German Genius

German Genius – Staffel 1

German Genius
„German Genius – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 23. Mai 2023 (Warner TV Comedy)

Inhalt/Kritik

Als Ricky Gervais positiv über 4 Blocks twittert, nutzt Kida Khodr Ramadan die Gelegenheit, um sich die Rechte für ein deutsches Remake von Gervais‘ Serie Extras zu sichern. Gemeinsam mit dem erfolglosen Schauspieler Marius Jürgens (Detlev Buck) versucht er, grünes Licht für die Produktion zu bekommen. Da das Konzept eines Komparsen, der von Set zu Set mit lauter Stars tingelt, in Deutschland nicht funktioniert, muss erst einmal die Prämisse angepasst werden: Kida soll die Rolle als Komparse beibehalten, die lebenden Stars werden aber mit historischen ausgetauscht, etwa Johann Wolfgang von Goethe oder Albert Einstein. In jeder Folge erhält eine der berühmten deutschen Persönlichkeiten ein fiktives Biopic, bei dessen Dreharbeiten Kida sich dann am Set blamiert. Doch als es zu weiteren Änderungen kommt, wird die Sache bald zu viel für Kida …

Einstieg mit lauter Detailfehlern

Inhaltlich kann sich bei German Genius wieder einmal in Detailkritik verloren werden. So hat Kida in der ersten Folge angeblich keine Ahnung, wer Ricky Gervais ist. Nachdem Marvin Kren, der Regisseur von 4 Blocks, ihm am Telefon gegenüber unter anderem die Serie The Office (ohne klarzustellen, dass es sich um das Original handelt), die Ansprachen bei den Golden Globes oder die Serie Extras aufzählt, und kurz widergibt worum es in letzterer geht, betont er auch, dass Gervais gerade damit reich und berühmt geworden sei. Da wird Kida hellhörig: „Reich und berühmt? Und das funktioniert in England?“ Es wurde nur bisher mit keiner Silbe erwähnt, woher Gervais stammt, und die von Kren gegebene Auflistung würde jemanden ohne Vorwissen dazu veranlassen, ihn oder zumindest seinen Erfolg in den USA zu verorten.

Direkt die anschließende Szene lässt dann formal zu wünschen übrig. Kida recherchiert Ricky, tippt also dessen Namen erst einmal bei Google ein. Während die Suchmaschine authentisch aussieht, scheinen die Vorschläge zur automatischen Vervollständigung größtenteils fabriziert zu sein. Da sich zu den einigen davon kein vernünftiges Äquivalent in der realen Welt finden lässt, handelt es sich eventuell um Insiderjokes. Das ist aber nicht weiter bemerkenswert, es geht eher um das darauf Folgende: Kida ruft den Infomania-Artikel (ein fiktiver Wikipedia-Verschnitt) zu Gervais auf und liest einige ausgewählte Stellen vor, bevor er auf den Eintrag zu Extras klickt und dort das Gleiche tut. Dabei sehen wir die ganze Zeit über nur das, was auf dem Bildschirm passiert. Sehen, wie der Cursor die erwähnten Passagen gelb markiert. Diese dreifache Informationsweitergabe, diese Kombination aus präsentiertem Text, spezifischer Markierung und auditiver Repetition also, ist Filmemachen wie von Erstsemestern. Darüber hinaus entsteht so schmerzlich der Eindruck, dass es sich hier um ein vorgefertigtes Video handelt, das Ramadan hinterher im Tonstudio kommentierte. Abgesehen davon benutzt Kida in der gesamten Serie sonst keinen Computer und hätte das Ganze wohl eher an seinem Smartphone recherchiert.

Zu früh aufgehört

Zunächst mutet es schade an, dass der Auftritt von Ricky Gervais bereits im Pressematerial vorweggenommen wird. Da dies jedoch bereits in der ersten Episode geschieht, macht es wohl keinen großen Unterschied. Damit wird aber der Versuch unterminiert, genau damit zu kokettieren. Wenn Kida Ricky kontaktiert, indem er seiner Frau (Britta Hammelstein) eine Nachricht auf Deutsch diktiert, welche sie dann ins Englische übersetzt beziehungsweise wenn Ricky später anruft, vor Beginn des Gespräches jedoch weggeschnitten wird, dann wirkt das alles so, als wäre es nicht gelungen, Gervais vor die Kamera zu bekommen. Das hätte sich als eine Art Running Gag durch die Serie ziehen können, mit der großen Auflösung am Ende, wenn er schließlich doch mit von der Partie ist.

Schließlich darf Kida den Teaser für die Serie nur drehen, weil er der zuständigen Redakteurin (Christina Große) erzählt, Ricky wäre mit an Bord, und dieses Narrativ in den weiteren Folgen aufrecht erhält. Stattdessen wurde dem Inhaltlichen der Vorzug gegeben, wofür es in der Tat deutlich sinnvoller ist, ihn am Anfang auftauchen zu lassen. Wenn sich auf das Formale konzentriert worden wäre, würde hier aber vielleicht stehen, dass dafür die inhaltliche Kohärenz geopfert wurde, weshalb es reine Geschmackssache ist. Außerdem wartet German Genius am Ende doch noch mit einer Überraschung auf.

Alles recht unterhaltsam

Bei aller negativen Kritik darf das Lob nicht zu kurz kommen. Leander Haußmann (Das Pubertier – Der Film) hat einen wunderbar selbstironischen Gastauftritt; gerade sein Einstiegswitz könnte bei manchen für den größten Lacher der ersten Episode sorgen. Die zweite Folge kommt dann auch schon wesentlich stringenter daher. Tom Schilling (Oh Boy) spielt eine köstliche Version seiner selbst. Dem aufmerksamen Zuschauer wird an einer Stelle ein Hinweis zur Auflösung seines Handlungsbogens gegeben, aber selbst danach macht die Serie einen guten Job damit, eine falsche Fährte zu legen. Wer nach der ersten Hälfte der ersten Folge noch skeptisch ist, sollte zumindest diese zu Ende schauen und dann am besten noch die zweite hinterher. Wer bis dahin nichts mit German Genius anfangen kann, wird sich wohl auch danach nicht mehr dafür erwärmen können.

Wen die ersten beiden Episoden aber überzeugt haben, der wird auch weiterhin nicht enttäuscht werden. Die Serie verliert im weiteren Verlauf zwar ein bisschen den Fokus auf das Remake-Narrativ, um sich auf einige Nebenplots zu konzentrieren, von denen es vielleicht auch nicht alle gebraucht hätte, aber insgesamt ist das alles hier schon recht unterhaltsam. Auch genremäßig entgleitet German Genius immer wieder einmal der Komödie, um zu einem ernsthaften Drama zu werden.

Witze für Filmfans

In der fünften Folge erzählt Heike Makatsch (Tender Hearts), die wie so viele hier eine Version ihrer selbst spielt, etwas davon, dass heutzutage aufgrund des Streamings inhaltlich anders gedreht werden müsse als vor zwanzig Jahren. Ob das ein bewusster Seitenhieb sein soll, erschließt sich nicht ganz, allerdings folgt German Genius brav einem Veröffentlichungsrhythmus, bei dem während der nächsten Wochen jeden Dienstag zwei neue Episoden auf Warner TV Comedy erstausgestrahlt werden. In der siebten Folge macht sich die Show über so genannte Intimacy Coordinators lustig, die sich seit einiger Zeit an Filmsets breitmachen, und der persönlichen, laienhaften, unqualifizierten und vor allem nicht justiziablen Meinung des Rezensenten nach absolute Schwindler sind, die die Welt davon überzeugt haben, dass eine solche Position nötig sei für etwas, das weit über ein Jahrhundert lang ohne sie funktioniert hat. Allein dass die Definitionshoheit in diesem Bereich bei diesen Leuten liegt, und der jeweilige Drehbuchautor ihnen Rede und Antwort über die Auslegung seiner Formulierungen stehen muss, sollte schon ziemlich skeptisch machen.

Generell aber werden Zuschauer mit Seterfahrung oder einer Affinität zu Filmdrehs hier den meisten Spaß haben. Zu Beginn wirkt es so, als würde die Serie konzeptuell an Reboot erinnern, aber tatsächlich geht es mehr um Kida im Berufs- und Privatleben. Daher sind Assoziationen mit der Serie Pastewka viel naheliegender, auch wenn German Genius nicht an diese herankommen kann. Durch diese Brille betrachtet fällt es schwer, die ein oder andere Szene nicht als direkt davon inspiriert wahrzunehmen. German Genius steht insgesamt aber doch klar auf eigenen Beinen.

Credits

OT: „German Genius“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Cüneyt Kaya, Detlev Buck
Drehbuch: Detlev Buck, Cüneyt Kaya, Constantin Lieb, Seraina Nyikos
Musik: Bowen Liu
Kamera: Henner Besuch
Besetzung: Kida Khodr Ramadan, Detlev Buck, Heike Makatsch, Maria Furtwängler, Tom Schilling, Frederick Lau, Britta Hammelstein, Christina Große, Katrin Bauerfeind, Leander Haußmann, Marvin Kren

Bilder

Trailer

Interview

Ihr wollt mehr über die Serie erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Regisseur und Autor Detlev Buck zu unterhalten. Im Interview zu German Genius sprechen wir über die Arbeit an der Serie, deutsche Filme und Eitelkeit.

Detlev Buck [Interview]

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German Genius – Staffel 1
Fazit
"German Genius" begleitet eine fiktionalisierte Version von Kida Khodr Ramadan durch sein Privat- und Berufsleben. Nach einem etwas holprigen Einstieg findet die Serie bald ihren Ton, bewegt sich dabei immer wieder einmal über die Grenzen einer Komödie hinaus und wird zum Drama. Vorkenntnisse darüber, was bei einer Filmproduktion hinter den Kulissen abläuft, sind nicht notwendig, können sich aber positiv auf die Rezeption auswirken.
Leserwertung48 Bewertungen
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von 10