordert ist. Nur dass Beau schon beim Anblick derselben die Flucht ergreift. Gleichzeitig zeigt er aber auch sein komödiantisches Talent, wenn Beau beinahe zu einer Cartoon-Figur wird. Wenn Aster auf einmal Zeichentrickelemente einbauen würde, wundern würde es nicht.

Zum Ende hin wird es dafür umso tragischer, wenn es um die Aufarbeitung vergangener Traumata geht. Auf diese Weise kommt es zu einer Reihe von Wechsel und tonalen Sprüngen, ist mal auf absurde Weise komisch, dann wieder düster, schickt auf Abenteuer und hebt Grenzen auf. Das ist zusammen mit den zahlreichen surrealen Elementen und den mangelnden definitiven Antworten immer wieder spannend und eine einmalige Erfahrung. Aber es ist auch anstrengend, auf eine nicht immer empfehlenswerte Weise. Das hängt auch mit der Länge zusammen. Schon Midsommar war zuweilen ein echtes Geduldsspiel, Beau Is Afraid wird mit knapp drei Stunden sogar zu einer Zumutung. Eine, die sich zwar durchaus lohnen kann und zahlreiche unglaubliche Momente enthält. Aber auch eine, bei der sich das Bedürfnis doch in Grenzen hält, sie ein zweites Mal über sich ergehen zu lassen. So sehr Beau in seiner Gedankenwelt verlorengeht, so sehr verirrt sich auch der Regisseur in seinem bizarren Abbild einer innerlichen Odyssee.

Credits

OT: „Beau Is Afraid“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Ari Aster
Drehbuch: Ari Aster
Musik: Bobby Krlic
Kamera: Pawel Pogorzelski
Besetzung: Joaquin Phoenix, Patti LuPone, Nathan Lane, Amy Ryan, Stephen McKinley Henderson, Parker Posey

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Beau Is Afraid
fazit
Mit seinem dritten Werk verabschiedet sich Ari Aster vom traditionellen Horror und präsentiert stattdessen eine sonderbare Odyssee, die sich fester Genregrenzen entzieht. Wenn in „Beau Is Afraid“ ein paranoides Muttersöhnchen durch eine Welt streift, bei der nie klar ist, was real ist, dann ist das einerseits faszinierend, gleichzeitig aber auch anstrengend – vor allem wenn der Film während seiner drei Stunden Laufzeit auf der Stelle tritt.
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