Die sechsköpfige evangelische Jugendgruppe eines Dorfes im Harz trifft sich wieder in ihrer Hütte, der „Absteige“. Sie beschließen, gemeinsam einen Spielfilm zu drehen und entwickeln das Drehbuch. Und schon sind Lydia (Lene Deike), Theo (Falco Heidzig), Luka (Phelan Brunk), Posh (Leabé), Sarah (Amalia Teuber) und Finn (Lukas Bake) im Geiste mittendrin in der abenteuerlichen Handlung. In der abgebrannten „Absteige“ taucht eine alte Blechschatulle auf. Sie enthält unter anderem ein Foto, auf dem einige der Eltern der Jugendlichen vor rund 20 Jahren zu sehen sind, sowie Hinweise auf eine Höhle in den Bergen Südtirols. Jugendpfarrer Markus (Frederick Lau) befürwortet den Plan der Teenager, ohne erwachsene Begleitung nach Südtirol zu fahren, um die Botschaft dieser Zeitkapsel zu entschlüsseln. Dort kommen sie mit ihrer Reisebekanntschaft, der Berliner Punkerin Ninja (Leonie Fries), beim Hüttenwirt Jasper (Dieter Hallervorden) unter. Dessen Sohn Peter (Emanuel Fellmer) will die Gruppe samt Rollstuhlfahrer Theo als erfahrener Bergführer begleiten. Doch die Wandertour birgt ungeahnte Gefahren.
Ein filmisches Jugendprojekt
An diesem Spielfilm ist alles ungewöhnlich. Die Geschichte haben Jugendliche, die sich für Film begeistern, entwickelt. Produziert hat ihn die Evangelische Jugend Bad Harzburg. Unter der Regie von Dean Benzin spielten junge Laien und Laiinnen die Hauptrollen und übernahmen auch in der Crew Aufgaben neben den handwerklichen Profis. Der 2021 gedrehte und Ende 2022 uraufgeführte Film war von Anfang an für das Kino bestimmt, also wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt. Und tatsächlich hat sich auch ein großer Verleiher gefunden. Es gibt Actionszenen, wilde Ausflüge in die jugendliche Vorstellungskraft, schöne Aufnahmen in den Südtiroler Bergen, einen furchterregenden Braunbären. Und auch die Mitwirkung von Frederick Lau und Dieter Hallervorden in Gastrollen besitzt Zugkraft, um Publikum ins Kino zu locken. Es wirkt außerdem sehr sympathisch, wenn Profis Jugendliche dabei unterstützen, einfach aus Spaß und Neugier einen Film zu drehen.
Wer sich nun aber einen Spielfilm mit hölzernen Dialogen und holprigem Handlungsverlauf vorstellt, liegt nicht ganz falsch. Das amateurhafte Projekt weckt Erinnerungen an die ersten filmischen Gehversuche des Helden in Steven Spielbergs autobiografisch inspiriertem Die Fabelmans. Der jugendliche Sammy Fabelman dreht da beispielsweise einen Western mit seinen Pfadfinderfreunden, der ihnen und ihren Eltern dann vorgeführt wird. Das Publikum staunt über die technischen Tricks, die aufregenden Actionszenen, die Leidenschaft des talentierten Amateurs. Auch Fisch im Fell beweist Fantasie und zitiert als Ausdruck filmischer Leidenschaft auch mehrere ikonische Werke. Die Produzenten der Propsteijugend Bad Harzburg, wo bereits die sechsteilige Serie Dive into Life und ein Podcast entstanden, verstehen den Film auch als gelebte Teamerfahrung, die Jugendliche fördert und stärkt. Was Außenstehende jedoch aus dem Kinobesuch mitnehmen, steht auf einem anderen Blatt.
Überbordende Fantasie, braver Inhalt
Auf ihrer Reise in die Berge Südtirols wird der Zusammenhalt der jugendlichen Filmcharaktere auf die Probe gestellt. Konflikte zeichnen sich ab, geheime individuelle Ängste treten zum Vorschein. Die Jugendlichen der Gruppe sind sehr unterschiedlich. Theo hat als Rollstuhlfahrer manchmal die Befürchtung, dass er abgehängt wird. Aber er überspielt das, indem er als Frohnatur immer eine scherzhafte Bemerkung auf den Lippen hat. Lydia wirkt als Organisatorin stets vernünftig, wie auch Sarah, die auf ihren jüngeren Bruder Finn aufpassen will. Dieser aber hat sich in Johanna, auch Posh genannt, verguckt und filmt sie unermüdlich für ihren Internetauftritt als Influencerin. Poshs Selbstbezogenheit verträgt sich schlecht mit der gemeinschaftlichen Mission. Fußball-As Luka spricht mit der queeren Berlinerin Ninja über seine geheime sexuelle Orientierung. Mit all diesen Themen, zu denen noch ökologisches Engagement hinzukommt, spricht die Filmhandlung Dinge an, die Jugendliche interessieren und beschäftigen.
Aber für ein Jugendprojekt ist die Geschichte dann doch ziemlich brav. Es fehlen inhaltlich die wirklich originellen Ideen. Diese sind eher auf der stilistischen Ebene zu finden oder auch in der hanebüchenen Szene, in der ein Braunbär körperlich attackiert wird. Tiere sind natürlich nicht wirklich zu Schaden gekommen, aber die Glaubwürdigkeit bleibt auf der Strecke. Andererseits muss man sich bei diesem abenteuerlichen Plot auch immer wieder vor Augen führen, dass es ein Film-im-Film ist, für den die Jugendlichen ihre Fantasie von der Leine lassen. Die surreale Übertreibung hier und da spiegelt diesen Prozess. Man hätte sich auch bei den Dialogen und Beziehungskonflikten mehr Biss und Substanz ohne pädagogische Glättung gewünscht.
OT: „Fisch im Fell“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Dean Benzin
Drehbuch: Christian Pasquariello
Musik: Max Wege
Kamera: Konstantin Freyer
Besetzung: Lene Deike, Falco Heidzig, Phelan Brunk, Leabé, Amalia Teuber, Lukas Bake, Leonie Fries, Emanuel Fellmer, Kati Ruppert, Frederick Lau, Dieter Hallervorden
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