Nachdem er 14 Jahre im Jugendgefängnis war, ist Eric Wilson (Andrew Garfield) ein freier Mann. Doch die Tat, die er als Kind begangen hat, hängt ihm noch immer nach. Um ihm einen Wiedereinstieg in die Gesellschaft zu ermöglichen, zieht er in eine neue Gegend und trägt nun den Namen Jack Burridge. Sein Bewährungshelfer Terry (Peter Mullan) versucht, ihn dabei zu unterstützen, wo immer er kann. Er verschafft ihm auch eine Stelle in einem Lager. Tatsächlich fühlt er sich dort schnell wohl, schließt Freundschaft mit Chris (Shaun Evans). Besonders aber hat es ihm seine Kollegin Michelle (Katie Lyons) angetan, für die er schnell Gefühle entwickelt. Doch noch immer wird er von seiner Vergangenheit heimgesucht. So leidet er immer wieder unter Alpträumen. Und auch die Welt da draußen hat nicht vergessen, was er getan hat …
Ein lebenslanger Film
In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Filmen gegeben, bei denen es um einen Menschen geht, der aus dem Gefängnis entlassen wird und nun den Weg zurück ins Leben sucht. Meistens geschieht das in Form eines Dramas, seien es Lorelei oder Palmer. Mandrake – Wurzel des Bösen siedelte dieses Thema im Horrorgenre an. Jedes Mal geht es darum, wie diese Figuren damit zu kämpfen hat, normal weiterzumachen. Einen großen Anteil an diesen Schwierigkeiten haben dabei die Reaktionen der Gesellschaft. Nur weil jemand seine Zeit im Gefängnis abgesessen hat, heißt das nicht, dass damit die Schuld abgetragen wäre. Je nach Verbrechen kann es keinen wirklichen Neuanfang geben, wie auch das Beispiel Boy A beschreibt.
Dabei ist die Adaption des gleichnamigen Romans von Jonathan Trigell in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich und unterscheidet sich in entscheidenden Punkten von den obigen Filmen. Einer davon ist das Alter. Wo die Täter ansonsten meistens Jugendliche sind, sofern sie nicht schon das Erwachsenenalter erreicht haben, da ist Eric zur Zeit seiner Tat gerade mal 10 Jahre. Das bedeutet zum einen, dass die Persönlichkeit noch nicht so weit gefestigt ist, dass man sich nicht bessern kann. Wer kann von sich schon behaupten, als Erwachsener noch die Person zu sein, die man als Kind war? Damit verbunden ist die Frage, ob jemand, der mit zehn ein Verbrechen begangen hat, bis ans Ende seines Lebens dafür büßen muss. Auch wenn Boy A natürlich von einer sehr schlimmen Tat spricht.
Auf der Suche nach Antworten
Oder auch nicht spricht: Regisseur John Crowley (Der Distelfink) legt seinen Film als verschachteltes Rätsel an, bei dem lange nicht klar ist, worum es denn eigentlich geht. Zwar wird gleich zum Einstieg verraten, dass es richtig schlimm gewesen sein muss. Ansonsten wäre er kaum dazu gezwungen, im Anschluss eine neue Identität anzunehmen. Mit Details wird jedoch geknausert, die werden erst nach und nach verraten. Zu dem Zweck verwendet Boy A zwei Handlungsstränge. Der größere ist der in der Gegenwart und zeigt Jack bei seinen Versuchen, ein normales Leben zu führen. Der andere spielt vor dem Verbrechen und erzählt von dem jungen Eric (Alfie Owen) und seiner Freundschaft zu Philip Craig (Taylor Doherty). In diesem ist nicht nur das Verbrechen selbst thematisiert, sondern auch die Hintergründe, wie es dazu kommen konnte.
Das ist einerseits spannend, weil das Publikum auf diese Weise bis zum Schluss miträtseln darf. Es dient vor allem aber auch dazu, Eric/Jack von einer anderen Seite zu zeigen und Verständnis zu erzeugen für seine Lage. Das Ergebnis ist etwas zwiespältig. So will Boy A dazu aufmuntern, genauer hinzusehen und statt Schwarzweiß auch mal Grautöne zu erkennen. Dabei ist der Film ebenso einseitig bei seiner Darstellung und legt etwas zu großen Wert darauf, Jack als Opfer zu zeigen. Subtil ist das nicht gerade. Sehenswert aber schon, gerade auch für einen jungen Andrew Garfield, der hier noch am Beginn seiner Karriere stand. Ihm gelingt der schwierige Balanceakt und überzeugt als junger Mann, dem so viele Jahre seiner Entwicklung durch das Gefängnis fehlen, dass er immer wieder verloren durch die Außenwelt stolpert und selbst keinen Weg durch diese sieht.
OT: „Boy A“
Land: UK
Jahr: 2007
Regie: John Crowley
Drehbuch: Mark O’Rowe
Vorlage: Jonathan Trigell
Musik: Paddy Cunneen
Kamera: Rob Hardy
Besetzung: Andrew Garfield, Peter Mullan, Siobhan Finneran, Alfie Owen, Victoria Brazier, Skye Bennett, Taylor Doherty
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