Mit seinen „Dedalus“-Romanen hat der zurückgezogen lebende Autor Oscar Brach ein Millionenpublikum erreicht. Umso größer ist die Neugierde auf den dritten und letzten Band, der endlich das Rätsel auflösen möchte. Damit diese Auflösung nicht vorzeitig bekannt wird, hat sich Verleger Éric Angstrom (Lambert Wilson) etwas ganz Besonderes einfallen lassen. So lässt er die neun Menschen, die das französischsprachige Werk übersetzen sollen, in einem abgelegenen Ort einsperren. Auf diese Weise kommen der Engländer Alex (Alex Lawther), die Russin Katerina (Olga Kurylenko), der Italiener Dario (Riccardo Scamarcio), der Chinese Chen (Frédéric Chau), die Deutsche Ingrid (Anna Maria Sturm), der Spanier Javier (Eduardo Noriega), die Dänin Helene (Sidse Babett Knudsen), der Grieche Konstantinos (Manolis Mavromataki) und die Portugiesin Telma (Maria Leite) zusammen.
Kontakt zur Außenwelt ist ebenso verboten wie Handys und das Internet. Auch die täglich übersetzten Seiten müssen sie rausrücken, damit diese nicht in falsche Hände geraten. Und doch ist es offensichtlich jemandem gelungen, das Material rauszuschmuggeln, denn jemand hat die ersten Seiten veröffentlicht und droht nun, auch den Rest zu bringen – sofern Angstrom nicht das geforderte Geld bezahlt …
Bloß nichts verraten!
Dass bei lang erwarteten Werken die Angst groß ist, etwas könnte frühzeitig verraten werden, ist bekannt. Vor allem im Filmbereich wimmelt es von Embargos, dass man erst kurz vorm Kinostart berichten darf. Gerade die Blockbuster werden zudem nur sehr kurz vor dem Start der Presse gezeigt. Bei größeren Filmfestivals geht vor der Premiere grundsätzlich nichts, egal wie wichtig ein Titel nun ist. Aber auch andere Bereiche der Unterhaltungsindustrie sind von Geheimniskrämerei geprägt. Mit Das Rätsel kommt nun ein Film, der genau diese Geheimniskrämerei thematisiert und ein absurdes Szenario entwirft. So absurd, dass man anfangs denken könnte, es handele sich um eine Satire. Tatsächlich gab es aber ein reales Vorbild. Genauer soll vor der Veröffentlichung von Dan Browns lang erwartetem Inferno unter ähnlichen Umständen an den Übersetzungen in die wichtigsten Sprachen gearbeitet worden sein. Bloß kein Datenleck riskieren, lautete damals die Devise.
Regisseur und Co-Autor Régis Roinsard (Warten auf Bojangles) interessiert sich dabei jedoch nicht übermäßig für diese Situation als solche. Zwar wird bei der Einführung demonstriert, was die Übersetzer und Übersetzerinnen in dem Bunker erwartet. Im Anschluss geht es jedoch kaum darum, wie ein Leben unter solchen Bedingungen ist. Auch der Austausch der Figuren ist minimal, obwohl das durchaus interessant hätte sein können. Stattdessen stürzt sich Das Rätsel recht früh schon auf die Erpressung und die damit verbundene Frage: Wer hat die Texte rausschmuggeln können? Und wie ist das geschehen, ohne dabei den Bunker zu verlassen? Zumindest eine Weile sieht es so aus, als handele es sich bei der französisch-belgischen Coproduktion um einen Whodunnit. Das Publikum darf da kräftig mitfiebern und Hypothesen aufstellen. Dass es hier „nur“ um eine gespoilerte Geschichte geht und nicht um einen Mord, schadet der Spannung nicht. Die Nerven bei den Anwesenden liegen auch so blank.
Atmosphärisch und wendungsreich
Das liegt zum Teil natürlich am Setting, welches die Figuren zu Gefangenen macht. Sie sind zudem Angstrom und seinen brutalen Schergen hilflos ausgeliefert. Das ist sehr atmosphärisch, wird aber nicht bis zum Ende beibehalten. Stattdessen setzt Roinsard auf zahlreiche Flashbacks, um die Geschichte auf einmal in eine ganz andere Richtung zu bewegen. Das ist einerseits schade, da das Klaustrophobische auf diese Weise im weiteren Verlauf völlig verschwindet. Andererseits schlagen der Filmefilmer und seine beiden Mit-Autoren Romain Compingt und Daniel Presley dabei so viele Haken, dass man auch so noch gern bis zum Schluss dranbleibt. Die Frage nach dem Hacker oder der Hackerin spielt da schon keine Rolle mehr. Vielmehr darf spekuliert werden: Worum geht es überhaupt?
Das wird nicht allen gefallen. Schade ist zudem, dass das Sprachenwirrwarr, wenn Menschen aus zehn verschiedenen Ländern aufeinandertreffen, überschaubar ist. Zwar wurden die einzelnen Rollen tatsächlich überwiegend mit Schauspielern und Schauspielerinnen besetzt, die aus dem entsprechenden Land kommen – darunter etwa der Italiener Riccardo Scamarcio oder die Deutsche Anna Maria Sturm. Sie unterhalten sich aber meistens auf Französisch, nur in einer Szene wird das Potenzial richtig genutzt. Ausnahmsweise ist das aber inhaltlich durchaus nachzuvollziehen, müssen doch alle Figuren diese Sprache sprechen können, um sie zu übersetzen. Das tun sie auch, teils mit starkem Akzent. Doch auch wenn in Das Rätsel nicht alles konsequent durchgezogen wird und die Geschichte etwas wirr ist, Spaß macht sie durchaus. Dazu gibt es ein paar wertvolle Gedanken, die sich um Kunst und deren Kommerzialisierung drehen, aber auch die Frage: Wem gehört Kunst überhaupt?
OT: „Les Traducteurs“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2019
Regie: Régis Roinsard
Drehbuch: Régis Roinsard, Romain Compingt, Daniel Presley
Musik: Jun Miyake
Kamera: Guillaume Schiffman
Besetzung: Olga Kurylenko, Alex Lawther, Sidse Babett Knudsen, Riccardo Scamarcio, Lambert Wilson, Eduardo Noriega, Patrick Bauchau, Sara Giraudeau, Frédéric Chau, Maria Leite, Anna Maria Sturm, Manolis Mavromatakis
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