In German Genius versucht Kida Khodr Ramadan ein deutsches Remake der Serie Extras von Ricky Gervais zu verwirklichen. Dabei stößt er jedoch auf Probleme, sodass die Prämisse der Show bald umgeändert werden muss. Nun sollen fiktive Filme über historische deutsche Persönlichkeiten gedreht werden, bei denen er am Set als Komparse alles vermasselt. Wir haben uns zum Start der Comedyserie am 23. Mai 2023 um 20:15 Uhr auf Warner TV Comedy mit dem Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler Detlev Buck über das Anderssein, seine Rolle, den Umgang mit Kritiken und den deutschen Film an sich unterhalten.
Wer sich Ihre Filmographie anschaut, der mag wohl feststellen, dass Sie spätestens seit Rubbeldiekatz alles immer ein bisschen anders machen. Auch in manchen Titeln Ihrer Produktionen findet sich das Wort „anders“. Was ist an German Genius anders als an anderen deutschen Serien?
Ich mag es, weil es frisch ist. Es lässt Wilhelm II. und eine Beschneidungszeremonie innerhalb von zwanzig Minuten aufeinanderstoßen lässt, ohne dass man sich fragt, wie das zusammenpasst. Das wird verbunden durch Kida Khodr Ramadan, der ja wie in der Titelsequenz schon deutlich gemacht als Migrant aus dem Libanon hierher kommt. Der als Jugendlicher in Neukölln landet und dann plötzlich beim Film Fuß fasst und sich über 4 Blocks nach oben kämpft, dann aber die Strippen selbst in der Hand haben möchte. Das ist es, was es sowohl ehrlich macht bezüglich der Familie, aber gleichzeitig auch die komplexen großen Vertreter der deutschen Geschichte, die hier frisch und frei zusammenkommen. Das ist das, was ich mag. Dieses freie Aufspielen, ohne dass man jetzt ängstlich ist.
Anders als die meisten anderen bekannten Filmpersönlichkeiten spielen Sie sich in German Genius nicht selbst, zumindest nicht dem Namen nach. Ihre Figur Marius Jürgens wird aber schon bei der Einführung und auch später mit Detlev Buck verwechselt. Steckt da noch mehr dahinter oder ist es eben einfach ein Spiel mit der Andersartigkeit?
Wir haben das ja zu viert geschrieben und auch zu zweit Regie gemacht. Diese Idee kam von Cüneyt Kaya, es gab da so ein Drehbuch, „Chad Schmid“, wo jemand aussah wie Brad Pitt. Das fanden wir dann lustig. Der Marius Jürgens will ja etwas verändern und würde für den Ruhm seine Mutter verkaufen. Er ist ja auch illoyal ohne Ende und bekommt dann eine Hybris. Er zeigt über sich selbst in der Öffentlichkeit eine Dokumentation. Ich selber bin jetzt nicht uneitel, aber auf so eine Idee würde ich nicht kommen.
Den Tweet von Ricky Gervais zu 4 Blocks gibt es ja wirklich. Hat sich die Idee zur Serie daraus abgeleitet oder war das Ganze bereits von langer Hand geplant, und der Tweet im Jahre 2018 nur Teil eines ausgeklügelten Marketingkonzeptes?
Nein, der war echt. Wir saßen wie so oft nach Silvester zusammen und überlegten, was wir machen könnten. Ricky Gervais ist cool und Extras ist auch cool, ob wir da nicht mal Kida fragen, ob der da mal eben nicht auf dem kurzen Dienstweg … Dadurch erfuhren wir, dass die Rechte bei BBC liegen. Wir haben die Leute von BBC dann bei der Berlinale getroffen. Es stellte sich ziemlich schnell heraus, dass da die gleiche Frage kam, die wir auch in der Serie thematisieren: Welche deutschen Stars kommen denn überhaupt in Frage? Es gibt hier ja deutsche Stars, auch wenn so getan wird als wären Elyas M’Barek oder Matthias Schweighöfer keine, aber die kriegt man dann eben auch nicht. Deshalb machten wir aus der Not eine Tugend mit dem Spinoff German Genius.
Bleiben wir noch kurz bei der Realität. Wie wichtig ist es Ihnen, in Ihren Werken gesellschaftliche Themen aufzugreifen?
Wichtig! Das find ich schon wichtig. Besonders in so einem Bereich wie jetzt dem Spiel mit deutscher Geschichte und dem Filmschaffen. Das ist jetzt kein Vorwurf, aber alle sagen „wir machen ganz was anderes“, und alle sagen dasselbe. Sie sagen wir brauchen eine IP und wir brauchen Stars. Alle wollen also eigentlich dasselbe, alle wollen eigentlich nur Aufmerksamkeit. Die Redakteurin in German Genius sagt ja auch: „Ach, Ricky Gervais macht mit? Ja dann ist das natürlich etwas ganz anderes!“ Letztendlich ist alles durchsetzt mit Angst.
Es ist ja auch herrlich, wenn Tom Schilling sagt: „Ich mach dir das, ich inszeniere Wilhelm II.“ Wenn dann das Produkt fertig ist und alle wissen bei der Abnahme nicht, ist das jetzt gut oder schlecht. Und dann zeigt der Daumen der Redakteurin nach oben und alle sind begeistert. Das ist amüsant und absurd. Eigentlich haben alle Angst, Fehler zu machen.
Welchen der fiktiven Filme, die im Verlauf der Serie gedreht werden sollen, hätten Sie persönlich als Zuschauer am liebsten im Kino gesehen?
Oh. Also, wir haben Filme über Goethe, wir haben Filme über Beethoven, wir haben einen Film über Einstein, es kommt aber vielleicht noch einer, wir haben über Marlene Dietrich einen Film, aber über zwei Persönlichkeiten haben wir noch keinen Film, die fände ich dann am interessantesten. Vor allem über Wilhelm II. Er ist sicherlich eine der interessantesten Persönlichkeiten, wie ja in der Serie gesagt wird: Mit ihm fing das Desaster an. Ich hatte auch für Olli Schulz [spielt Wilhelm II. in der Serie, Anm. der Redaktion] ein Buch über Wilhelm II. Ich find das völlig irre, wie die da schlafwandlerisch in den Krieg getappst sind. Das mag ich so daran, wenn der da sagt: „Mensch ärger dich nicht ist ein herrliches Spiel, man muss nach vorne und darf nicht zurück, und alle wollen nach Hause. Das schicken wir mal!“ Ich glaube, die haben tausende von diesen Spielen in die Schützengräben geschickt. Das allein wäre für mich … Du sitzt im Schützengraben und du kriegst ein Mensch ärger dich nicht-Spiel. Wenn du da rausfliegst, denkst du „tut ja gar nicht weh“, und dann gehst du eben auch raus und verlässt deinen Schützengraben. Das ist tragisch.
Am 10. Mai erschien bei uns ein britisches Remake zu der deutschen Serie Der Tatortreiniger. Das ist ja aber eher die Ausnahme. In der Regel sind es internationale Formate, die in Deutschland zu beliebten Serien wie etwa Pastekwa oder Stromberg geführt haben. Wie in German Genius schnell deutlich wird, kann ein deutsches Remake von Extras aufgrund der hiesigen Gegebenheiten nicht funktionieren. Warum aber haben es deutsche Produktionen so schwer, Ableger oder auch nur Anerkennung im Ausland zu finden?
Sam Peckinpah sagte, die Deutschen können am besten Autos, Kühlschränke … praktische Dinge. Die Filmgeschichte ist sehr kurz. Die Geschichte der Amerikaner ist eigentlich auch kurz. Sie ist hervorgegangen durch einen Pionierkampf. Der Film ist sehr geprägt worden von diesem Mythos des „von unten nach oben“, des Befreiungskampfes und so weiter. Das hat auch mit dieser Nation zu tun. Deutschland gibt es auch noch nicht so lange, aber es ist hier viel komplizierter. Wenn man beispielsweise an Mafia denkt, denkt man immer noch eher an Der Pate und an italienische Mafia als an russische. Der Mythos der russischen Mafia ist nicht so stark wie jener der italienischen. Das sind Bilder, die meiner Meinung nach in der Gesellschaft hängen und die bekannt sind. Wenn du jetzt etwas zum Dreißigjährigen Krieg machst, hat das einfach nicht diesen Mythos, man hat keine Bilder.
Schlagen wir weiter in dieselbe Kerbe. Der Regisseur Wolfgang Liebeneiner soll einmal gesagt haben: „In Amerika wird Film hergestellt wie Kunst und verkauft wie Ware, und in Deutschland ist es genau umgekehrt.“ Was halten Sie von dieser Aussage?
Wir verkaufen es in dem Sinne nicht wie Kunst, Kunst ist ja teuer und wird gut gekauft. „Wie Ware hergestellt“ bezieht sich vielleicht auf die reduzierte Drehzeit, die immer weniger wird. Da muss man auch aufpassen. Tom Schilling sagt ja auch in der Serie: „Die Regisseure können ja nur noch abwickeln, ICH bin der beste Regisseur.“ Da muss man eben aufpassen, sonst steht dann nicht mehr das Spiel im Mittelpunkt, sondern alles ist wirklich nur noch eine Abwicklung. Wenn man abwickelt kann man keine Kunst machen und ist dann auch schwer zu verkaufen.
Wie gehen Sie mit Kritik an Ihren Werken um?
Ich habe mir einmal eine aufgehängt. Die hat mich so geärgert. Danach habe ich den Kritiker noch einmal getroffen, er fragte mich, wieso ich nicht mehr mit ihm rede und ihm keine Interviews mehr gebe. Da meinte ich: Du hast einmal gesagt, ich hätte in meinem Film nicht nur die Liebe, das Schöne, sondern das gesamte Leben denunziert. Dabei habe ich noch nie etwas denunziert. Also Marius Jürgens verrät schon, aber ich mache das beim Film nicht. Ich VERSUCHE etwas. Manchmal misslingt es, aber was ich vielen Kritikern übel nehme, ist dass sie das Andere, den neuen Versuch nicht checken. Sondern eigentlich mit einer vorgefassten Meinung sehen wollen. Das ist ein unneugieriger Weg. Ich bevorzuge ein neugieriges Sehen. Das möchte ich auch nicht verlieren.
In Ihrem Kurzfilm-Regiedebüt Erst die Arbeit und dann? von 1984 spielen Sie eine Figur namens Gerhard Ramm. Im Prinzip waren Sie das ja aber selbst. Wie schon erwähnt spielen Sie in German Genius nun auch eine Version Ihrer selbst. Ist das für Sie so eine Art Rahmen für Ihre Filmographie oder denken Sie noch lange nicht ans Aufhören?
Rahmen. (lacht) Um Gottes Willen. Damals sollte das ein Kumpel machen, der hatte dann weiche Knie bekommen. Das war nicht so geplant. Hier war es jetzt ein Spiel, das auch über Cüneyt Kaya kam wegen des Skripts mit dem Typen, der wie Brad Pitt aussieht. „Chad Schmid.“ Die Figur wird in German Genius ja zum Antagonisten. Das wäre eigentlich ein scheiß Rahmen. Wenn man seinen Partner und völlig illoyal auch seine Mutter verrät, um sich dann in einer Hybris in der Öffentlichkeit selbst darzustellen, also wirklich. Der will ja berühmt sein, und ich bin da ganz anders. Ich vermeide Restaurants, wo ich mit Namen begrüßt werde. Ich möchte nicht beobachtet werden. Meine größte Freude ist es eigentlich, zu beobachten. Ich möchte nicht im Fokus stehen. Ich spiele ja auch nicht deswegen. Es ist eher das Spielerische, das mich interessiert als dass ich sage „holla die Waldfee, ist doch geil. So ein geiler Rahmen.“ Und zum Aufhören: Das ist wie bei einem guten Spiel, man kann nicht aufhören, weil es einfach Spaß bringt. Bis die Sonne unterging, solange hab ich gespielt. Und am nächsten Tag hab ich wieder angefangen. Solange man diese Möglichkeit hat. Zu Wim Wenders habe ich gesagt: „Mensch Wim, zwei Filme in Cannes! Alter, du machst es ja mal wieder vor.“ Er hat sich so gefreut, und ich freu mich dann für ihn. Er dachte, man hätte ihn vergessen, und ich meinte nein. Aber irgendwann wird man auch ihn vergessen, so wie mich, so wie die meisten jungen Zuschauer Filme von vor der Jahrtausendwende auch nicht mehr kennen. Ich finde das aber herrlich, diese Bewegung, ob das Volker Schlöndorff oder Wim Wenders ist, das sind sehr neugierige Menschen. Sonst könnten sie diese Arbeit nicht machen. Das ist kein 9-to-5-job oder ein 20-bis-65-Beruf. Du liebst es und kanns es schwer ablegen – solange man dich lässt. Billy Wilder bin ich auf der Bühne begegnet, als er einen Ehrenbären bekommen hat, da war er 86 und wollte immer noch einen Film machen. Aber man hat ihn nicht gelassen. Über den hat Volker Schlöndorff ja auch einen schönen Film gemacht.
Gibt es beruflich einen Traum, den Sie sich noch erfüllen wollen? Zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit einem bestimmten Schauspieler oder eine bestimmte Art von Film zu machen?
Ja, es gibt so tolle Filme und Arbeiten, bei denen ich sage, wow, einmal in diese Ecke zu kommen … und wenn es denn mit Wilhelm II. und tausenden von Mensch ärgere dich nicht-Spielen ist.
Zu guter Letzt: Welche Frage wollten Sie schon immer beantworten, die Ihnen jedoch nie gestellt wurde?
(überlegt) Da gibt es keine eigentlich. Es gibt jeden Tag welche, aber heute habe ich keine. (lacht) Es gibt Tage, wo ich denke, da könnte ich wirklich etwas Gutes tun und meinen Senf dazugeben. Aber heute nicht.
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